Präsidentenwahl in Kolumbien: Hardliner oder grüner Akademiker

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Die Ära des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe ist vorbei. Bei den Wahlen an diesem Sonntag kämpfen zwei sehr unterschiedliche Kandidaten um das höchste Amt: Der konservative Hardliner Manuel Santos, Uribes Ex-Verteidigungsminister, wird überraschend von dem Mathematikprofessor und Philosoph Antanas Mockus der Grünen Partei herausgefordert.

Wer auch immer heute die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird, tritt ein schwieriges politisches Erbe an. Kolumbien ist geprägt von den Anschlägen und Entführungen der linksgerichteten Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und dem Nationalen Befreiungsheer (ELN), Gewaltakten von rechtsgerichteten Paramilitärs - mit denen ein Drittel der Abgeordneten der Regierung Uribe verbunden sein soll -, Drogenkriminalität und Korruption.

Attentate vor den Wahlen

Im Vorfeld der Wahlen sind an diesem Wochenende bereits zwei Kinder und zwei Soldaten ums Leben gekommen: Bei einer Explosion eines Sprengsatzes in Argelia im Südwesten Kolumbiens zwei Kinder getötet und vier Menschen verletzt. Im südlichen Regierungsbezirk Chaqueta starben zwei Soldaten auf Patrouille bei der Durchquerung eines Minenfeldes, drei weitere Soldaten verletzten sich. Die Soldaten gehörten zu den 350.000 Sicherheitskräften, die bei den Präsidentschaftswahlen für Sicherheit sorgen sollen.

Unbekannte schossen zudem in Cauca auf den Konvoi des lokalen Polizeichef Gustavo Ricaurte und zündeten Sprengsätze, wobei der Assistent des Polizeichefs verletzt wurde. Die Attentäter könnten sowohl FARC- oder ELN-Rebellen, aber auch Paramilitärs oder Drogenbanden gewesen sein. Im nördlichen Regierungsbezirk Bolívar liefern Armee und FARC-Rebellen sich weitere Gefechte.

Die Zeit nach Uribe: Hardliner oder grüner Akademiker

Nach der langen Amtszeit Álvaro Uribes von 2002 bis 2010 wird die Präsidentschaftswahl mit Spannung erwartet. Uribe hatte sich durch eine von einem Bestechungsskandal begleitete Verfassungsänderung 2006 eine zweite Amtszeit ermöglicht. Durch ein Referendum wollte Uribe sich in diesem Jahr nochmals eine Wiederwahl sichern, allerdings wurde das Vorhaben Ende Februar vom Obersten Gerichtshof Kolumbiens für gesetzeswidrig erklärt.

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Antanas Mockus: Grüner Herausforderer und Web 2.0.-Stratege

Bis vor wenigen Wochen war der konservative Juan Manuel Santos, der langjährige Verteidigungsminister Uribes, klarer Favorit für das Präsidentenamt - bis sich der grüne Ex-Bürgermeister von Bogotá, der Akademiker Antanas Mockus, als ernstzunehmende Alternative positionierte. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Datexo wird die heutige Wahl ein knapper Endspurt: Eine Umfrage prognostizierte 35 Prozent der Stimmen für Santos, 34 Prozent für Mockus.

Juan Manuel Santos: Staatsterrorismus und konservative Linie

Santos Kernthema im Wahlkampf war die Sicherheit: Als Kandidat der Partei der Nationalen Einheit Partido Social de Unidad Nacional, kurz Partido de la U, die Uribe unterstützt und im Senat etwa 20 Prozent, im Repräsentantenhaus etwa 18 Prozent der Sitze hält, wird er die Politik Uribes und die harte Linie gegenüber den Guerillas weiterverfolgen. Manuel Santos war in seiner Zeit als Verteidigungsminister von 2006 bis 2009 in verschiedene Skandale verstrickt.

Im November 2008 wurden die Fälle der "falsos positivos" bekannt: Vor allem Soldaten, aber auch Polizisten und Geheimdienstler hatten immer wieder unschuldige Zivilisten, insgesamt mindestens 2000 Personen, unter falschen Vorwänden wie lukrativen Jobangeboten von zuhause weggelockt und exekutiert.

