Ein Skandalon, das die Macht erschütterte

Wahlfälschung in der DDR An jedem 07. eines Monats wurde an die Wahlfälschungen am 07.05.1989 erinnert. In der DDR begann es nun offener zu rumoren. Das hatte einen Vorlauf.

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Wahlfälschungen rühren an den Nerv der repräsentativen Demokratie. Selbst in Systemen, in denen es sie nicht gibt. Noch dazu, wenn sie nachgewiesen werden. Und wenn dies dann auch noch mediale Verbreitung findet. So wie seinerzeit in den Westmedien, als sich in der DDR zahlreiche Bürgerinnen und Bürger anschickten, die Auszählungen der Kommunalwahlen am 07.05.1989 zu beobachten, die Ergebnisse dann kollektiv zusammenzutragen und anschließend mit den offiziellen Angaben zu vergleichen. Der Wahlbetrug wurde zum Skandalon, in der DDR begann es nun auch offener zu rumoren. An jedem 07. eines Monats fand fortan eine kleine Demo am Alex statt. Sie waren nicht von Dauer. Das änderte sich ab September 1989, als es dann immer mehr und schließlich Massen waren, die eine „Deutsche DEMOKRATISCHE Republik“ wollten.

Auch ich habe mich an den gemeinsamen Auszählungen am 07.05.89 in Jena beteiligt. Warum? Bereits im Jahr 1986 wohnte ich allein einer Auszählung der damaligen Wahlen zur Volkskammer der DDR bei. Was ich als Ergebnis nur eines Wahllokals feststellte, habe ich mit den veröffentlichten Daten des Wahlbezirks verglichen. Es war ein Leichtes zu ermitteln, dass die Angaben nicht stimmen konnten, selbst wenn in den weiteren Wahllokalen die Zustimmung bei 99% gelegen hätte. Die kollektiven Auszählungen 1989 hatten ihre Vorgeschichte, oft individuelle wie in meinem Fall.

Eingaben waren ein etwas anderer Volkssport in der DDR, und Eingaben bieten zahlreiche Belege für kritisches Denken zugunsten von Demokratie und Gerechtigkeit in der DDR. Die Wahlfälschungen hatten auch mich zu solchen Schreiben veranlasst. 1986 an Egon Krenz, 1989 an den Staatsrat der DDR. Es sind zeithistorisch interessante Dokumente, die sich heute schlecht ohne ein Schmunzeln lesen lassen. Sie können nachgelesen werden auf http://weltgewandt-ev.de/aktuelles/

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Geschrieben von

Sophia Bickhardt

Diplom-Sozialwissenschaftlerin; Leiterin weltgewandt. Institut für interkulturelle politische Bildung e.V.

Sophia Bickhardt

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