Während des Terroranschlags in Nizza saß ich zu Hause und verfasste einen Artikel, über eine Muslimin in Frankreich, die aufgrund ihres Kopftuchs eine Kündigung erhalten hat. Ich schrieb bis mitten in die Nacht hinein. Wenn ich gewusst hätte, was zeitgleich geschehen ist, wäre die Nacht gewiss anders verlaufen. Wahrscheinlich hätte ich mir Gedanken gemacht, wie ich als Muslim, auf diese abscheuliche Tat reagieren sollte.
Doch warum eigentlich? Kann ich meinen Alltag nicht einfach fortsetzen? So, als ob nichts geschehen wäre? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Zunächst einmal regen sich in meinem Inneren natürlich Gefühle der Trauer und Bestürzung. Gleichzeitig gibt es eine gewisse gesellschaftliche Erwartungshaltung. Sie besteht darin, dass Muslime diese Tat mindestens verurteilen- und sich höchstens dafür entschuldigen sollten. Inwiefern sind diese sozial erwünschten Forderungen jedoch angebracht?
Bin ich ein schlechter, deutsch muslimischer Bundesbürger, wenn ich schweige und mein Leben nach außen hin wie gewohnt weiter lebe? Politiker und Kommentatoren betonen nach Anschlägen im Westen, die Bedeutung unserer Werte und Freiheit. Dazu zählt aus meiner Sicht auch, dass ich als Muslim, ohne schlechtes Gewissen weiter leben darf. Das ich meinen privaten und beruflichen Verpflichtungen weiterhin wie gewohnt nachkomme. Ob und in welcher Form, ich mich zu dem Terror äußere, ist die einzig und alleine meine Angelegenheit.
Kommentare 15
...."die Bedeutung unserer Werte und Freiheit."
....aber, bereits "da" hakt es gewaltig!
So einfach und blauaeugig kann man nun doch nicht argumentieren.
Wenn ein Linker Abgeordneter nicht explizit verkuendet, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, besteht der Verdacht er sei ein Verfasungsfeind.
Wer statt RAF-Terroristen bewaffneter Widerstand sagt, kriegt Aerger (auch in der FC).
Wer den deutschen Rechtsstaat oder die Demokratie in Frage stellt, ist nicht wohlgelitten.
Islam ist eben nicht nur eine Religion, sondern auch ein Lebenform. Nicht wenige Muslimen sind der Meinung, dass Angriffe auf nicht-Muslime, Teil dieser Lebensform sind.
Sich davon distanzieren zu muessen, ist wie in den anderen Beispielen, eine Forderung des politischen Systems in Deutschland. Ob einem das passt oder nicht.
>>Politiker und Kommentatoren betonen nach Anschlägen im Westen, die Bedeutung unserer Werte und Freiheit. Dazu zählt aus meiner Sicht auch, dass ich als Muslim, ohne schlechtes Gewissen weiter leben darf.<<
Das meinen die aber eher nicht.
Gemeint sind
"unsere" Art, Hartz4 und Rentenschwund zu leben
"unsere" Art, mit festem Blick aufs Schmachtphone und Stöpsel im Ohr in eine anfahrende Trambahn zu laufen
"unsere" Art, Kriegswaffen zu exportieren
"unsere" Art, die Erdatmosphäre nachhaltig kaputtzumachen "unsere" Art Bankenkrisen auf Kosten Nichtbesitzenden zu zelebrieren
...
Nicht wenige Muslimen sind der Meinung, dass Angriffe auf nicht-Muslime, Teil dieser Lebensform sind...was für ein bullshit! ich lebe in einer stadt mit tausenden von muslimen*innen, die mein leben in keinster weise bedrohen. umgekehrt wird ein schuh drauss! was diese menschen von deutschen fressen ertragen müssen...musst du nichtmuslim nicht erdulden. dein leidensdruck wird recht übersichtlich sein....du musst nicht stets unter generalgeneralverdacht/druck stehend, den deutschen fressen erklären müssen, dass du kein menschenfeind bist und zu dieser gesellschaft dazu gehören willst. eher sind nichtmuslime mit identitären fundamentalismusideologie, die angriffe auf muslime zu ihrer ebensform erklären. aber das ist ein anderes thema!
wie immer gerne gelesen und dich verstanden!
