Ist eine Frau anders Nazi als ein Mann?
Ja, Frauen legen mehr Wert auf Konventionalität und soziale Akzeptanz. Wenn sich eine Partei in die Gesellschaftsordnung einfügt, spricht das Frauen eher an als die unmittelbare, brutale Gewalt auf der Straße. Viele Beweggründe, wie vor allem Nationalismus und Rassismus, sind für beide Geschlechter relevant, und beide sind von der Einstellung her in etwa gleichermaßen stark rechtsextrem. Aber Männer halten sich weniger zurück, wenn eine Partei auch Gewalt propagiert oder noch nicht in einem Parlament ist.
Die Medien berichten immer wieder, dass die Zahl gewaltbereiter Frauen steigt, und dass diese nicht zu unterschätzen sind.
Die empirischen Studien zeigen: Früher waren es etwa fünf Prozent gewaltbereite Frauen, jetzt sind es zehn. Das ist eine tendenzielle Zunahme – aber sie geht über einen gewissen Rahmen nicht hinaus. Es ist kein Vergleich zur männlichen Gewalt.
Trotzdem wollen auch rechtsextreme Frauen das „System BRD“ abschaffen?
Ja, da liegen die Gemeinsamkeiten. Frauen treten für dieselben Parolen ein wie die rechtsradikalen Männer: „Wir zuerst, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Aber die Ausdrucksformen sind eben unterschiedlich.
Die Bilder von Beate Zschäpe, der Hauptangeklagten im Münchner NSU-Prozess, zeigen sie meist abgewandt, in augenscheinlicher Unbeschwertheit. Liegt in dieser Haltung nicht auch Aggressivität?
Man kann das schon sagen, da sie sich den Opfern gegenüber in absoluter Distanz zeigt. Darin wird eine Kälte und Unmenschlichkeit sichtbar, die aber zu dem Bild ihrer Ambivalenz zwischen Normalität und Brutalität passt. Obwohl sie in der zweiten Reihe war und ein freundliches Bild von sich schuf, hieß sie die Taten gut. So vertritt sie auch die Unmenschlichkeit und Kriminalität in vollem Maße.
Wie beeinflusst die Tatsache, dass Beate Zschäpe eine Frau ist, die Reaktionen auf den NSU?
Das irritiert natürlich. Bisher standen immer die Männer im Vordergrund. Und gerade jetzt, im prominentesten Prozess gegen Rechtsextreme in der Bundesrepublik überhaupt, steht eine Frau im Mittelpunkt. Andererseits spielt Zschäpe eine konservative Frauenrolle, insofern sie an den Gewalttaten, soweit wir das heute wissen, nicht unmittelbar beteiligt war. Sie hat die Taten unterstützt, sie hat die Männer versorgt. Die traditionelle Rolle hat sie gerade auch gespielt, weil sie Normalität, etwa den Kontakt mit den Nachbarn, herstellte – während sie die Männer in die Aktion geschickt hat. Gewalt nicht selbst, sondern über die Männer auszuführen: Das ist ein typisches Muster.
Ist die Reaktion auf Zschäpe nun Entsetzen – oder trägt ihr Frausein auch zu einer Verharmlosung bei?
Nein, der Kern der Irritation ist eben das: Dass man bei Frauen gemeinhin das Gewaltpotenzial verharmlost. Das ist das Spannungsmoment. Und deshalb kann man aus dem Beispiel Zschäpe auch viel lernen. Nämlich, dass Gewalttätigkeit von Frauen unterschätzt wird. Und man wird sie solange weiterhin unterschätzen, solange sie sich großenteils nicht als Täterinnen zeigen.
Repräsentiert Beate Zschäpe die bürgerlichen Werte, über die Rechtsextreme auch an andere Schichten kommen wollen? Es gibt ja Versuche, sogenannte „weiche“ Themen wie Tierschutz oder Kindesmissbrauch zu instrumentalisieren.
Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass es auch eine Strategie ist, Frauen einzusetzen, um diese Themen in die Mitte der Gesellschaft hinein zu vermitteln.
Nutzen die Nazis diesen Unterschied in der Wahrnehmung von Frauen und Männern?
Einige Frauen in der rechten Szene schlagen ja wirklich zu und wollen sich da auch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Die werden aber von ihren männlichen Kollegen äußerst ambivalent gesehen. Denn die rechte Szene ist sehr frauenverachtend. Auf der anderen Seite prägen die Werte Männlichkeit und Militarismus, Härte und Kameradschaft die Szene. Frauen internalisieren bisweilen eben den männlichen Chauvinismus und agieren dann selbst frauenverachtend.
