Wehret den Ängsten!

Kommentar Nach den Anschlägen in Paris und den Terrorwarnungen der letzten Wochen, nehmen die Ängste in der Bevölkerung zu. Gerade jetzt gilt es zusammenzuhalten.

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Nach der Anschlagsserie in Paris, habe ich auf dem Campus der Uni Duisburg zwischen zwei Vorlesungen meine Mutter angerufen. Ich fragte, wie es ihr geht, was sie macht, ob alles in Ordnung sei. Üblicherweise erzählt sie mir von ihrem Alltag. Diesmal berichtete sie mir von ihrer Angst. Sie gehe heute nicht in die Moschee.„Zurzeit ist es zu gefährlich. Ich habe Angst vor einem Anschlag auf die Moschee.“

Anschlag auf Moschee als Antwort für Paris?

Ich musste tief Luft holen und mir eingestehen, dass ich die Gefahr eines Anschlags verdränge, wenn ich in die Moschee gehe. Ich denke an spirituellen Abenden in der Gemeinde nicht an Statistiken die belegen, dass es jeden zehnten Tag einen Anschlag auf eine muslimische Gemeinde in Deutschland gibt[1].

Und das sagte ich meiner Mutter auch nicht, sondern versuchte sie zu beruhigen. Ich erinnerte sie daran, dass die Gemeinde bereits seit längerer Zeit Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat. Der Einlass in die Moschee ist seitdem nur durch einen Türöffner möglich. Traurig aber wahr.

Daraufhin erwiderte meine Mutter: „Gerade jetzt ist es gefährlich abends aus dem Haus zu gehen. Stell dir vor ein Nazi greift dich an.“

Angst aus dem Haus zu gehen

Auch hier musste ich wieder tief Luft holen und mir eingestehen, dass ich die Gefahr, Opfer rechtsradikaler Gewalt zu werden, im Alltag verdränge. Doch in diesem Moment war dies nicht mehr möglich. Mir schossen Meldungen und Bilder durch den Kopf. Ich dachte an die Opfer des NSU, an den Tod von Marwa – Al – Sherbini, die mitten in einem deutschen Gerichtssaal getötet wurde. Und ich dachte an all die Übergriffe auf Flüchtlinge in den letzten Tagen und Wochen.

Aber auch das sagte ich meiner Mutter nicht. Ich entgegnete, dass wir uns in einer Großstadt wie Essen keine Sorgen machen müssten. Schließlich leben wir nicht im Osten der Republik. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, denn Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Schließlich entgegnete mir meine Mutter mit besorgter Stimme: „Stell dir vor es gibt in Deutschland einen Terroranschlag, wie in Paris. Terroristen unterscheiden nicht nach Herkunft und Religionszugehörigkeit. Jeder ist in Gefahr. Wenn das geschieht, dann wird es noch mehr Übergriffe auf Muslime geben.“

Auch hier musste ich wieder tief Luft holen. Irgendwie musste ich ihr die Ängste nehmen. Und ich sagte, dass die Gefahr von einem Auto überfahren zu werden, höher ist, als die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs zu werden. Etwas Besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein.

Muslime und nicht – Muslime müssen zusammenhalten

Am Abend fuhr ich mit einem Kommilitonen nach Hause. Er ist gebürtiger deutscher und erzählte mir von den Ängsten seiner Mutter, vor einem Anschlag in Deutschland. Nach dem Gespräch mit meiner Mutter, konnte ich die Ängste seiner Mutter nur allzu gut nachvollziehen und uns beide einte die Sorge um unsere Mütter.

Und doch sind Muslime doppelt betroffen. Sie können wie jeder andere Mensch, Opfer eines Terroranschlags werden und gleichzeitig wären sie in diesem Fall, höchstwahrscheinlich einer zunehmenden Islamophobie ausgesetzt. Damit will ich die Ängste der nicht – muslimischen – deutschen Bevölkerung keineswegs kleinreden, aber deutlich machen, dass Muslime in zweierlei Hinsicht betroffen sind.

Gerade jetzt appelliere ich an alle Muslime und nicht – Muslime. Lasst euch nicht auseinanderdividieren. Muslime und nicht – Muslime müssen jetzt mehr denn je zusammenhalten und dem Terror gemeinsam etwas entgegensetzen, indem sie keine Spaltung zulassen, denn davor fürchten sich die Terroristen am meißten. Und nur dadurch können wir unsere Ängste überwinden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Said Rezek

Said Rezek, Politikwissenschaftler, Blogger und freier Journalist. Schreibe über Medien, Muslime, Migration und Rassismus.

Said Rezek

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