<<Gleichzeitig gibt es eine gewisse gesellschaftliche Erwartungshaltung. Sie besteht darin, dass Muslime diese Tat mindestens verurteilen- und sich höchstens dafür entschuldigen sollten. Inwiefern sind diese sozial erwünschten Forderungen jedoch angebracht?>>
Ja, Said Rezek. Niemand, kein Bürger, wird in einer Demokratie, sofern sie funktioniert, zu einer Meinung in der Öffentlichkeit gezwungen oder könnte dazu, aus moralisch- sittlichen Gründen, aus rechtlichen Gründen, aufgefordert werden. Es gibt keinen Bekenntnis-, Bekundungs- oder Distanzierungszwang.
Anders steht es jedoch um alle jene, die offiziell und/oder öffentlich für Gruppen, für sich oder für allgemeine gesellschaftliche Anliegen, in der Öffentlichkeit das Wort ergreifen, gar Funktionen ausüben.
Was man öffentlich von Ihnen oder jedem anderen verlangen kann, richtet sich also danach, welche Funktion und Position Sie in einer Öffentlichkeit einnehmen oder anstreben.
Zwingen, kann Sie dann immer noch niemand. Aber Sie zögen berechtigte Kritik auf sich und verletzten ein ungeschriebenes Gesetz der offenen Gesellschaft, die jeder Kommunikation, auch der Verweigerung, sofern sie öffentlich geschieht, einen Wert zumisst.
Wenn z.B. Verbände, Gemeinden, öffentliche Personen, Intellektuelle, sich zu bestimmten Geschehnissen nicht äußern, selbst wenn man danach fragt, bleibt in einer offenen Gesellschaft, mit der Zeit, ein seltsam leeres Feld, ein Vakuum.
Das belastet und entwertet letztlich die Glaubwürdigkeit und den Status aller dieser öffentlich sichtbaren, aber eben nicht vernehmbaren, Teilnehmer.
Es gibt kein unbedingtes Kommunikationsgebot. Aber die Folgen des Schweigens, in Gesellschaften, deren Mitglieder auf den Austausch angewiesen sind, um voneinander zu wissen, um sich zu respektieren, stellen sich mit der Zeit ein.
Es ist also, auf längere Sicht, keine sehr kluge und weise Haltung, so zu verfahren.
<<Ob und in welcher Form, ich mich zu dem Terror äußere, ist die einzig und alleine meine Angelegenheit.>>
Auch privat gilt das einerseits. Andererseits, wenn Sie in ihrem Umfeld gefragt werden und häufiger nicht antworten, mit dieser Begründung, dann werden auch privat Menschen sich fragen, warum Sie es so halten wollen. Entlang langen und wiederholten Schweigens, wird sich, auch privat, bei nachdenkenden Menschen ein Eindruck einstellen. - Das ist dann eine Reaktionsbildung auf das Schweigen, die ein Mensch der schreibt, für sich und für andere, zumindest kennen sollte.
Beste Grüße
Christoph Leusch
said, vielleicht interessiert dich folgender artikel: Der arabischstämmige Psychologe Ahmed Mansour beklagt paternalistische Klischees von Linksliberalen und Grünen
bytheway: kannst du mit meinem einwurf hier was anfangen im sinne von verstehen, was ich schreiberling sagen will:Überangepasstes Integrationsverhalten
Ich nehme mal, dass Sie ein eher junger Mensch sind und kann daher ihre wuetenden Kommentar verstehen.
Sie aber haben in den 70er Jahren nicht gelebt. "Berufsverbot" ist fuer Sie nur ein Wort. "RAF" oder "Terroristen" ist ne historische Debatte.
Wer damals als "Linker" bekannt war, weiss wie schwierig es war, mit dem gesellschaftlichen Generalverdacht (der deutschen fressen" wie sie das nenen) gegen alle "Linken" zu leben. Wie man sich permanent rechtfertigen musste. usw.
Wenn einem das nicht passe, koenne man ja "rueber gehen" wurde damals "empfohlen.
Aus dieser Erfahrung heraus habe ich geschrieben. Deutschland ist ein Land mit permanentem Misstrauen, gegen jedeN, der nicht ins Naekaestchen passt.
Damals waren es die Linken (die sich rechtfertigen mussten, keine Kommunisten und keine Terroristen zu sein), heute die Muslime.