Die Toten wurden mit FARC-Uniformen und Waffen dekoriert und als Rebellen deklariert - die staatsterroristischen Akte besserten die Statistiken im Kampf gegen die Guerillas auf und bescherten den Soldaten Kopfprämien. Auch der völkerrrechtswidrige Angriff auf ein Lager der FARC auf ecuadorianischem Staatsgebiet fand unter Santos Verantwortung statt. Bei der Operation sollen nach den Aussagen dreier Überlebender außergerichtliche Hinrichtungen stattgefunden haben. Die Verletzung der Staatsgrenzen lösten außerdem eine außenpolitische Krise aus. Am 29. Juni 2009 erließ die ecuadorianische Justiz sogar Haftbefehl gegen Santos.

Antanas Mockus: Wandel durch Bildung

Der Herausforderer Antanas Mockus von der kleineren grünen Partei Partido Verde steht dagegen für einen politischen Wechsel: "El compromiso de hoy es cambiar la historia de Colombia con lápiz y no con sangre; con educación y legalidad; con un modelo de Legalidad Democrática." Mockus setzt auf einen Wandel Kolumbiens durch den Stift (lápiz), durch eine Bildungsoffensive statt durch blutigen Kampf. Auch er will für Sicherheit sorgen und lehnt wie Santos Deals mit der FARC wie den Austausch von inhaftierten FARC-Mitgliedern gegen Entführungsopfer ab, doch Mockus betont, dass er innerhalb der Gesetze vorgehen will. Außerdem gilt er als Verfechter einer transparenten Regierungsführung und punktet mit seinem Wahlversprechen, gegen die weit verbreitete Korruption vorzugehen.

Der Mathematikprofessor, Philosoph und erfolgreiche Ex-Bürgermeister von Bogotá ist für seine ungewöhnlichen Vorgehensweisen bekannt. Er erzog Autofahrer durch Pantomime-Showeinlagen zur Einhaltung der Straßenverkehrsordnung, führte in einem TV-Spot vor, wie man durch das Abstellen des Wassers beim Einseifen Wasser spart, was den Wasserverbrauch damals um 14 Prozent senkte. Mockus trug während seiner Amtszeit manchmal Superheldenkostüme oder kämpfte im Regierungsgebäude symbolisch mit einem rosa Plastikschwert für höhere Zuschüsse. Worin sich Mockus und Santos nicht unterscheiden, ist die grundsätzlich eher konservative politische Einstellung und der liberale Wirtschaftskurs.

Web 2.0 gegen traditionelle Mundpropaganda

Dass Mockus so rasant aufholen konnte, ist auch seiner Web 2.0-Strategie zu verdanken: So generierte er über die sozialen Netzwerke hohe Aufmerksamkeit besonders bei den jüngeren und gebildeten Wählerschaften und vereint auf Twitter knapp 50.000 Follower und auf Facebook 700.000 Fans. Auf dem Land wird unterdessen das Gerücht verbreitet, dass die ärmeren Kolumbianer, die nicht für Santos stimmen, bei seiner Wahl zum Präsidenten, auf die notwendige finanzielle Unterstützung verzichten müssten. Wenn keiner der Kandidaten im ersten Wahldurchgang über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint, wird eine Stichwahl am 20. Juni durchgeführt.

****Nachtrag

So knapp wie erwartet ist der Endspurt der beiden populärsten Präsidentschaftskandidaten Juan Manuel Santos und Antanas Mockus in Kolumbien gestern nicht ausgegangen. Dennoch wird sich der Sieger der ersten Wahlrunde am Sonntag - Juan Manuel Santos - am 20. Juni einer Stichwahl stellen müssen.

Klare Entscheidung in der ersten Instanz: Bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag konnte sich Juan Manuel Santos mit 46,6 Prozent der Stimmen einen deutlichen Vorsprung gegenüber dem grünen Herausforderer Antanas Mockus (21,5 Prozent) sichern. Damit haben die Wähler für eine Fortführung der Politik Alvaro Uribes gestimmt, der als Hardliner gegenüber den FARC-Rebellen bekannt ist. Da der ehemalige kolumbianische Verteidigungsminister Santos die absolute Mehrheit aber knapp verfehlt hat, wird er am 20. Juni in einer Stichwahl erneut auf Mockus treffen. Obwohl Mockus weniger Stimmen als erwartet erhielt, ist der Grüne mit dem zweitbesten Ergebnis von insgesamt neun Präsidentschaftskandidaten zufrieden und hofft auf einen weiteren Stimmengewinn bis zur Stichwahl im Juni. Etwa die Hälfte der 30 Millionen wahlberechtigten Kolumbianer hatten sich am Sonntag an den Präsidentenwahlen beteiligt.

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