Wie passt die professionelle Rolle wie etwa von Ricarda Riefling, die im NPD-Bundesvorstand sitzt, in dieses Schema?
Nun, es gibt sogar feministische Positionen. Frauen, die denselben Platz wie die Männer in der Politik und in den Parteien wollen. Diese Frauen wollen auch berufstätig sein, sie spielen nicht das Heimchen am Herd. Aber sie würden keine feministische Politik unterstützen, die gegen den männlichen Chauvinismus, gegen patriarchalische Strukturen vorgeht.
In unserer Gesellschaft wird ja immer noch um Gleichberechtigung gekämpft, manche Mängel halten sich hartnäckig. Spielt das den Rechten in die Hände?
Wohl kaum. Die Geschlechter- und Frauenfrage spielt bei den Rechtsextremen dafür eine viel zu geringe Rolle. Wir diskutieren das jetzt, weil wir das Phänomen Beate Zschäpe und andere Frauen in der Szene verstehen wollen – aber für die Rechten selbst sind Nationalismus und Rassismus viel wichtiger als das Geschlechterverhältnis.
Welche Rolle spielt die Genderforschung in der Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus?
Wenn man gegen Rechtsextremismus angehen will, muss man differenziert hinschauen: Welche Rolle spielen die Frauen, welche die Männer? Mir ist wichtig zu betonen, dass das Geschlechterverhältnis nicht das einzige Machtverhältnis ist, das es gibt. Es ist mit anderen Machtverhältnissen verwoben, eben zum Beispiel mit Rassismus oder Chauvinismus. Frauen sind ja nicht nur unterdrückt – sie üben gleichzeitig auch Macht aus, je nachdem in welchem Zusammenhang sie leben. Bei Frauen wirkt oft der Druck der Konvention: "Ich musste mich anpassen, also müssen die das auch tun." Oft funktioniert es wie ein Pedal: Druck der von oben kommt, wird zum Ausgleich nach unten weitergegeben. Hier müssen Frauen auch selbstkritisch sein.
Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, Psychologin und Pädagogin, war von 1990 bis 2007 Hochschullehrerin an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Ihre Themen in Forschung und Lehre waren vor allem Sexuelle Gewalt, Rechtsextremismus und Geschlecht, Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus.
Am Donnerstag, 14. November 2013, spricht Birgit Rommelspacher über „Rechtsextremismus und Gender“, als Gast derZentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung (ZEFG) an der FU Berlin. Von 16 bis 18 Uhr in derOtto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin. Raum L 115 (Seminarzentrum, gegenüber der Mensa II)
Das Interview führte Sophie Rohrmeier
Kommentare 13
Man kann das schon sagen, da sie sich den Opfern gegenüber in absoluter Distanz zeigt. Darin wird eine Kälte und Unmenschlichkeit sichtbar, die aber zu dem Bild ihrer Ambivalenz zwischen Normalität und Brutalität passt. Obwohl sie in der zweiten Reihe war und ein freundliches Bild von sich schuf, hieß sie die Taten gut. So vertritt sie auch die Unmenschlichkeit und Kriminalität in vollem Maße.
Das kann man alles sehen?
Na da, bitte den Richter am OLG München bescheid sagen, Schuldfrage ist geklärt, er soll nicht so ein Kino bei der Beweissuche machen, sondern Frau Rommelsbacher fragen.
Bevor Sie die Fragen entworfen haben, hätten Sie sich vielleicht einmal einige Protokolle der Auschwitz-Prozesse in Frankfurt durchlesen sollen, insbesondere die, in denen die Taten weiblicher KZ-Wärter zu finden sind. Brutalität in dieser abartigen Form ist nicht männlich oder weiblich. Ihr Tenor, wie eine Frau so etwas machen könne, wäre Ihnen im Hals stecken und uns Leser erspart geblieben. Diese Protokolle gibt es nach meiner Erinnerung auch als Tondokument. Glauben Sie mir, Sie stellen danach ganz andere Fragen.
* * * * * für Ihren Beitrag, mit dem Sie es auf den Punkt bringen.
"Der Eichmann-Prozeß. Von der Banalität des Bösen" schrieb Hannah Arendt.
