Ein deutscher Muslim antwortet Gauland

Offener Brief Alexander Gaulands Geschichtsvergessenheit und Relativierung der NS-Verbrechen kann ich als deutscher Muslim mit Migrationshintergrund nicht stehen lassen.

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Man wird sich ja wohl noch schämen müssen.
Man wird sich ja wohl noch schämen müssen.

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Herr Gauland,

für gewöhnlich beginne ich einen Brief mit einer höflichen Anrede. Aufgrund Ihrer Parteizugehörigkeit und rassistischen Äußerungen, kann ich Ihnen diese Ehre nicht mehr guten Gewissens erweisen.

Ich heiße Said Rezek und bin 1986 in Deutschland geboren. Viele Ihrer Anhänger würden mich wahrscheinlich als Passdeutschen bezeichnen, weil in mir kein deutsches Blut fließt. Außerdem bin ich Muslim und meine Vorfahren stammen aus einem anderen Kulturkreis und Kontinent. Aber im Gegensatz zu Ihnen und ihren Parteifreunden stehe ich zu unserer deutschen Vergangenheit, mit all ihren Höhen und Tiefen.

Sie sagten öffentlich: "Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das sprechen wir auch aus." Mit "uns" meinen Sie höchstwahrscheinlich das deutsche Volk. Und mit "zwölf" Jahren das Dritte Reich unter der Führung Adolf Hitlers.

Ich weiß nicht, ob Ihre direkten Verwandten in der Wehrmacht gedient haben oder nicht. Ob sie das dritte Reich in irgendeiner Form bekämpft oder unterstützt haben. Selbst wenn Ihre direkten Vorfahren zu den Befürwortern des Dritten Reichs gehörten, tragen Sie, Herr Gauland, keine individuelle Verantwortung für die Gräuel während des zweiten Weltkriegs.

Wir tragen eine kollektive Verantwortung

Mit Ihren jüngsten Äußerungen machen Sie sich jedoch Jahrzehnte später mitschuldig, indem Sie das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aus unserem Gedächtnis auslöschen möchten.

Als Deutsche tragen wir eine kollektive Verantwortung und Sie können sich dieser nicht entziehen. Das sieht die überwiegende Mehrheit der Deutschen glücklicherweise genauso, mich eingeschlossen. Und das obwohl meine Eltern erst nach 1945 in Deutschland eingewandert sind. Lassen Sie sich von einem Mitbürger mit Migrationshintergrund eines gesagt sein:

Wer Deutschland auf das dritte Reich reduziert, wird der deutschen Geschichte nicht gerecht. Wer aber die Erinnerungskultur und Aufarbeitung der Gräueltaten aus dem Nationalsozialismus zu beenden versucht, ist feige und eine Schande für die Bundesrepublik.

Die beiden Weltkriege und die deutsche Verantwortung werden immer einen Teil unserer Identität ausmachen.

Wenn Sie das leugnen, gehören Sie nicht in den Bundestag, sondern in den Geschichtsunterricht. Das sage ich Ihnen als deutscher Muslim.

Said Rezek

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Geschrieben von

Said Rezek

Said Rezek, Politikwissenschaftler, Blogger und freier Journalist. Schreibe über Medien, Muslime, Migration und Rassismus.

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