Aber lieber Inquisitor, als Hexe.

Oxi! Bei Geld hört die Freundschaft auf - Das Sprichwort, das die alten (reichen) EU-Architekten-Regenten nicht auf dem Schirm hatten.

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Deutschland taumelt mit neoliberal abgesoffenem Oberstübchen, an der unsichtbaren Hand des Marktes durch die Welt. Dabei geht es ständig und buchstäblich über Leichen. Nun steht aktuell die Mutter der Demokratie ganz oben auf der Liste. Es könnte der Wendepunkt der europäischen Tragödie werden. Wir können jetzt alles gewinnen, oder alles verlieren.

Wer in West-Berlin vor 1990 eine Oberschule besucht hat, bekam in Erdkunde, Geschichte oder Politik irgendwann mal das Thema IWF oder Weltbank auf dem Tisch. Beide Institutionen sind Kolonialherren-Erfindungen und Werkzeuge der Kalten Kriegswelt. Für die einen waren sie schon immer eine imperialistische Schweinebande von Erpressern, für die anderen legitime Macht- und Druckmittel zur Wahrung der eigenen (westlichen) Wirtschafts- und Wohlstandsinteressen.

Diese beiden Standpunkte haben nach wie vor volle Gültigkeit und führen im Kern zu den zwei vollkommen gegensätzlichen Geisteshaltungen. Die eine basiert auf Kooperation, Augenhöhe und Gerechtigkeit, die andere auf Kampf, Unterdrückung, dem Recht des Stärkeren. Die einen wollen teilen, die anderen wollen herrschen. Die alten Verbal-Killer der Wahl: Endogene/Exogene Faktoren: Ihr müsst (eure Hausaufgaben machen) - Ihr lasst uns nicht. Wo bleibt dabei der Mensch? Am Boden.

Die momentane Situation rund um Griechenland offenbart erneut die europäischen Fehlkonstruktionen in ihrer Grundarchitektur. Eine Wirtschaftsunion, die sich via Währung in das Haus Europa wandeln würde. Mit bürokratisch-undemokratischen Strukturen, die profitgesteuerten Konzernen Tür und Tor öffnen, und deren Kontrolle über das Machtinstrument Nummer 1.

Die (neoliberal finanz-) wirtschaftliche Ausrichtung der EU, die dem gemeinsamen, demokratischen, politischen Haus Europa seit jeher im Weg stand, droht ihm nun das Dach vom Kopf zu reissen.

Nun blickt so manch alter Architekt fassungslos auf die in bester Absicht geschaffene Kreatur, die er sich so nicht erträumt hatte. Sie haben vergessen, dass auch sie der Gruppe der erwähnten Wohlstandsinteressenvertreter entstammen. Da hätte man drauf kommen können, aber nicht sie. Wobei die Erinnerung an ein simples altes Sprichwort hätte helfen können, als man Ende des 20. Jahrhunderts mit Krieg, Agenda 2010 und Geld als verbindendem Mittel der Wahl, den neoliberalen Turbo angeworfen hatte:

Bei Geld hört die Freundschaft auf.

Das Lied, das jeder Mensch, von Kind bis Greis fehlerfrei singen kann. Geld ist, was es ist, und es ist nicht die Liebe. Geld ist das absolute Druckmittel, vom Taschengeld streichen bis zur Enterbung. Der gerade laufende Einsatz auf Staatsebene entlarvt es als ideologisierbares Mittel, als systemimmanentes strukturelles Gegenteil von Selbstbestimmung und Demokratie. Es ist das ultimative Herrschaftsinstrument. Das ewig herrschende Gift in der Seele der Menschenrechte.

Aktuell verspritzt es die deutsch-europäische Regierung, die Troika und die gewählte Presselandschaft, die aus einer griechischen Zahlungsunfähigkeit Ratz-Fatz einen Zusammenbruch Europas zusammen fabulieren. Europa kann nicht zusammenbrechen - sie schon. Das ist keine Tragödie, es ist ein weiteres Trauerspiel einer Laien-Schauspielgruppe: Die Lokomotive der EU mit einem angetrunkenen (Steuer-) Verheizer, einem Buchhändler und einer schwäbischen Hausfrau im Führerhäuschen. Für das deutsche Oberlehrer-Kollektiv scheint das zu reichen.

Im Fernsehen werden mittlerweile die "anständigen" Leute präsentiert, die als Unternehmer von der Finanzkrise 2008 überrollt wurden, und mit horrenden Schulden zu kämpfen hatten. Ihre Botschaft: "Ich habe mich meinen Gläubigern gegenüber immer devot gezeigt." - Aha.

Das Geld ist ja da, bloß eben nicht da.

Der griechische Zahlungsausfall ist die Adam-Smith-Panik im Nacken seines deutsch-europäischen Musterschüler-Kartells.

Wenn sich das Auge von Mordor bewegt, dann hakt's im unsolidarischen Hirn des pflicht-schuld-bewussten Alt-Testamentariers.

Deutschland schein-kontrolliert den eingerührten neoliberalen Finanz-Schwitzkasten durch seine althergebrachten Kompensationsmechanismen - Ordnung, (Mit-) Arbeit, Betragen, Fleiß, Export. Es hat sich vor zwanzig Jahren einen ganzen Strand in den Augen streuen lassen, und verwandelte die Staatsbürger zu Konsumenten und Steuerzahlern mit viereckigen Augen.

Es reicht nicht mal mehr ein wahres Gewitter von Artikeln renommierter internationaler Volkswirte, großer Philosophen, Staatschefs a.D., mitsamt dem Papst, um zu den deutschen Leithammeln durchzudringen. Es sei ja auch nicht das Geld der Amerikaner, um das es hier gehen würde (FAZ). Doch, genau darum geht es, und es hat nichts mit den amerikanischen Menschen zu tun, sondern mit deren Währung. Und in ihrem Interesse folgt die europäische Regentschaft der Logik - Lieber Inquisitor sein, als Hexe.

Statt sich mit Griechenland zu verbünden, hauen sie es lieber mit dem internationalen Inkassodienst kurz und klein.

Würde sie aufhören den Inquisitor zu geben, dann hätte sie die Macht (für uns alle) die tatsächliche Frau mit den Heilkräutern auferstehen zu lassen, die die Welt gut gebrauchen könnte. Ihr Name könnte Europa sein.

Das Wort der Stunde heißt Oxi - Weil es ein Nein zu zukünftigen finanziellen Massenvernichtungswaffen bedeutet. Das praktische Wort der Stunde lautet Insolvenz-Recht, nicht Insolvenz-Vollstreckung!

Spätestens bei der Internationalen Schuldenkonferenz, wie vom Kollegen Hans-Christian Ströbele gefordert, muss Tacheles mit den internationalen Finanzinstitutionen gesprochen werden. Sie operieren nicht auf Grundlage von Naturgesetzen, sie schreiben Worte auf Papier und Zahlen in Computer. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.

Es wäre ratsam, wenn es sich Deutschland verdienen würde dort, im Rahmen des solidarischen wunderbaren Europas mit dem Friedensnobelpreis, glaubwürdig sprechen zu können.

In einer Welt in der Profit permanent vor die Interessen von Mensch und Planet gestellt wird, haben die wirtschaftlichen Entscheidungen nur noch mit Ethik und Moral zu tun!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sonja Karas

Unternehmerin, Kommunikationsberaterin, Transition Politician. Schreibt was, wenn es aus dem Grundrauschen hervorsticht und es die Zeit erlaubt.

Sonja Karas

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