Ich kann mich erinnern, wie KZ-Verbrecher, die man in den 60er Jahren faßte, von Nachbarn als nette, freundliche, zurückhaltende Menschen beurteilt wurden. Und alle haben nur ihre "Pflicht" getan.
Es ist doch klar, daß dieses Verhalten solcher Menschen nicht nur auf eine bestimmte Zeit zu reduzieren ist.
Ich weiß nicht, wie zeitgemäß noch der "Milgram-Test" ist. Jedenfalls besagt dieser, daß, je angepaßter und gehorsamer der Mensch in der jeweiligen Regierungsform ist, desto größer ist seine Bereitschaft, andere Menschen zu quälen.
Die Bilder von Beate Zschäpe, der Hauptangeklagten im Münchner NSU-Prozess, zeigen sie meist abgewandt, in augenscheinlicher Unbeschwertheit. Liegt in dieser Haltung nicht auch Aggressivität?
Möglicherweise liegt das aber auch nur an den Bildern, die aus einer einseitigen Perspektive aufgenommen wurden, um genau diesen Eindruck zu erzeugen? Ohne auch nur die geringste Sympathie für die Zschäpe zu empfinden - was hier die Interviewerin versucht, ist pure Suggestion, nach dem Motto wir wissen, dass sie schuldig ist, sie weiß, dass sie schuldig ist, also soll sie sich gefäligst schuldbewusst benehmen. Sie weiß es sicher - wir wissen gar nichts. Und dass die Frage mit der Schuld, zumal der anteiligen Schuld, nicht ganz so einfach zu klären ist, scheint anhand der Schwierigkeiten der Prozessführung evident.
Wenn es der Zschäpe n achzuweisen ist, dass sie etwas getan hat, wofür sie 20 Jahre hinter Gitter gehört, nun denn, so sei es. Aber wenn sie nur deswegen 20 Jahre hinter Gitter soll, weil Mundlos und Böhnhardt 100 Jahre in den Knast gehören, dann wäre das ein juristischer Super-GAU.
"Jedenfalls besagt dieser, daß, je angepaßter und gehorsamer der Mensch in der jeweiligen Regierungsform ist, desto größer ist seine Bereitschaft, andere Menschen zu quälen."
Das ist nicht ganz falsch, aber sehr ungünstig ausgedrückt, da es impliziert, die Lust Menschen zu quälen, würde steigen. Und um Regierungsformen ging es auch nicht.
Wiki schreibt es imho treffender:
"...um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen"
Oder anders: die wollten die Person nicht quälen, fügten sich aber einer Autorität, aus Glauben, aus Angst, aus einem Gefühl der Verantwortungslosigkeit heraus, aus Trägheit oder Unsicherheit oder warum auch immer. Das belegen auch die Beobachtungen.
Heutzutage wird das Experiment aus moralischen Gründen wohl nicht mehr durchgeführt.
Für Überzeugungstäter spielt Milgram daher keine Rolle. Die töten nicht, weil man sie mit psychologischen Tricks, gegen ihren Willen, dazu zwingt...
@Rupert Rauch:
Sie haben Recht. Ich hätte viellleicht schreiben sollen "autoritäre Charaktere", aber auf die Schnelle fiel mir nichts anderes ein.
Für Überzeugungstäter spielt Milgram keine Rolle, klar. Ich bezog mich darauf, daß Freundlichkeit nach außen hinsichtlich des Charakters nicht so wesentlich ist.
Bevor Sie die Fragen entworfen haben, hätten Sie sich vielleicht einmal einige Protokolle der Auschwitz-Prozesse in Frankfurt durchlesen sollen, insbesondere die, in denen die Taten weiblicher KZ-Wärter zu finden sind. Brutalität in dieser abartigen Form ist nicht männlich oder weiblich. Ihr Tenor, wie eine Frau so etwas machen könne, wäre Ihnen im Hals stecken und uns Leser erspart geblieben.
Ging zwar nicht an mich. Aber ich verstehe nicht, was Sie eigentlich sagen wollen. Mit dem obigen Text - den ich mit Interesse gelesen habe - hat das alles nix zu tun. Ich weiß, dass Sie am liebsten hätten, dass Genderfragen in allen Zusammenhängen nicht gestellt würden. Die übelste Art ist es immer, Leuten Inkompetenz zu unterstellen oder - Deutsche Rechthaberei - etwas nicht gelesen zu haben. Sie haben nicht mal das Interview richtig gelesen. Oder - an Ende - nur das missverstanden - was Sie missverstehen wollen.
http://www.rechtefrauen.de/images/PDF-Datein/AuL%20HH%20MBT%20Bildungsbaustein%20Frauen%20und%20Mdchen%20in%20der%20extremen%20Rechten.pdf
Hier schenk ich Ihnen.
