Bruce Nauman, hat Monica Bonvicini einmal in einem Interview geäußert, sei so relevant für sie und so viele andere Künstler*innen, weil er versuchte, Kunst zu machen, die wie ein Faustschlag ins Gesicht sei.
Doch die Faust bleibt in ihrer so ironisch verspielten wie minimalistisch kühlen Blockbuster-Ausstellung in der Halle der Neuen Nationalgalerie in der Hosentasche. Sofern sich die Hand nicht gleich öffnet, um staunend über die endlos langen Spiegelflächen zu gleiten, die die Struktur von Mies van der Rohes imposantem Meisterklotz gleichzeitig nachahmen wie auch sarkastisch auf sich selbst zurückwerfen. Schon vor dem Eingangsbereich macht Bonvicini in Girlboss-Manier klar: „I do you“, ich besorg’s dir, Berlin, Kunstmarkt, Arc
markt, Architekturmacker, whatever, auf einer mehr als 14 mal 14 Meter großen, warholesk beschrifteten Spiegelfläche, die zu begeisterten ersten Selfies noch vor dem Entern der eigentlichen Schau einlädt.Dort schwebt man beseelt auf die von Bonvicini installierte Plattform zu, die den Riesenkubus kess in der horizontalen Mitte durchschneidet und ihm ein Stockwerk hinzufügt – so viel Licht, so viel Weite! Bis man sich fast die Rübe stößt am nächsten gigantischen Spiegel, der die Plattform umhüllt und die Mies’sche Obsession mit architektonischer Weite und Leere wiederum, na klar, spiegelt. Ist man doch selbst drauf reingefallen – das hier ist eben keine Luftigkeit, sondern eine verspiegelte Wand, auf die man beinahe knallt.Es knallt und hallt hier auch der Sound vom frühen Video Hausfrau Swinging (1997), ein wenig versteckt untergebracht in einem der beiden jetzt leeren Kassenhäuschen. Im Video schlägt eine nackte Frauenfigur immer wieder ihren Kopf, über den ein Papphäuschen gestülpt ist, geräuschvoll gegen die Wände eines echten Hauses. Sinnvoll platziert im Eingangsbereich, erhellt das Werk die künstlerischen Zugänge der 1965 in Venedig geborenen Künstlerin, die seit über 30 Jahren in Berlin lebt und wirkt und schon lange zu den internationalen Big Players der Kunstszene gehört.Einer ihrer großen Themenkomplexe ist, wie patriarchal durchwirkte Praktiken, zu denen auch die Architektur gehört, stereotype Rollenbilder formen und verstärken, wie Vorstellungen vom Privaten weibliche Identitäten beengen, ein- sowie ausschließen. „No desk in her room“ ist eines der vielen Zitate auf einer der Spiegelwände, und es stammt von Daniela Hammer-Tugendhat, für deren Eltern Mies van der Rohe – gemeinsam mit Lilly Reich, was viele nicht wissen – eine Villa im tschechischen Brünn erbaut hatte. Einen Schreibtisch brauchte Grete Tugendhat, die gebildete Auftraggeberin der Villa, nach Meinung des Architekten nicht. Weil sie ja eine Frau war.Ein Tisch reicht Monica Bonvicini nichtDa liest sich die Aufstockung des beinahe sakrosankten Nationalgalerie-Kolosses um ein weiteres Stockwerk wie eine Antwort: Statt sich mit einem Tisch zu begnügen, zieht Bonvicini eigenmächtig gleich eine neue Etage ein – den heute immer noch dringend benötigten „room of her own“, wie es in Virginia Woolfs berühmtem Werk heißt. Dieser Raum lässt sich nur über metallglänzende Baustellentreppen betreten, die sich die männlich imaginierte Sphäre des Hausbaus ebenso wie die schillernde Atmosphäre eines Nachtclubs aneignen.Placeholder image-1Die Künstlerin, die sich schon früh mit der Marx’schen Fetischtheorie und dem libertären Charakter queerer Sexclubs befasste, hat sich die quasi über dem Geschehen schwebende Etage auf ihre Weise behaglich gemacht: Mit Teppichfliesen, auf denen Fotos von zerknüllten, auf verschiedene Fußböden achtlos hingeworfenen Jeans zu sehen sind, die Bonvicini im Zeitraum von zwei Jahren in ihrem eigenen Alltag fotografiert hat (Anti-Hausfrauen-Perfektion, logisch), mit der Lichtinstallation Light Me Black (2009), die wie eine aggressive Sonnenbank strahlt, mit Wippsesseln vom Schweizer Designer Willy Guhl im Bondage-Look und zwei Chainswing Belts.Auf diesen Metallkettenhängematten schaukeln sich Freundinnen ausgelassen in immer größere Höhen, Babys krabbeln auf den SM-Sitzen herum, Seniorinnen machen Gruppenfotos auf den Metalltreppen und unten sitzen Hetero-Pärchen andächtig auf dem kalten Steinboden, beide an einsame Handschellen gefesselt, die an endlos langen Metallketten von der Decke hängen. Die Arbeit aus diesem Jahr, You to Me, lädt Besucher*innen ein, sich vom Museumspersonal mindestens 30 Minuten lang festketten zu lassen und in meditativer Kontemplation durch die riesigen Glasscheiben nach draußen zu blicken.Bonvicini beweist in der Neuen Nationalgalerie eindrucksvoll, dass sie sich von diesem wohl ikonischsten Museums-Bauwerk einer durch und durch männlichen Moderne nicht einschüchtern lässt. Der disruptive Charakter ihrer Fragestellungen jedoch geht im slicken Ambiente des Stückvergleichs – wer kann mehr und länger – in der spiegelblanken Grandezza fast unter.