Ich sehe eben, dass Columbus den Sachverhalt, den ich meine, auf einen allgemeinen, sehr angemessenen Nenner gebracht hat.
Stimmt. Und dazu zaehlt eben auch
"unser" Generalverdacht gegen alle Muslime
dieser ökonomischen terror ist integrale lebensform des kapitalismus. da gibt es nur wenige, die sich davon irgendwie indivieduell oder kollektiv distanzieren - und schon gar nicht die kapitalverbände. aber dem said geht es um die generelle verdächtigung terroristischer gene im muslim, die "den" muslimen bösartig unterstellt wird. von mir aus bedarf es nicht des komunikativen weges der mitteilung an die sog. zivilisierten welt in d, dass "guter" und "böser" terrorismus kein menschenverachtend ist.
Ob und in welcher Form, ich mich zu dem Terror äußere, ist die einzig und alleine meine Angelegenheit. ja! und er hier hat es anders gehändelt, was ich verstehen kann, aber ich ihm davon abgeraten hätte, weil es nx nützt...am aller wenigsten den friedlich hier lebenden muslimen*innen:
Muslime distanzieren sich vom Terror
???
Ein seltsamer Beitrag
Sie schreiben zuerst davon, daß wenn die Nacht bei Ihnen anders verlaufen wäre, sie sich andere Gedanken hätten machen können. - Gut, kann man spaßeshalber mal so machen, auch wenn solche „was wäre wenn Fragen“ reine Spekulationen sind.
Doch dann fragen Sie weiter, ohne die Ebene der Spekulation zu verlassen, konstruierten also innerhalb dieser was-wäre-wenn-gewesen Fiktion, ob Sie im fiktiven Falle des Falles der Nicht-Fiktion der Fiktion weiter fiktiv auf die Fiktion eingehen sollten.
Und dann geht es kurios noch weiter: Sie konstruieren eine zweite, eine Gegenfiktion zur ersten Fiktion und stellen diese konkurrierende Fiktion zur ersten Fiktion als fiktive Realität hin, um sich dann dahin zu versteigen, zu behaupten, daß gewisse Elemente aus dieser konstruierten Gegenfiktion tatsächliche, reale gesellschaftliche Forderungen an Sie seien.
Ich bin baff!
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Das einzige was mir dazu einfällt ist jene Posse: Da will ein Mann in seiner Wohnung eine Bild aufhängen und hat keinen Hammer zur Hand. Ihm fällt ein, daß der Nachbar, als Handwerker, einen haben könnte. Nun fällt ihm aber ein, er habe in letzter Zeit feststellen können, daß ihn dieser Nachbar mal nicht gegrüßt habe, ebenso auch dessen Kinder nicht, und das der Nachbar letztens seinen Pkw auf dem Parkplatz unseres Mannes abgestellt habe, und dessen Frau neulich einmal, als er vorm Haus an ihr vorbeigegangen sei, mit einer anderen Nachbarin hinter ihm angefangen habe zu reden, woraus er zu dem Schluß kommt, der Nachbar und dessen Familie hätten wohl etwas gegen ihn.
Unser Mann kommt in Fahrt und es erschließt sich ihm plötzlich so einiges aus der letzten Zeit, sodaß er sich sicher ist, der Nachbar werde ihm den Hammer, wenn überhaupt, wohl nur mit Mißmut ausleihen. Daraufhin klingelt unser Mann beim Nachbarn, und als dieser die Tür öffnet, blafft er den Verdutzen an: „Behalt‘ doch deinen Scheißhammer! Steck‘ ihn dir in den Arsch! Ich bin auf dich nicht angewiesen! Ich komm‘ im Leben auch ohne dich zurecht!“
>>Und dazu zaehlt eben auch "unser" Generalverdacht gegen alle Muslime<<
Ja. Ein Herrschaftssystem braucht einen äusseren Feind, gegen den es "das Volk verteidigt". Sonst kämen die Untertanen noch auf Gedanken...
Nur nicht von Unterthanen reden. "Buerger" heisst das heute, meinetwegen auch "BuergerinnenundBuerger", Bundesbuerger, Konsumbuerger und so weiter. Alles andere ist laengst abgeschafft. Jede und Jeder darf heute seine RepraesenTanten waehlen selbst waehlen! Darum geht's uns heute so gut!!!
So ist das naemlich. Und Buerger kommen nicht auf dumme Gedanken. Untertanen kommen.
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