... auch wenn es Ihnen sichtlich schwerfällt dies zu akzeptieren, war damit gemeint, dass die Fragestellerin ohne die Fixierung auf den Umstand, dass "Frauen nur Heilige sein können und folglich schwer vorstellbar ist, dass sie Nazimörder sein können" mehr Zeit und Gelegenheit gehabt hätte aus der Sicht eines Psychologen zu erfahren, wie das Verhalten der Frau Z. im Gesamtkontext des Vielfachmordes eingeordnet werden kann. Die Fragestellerin hat eine gute Gelegenheit ohne Not nicht genutzt.
Sie haben übrigens recht, dass mich das Geschlecht, die Religion, die sexuelle Orientierung und die Hautfarbe eines Menschen nicht die Bohne interessiert. Dies widerspricht nicht der UNO-Charta, ganz im Gegenteil.
Wenn ich ihn richtig verstehe, dann will er nur sagen, dass man das Gewalt- und Haßpotential von weißen, deutschen Frauen historisieren muss. Während der NS Zeit gab es weibliche Täterinnen - ebenso besitzen wir viele Arbeiten zu weißen, deutschen Frauen als Kolonisatorinnen in de deutschen Kolonien. Diese durch Historiker mühsam mit Quellen aufbereiteten Arbeiten prägen aber nicht das Bild der weißen deutschen Frau in der Gesellschaft.
Medial wird zwischen der Mutter (Eva Herman) und der Emanze (Alice Schwarzer) rochiert. Die weiblichen Stereotypen abstrahieren von den konkreten Frauen. Die Vorschußlorbeeren entweder eine treusorgende Mutter zu sein oder die gute, freiheitsliebende Emanze ermöglichen es Rechten sich mittels Frauen in zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Kindergärten, Elternvereinen und Ehrenämter einzunisten als Informantinnen.
Salop gesagt: Nazis unterwandern die Gesellschaft, weil man in Deutschland Frauen immer noch nicht für vollwertige Menschen hält.
Wenn ich ihn richtig verstehe, dann will er nur sagen, dass man das Gewalt- und Haßpotential von weißen, deutschen Frauen historisieren muss. Während der NS Zeit gab es weibliche Täterinnen - ebenso besitzen wir viele Arbeiten zu weißen, deutschen Frauen als Kolonisatorinnen in de deutschen Kolonien. Diese durch Historiker mühsam mit Quellen aufbereiteten Arbeiten prägen aber nicht das Bild der weißen deutschen Frau in der Gesellschaft.
Das stimmt nicht. Es gibt gute und fundierte Arbeiten über die Täterschaft von Frauen sehr umfangreich. Die werden nur nicht zur Kenntnis genommen, auch Frau Prof. Rommelsbacher hat dazu gearbeitet. Ich kann nicht dafür, dass Blogger Taylor das nicht kennt.
http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/lola-tagung/?pic=4&gal=gal_0
Hier - nur als Beispiel ein Link zu einer entsprechenden Tagung. Dieser Tage wurde auch Andrea Röpke, die sich ausführlich mit Frauen im Rechtsradikalismus beschäftigt hat, ausgezeichnet.
... auch wenn es Ihnen sichtlich schwerfällt dies zu akzeptieren, war damit gemeint, dass die Fragestellerin ohne die Fixierung auf den Umstand, dass "Frauen nur Heilige sein können und folglich schwer vorstellbar ist, dass sie Nazimörder sein können"
Ich verstehe noch immer nicht. Schon die Überschrift sagt ja aus, dass die Autorin von der "Gewalt hinter dem freundlichen Gesicht" spricht. Es gibt eine Fülle von Arbeiten zum Thema weiblicher Täterschaft, ich kann da gern nochmal recherchieren. Ich habs nämlich für meine eigenen Arbeit mal gebraucht. Dass Frauen nur "Heilige" sein können. Das ist Ihre - selbst sehr eingeschränkte - Sicht.
Sie können googeln oder anderswie suchen: "NS Frauen Täterinnen" und Sie finden ein Fülle von Material. Wenn Ihnen das aber nun auch wieder zu geschlechtsspezifisch ist, weil Frauen ja wie Männer brutal sind, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.