Berlin Art Week

Kunstmessen Während die art berlin im zweiten Jahr am Flughafen Tempelhof wieder mit großen Namen protzt, setzt die POSITIONS Berlin art fair weiter auf Kontinuität

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Mit 110 teilnehmenden Galerien hat sich die art berlin zum Vorjahr scheinbar verkleinert, hinzugekommen ist aber ein sogenannter Salon für noch unbekannte künstlerische Positionen, die noch keinen Namen im Kunstbetrieb haben. Sans titre sozusagen, wie eine dieser innovativen Konzeptgalerien heißt, oder auch die kleine Berliner Galerie Schiefe Zähne, die hier mit der Pariser Galerie Sundogs kollaboriert. Ansonsten protzten die etablierten Galerien wieder mit großen Namen.

Die Galerie Sprüth Magers zeigt Malerei von Thomas Scheibitz, collageartige Arbeiten auf Papier und Seide von Walter Dahn und zwei Siebdrucke auf Metallplatten behangen mit Stoffobjekten des Multimediakünstlers John Bock. Der Trend geht auch bei ihm ins Zweidimensionale. Gleich in der Nähe hängen interessante Malereien von Thomas Zipp bei der Galerie Baudach und von Katharina Spielmann bei der Galerie Charim. Damit ist der Schwerpunkt Malerei klar gesetzt. Entgegen den kuratierten Gruppenausstellungen in den Museen und internationalen Biennalen, die viel auf Installationen und Videoarbeiten setzen, bietet man den traditionellen Sammlern hier, was sich gut verkaufen lässt. Und das sind immer noch Künstler wie der vor einem Jahr verstorbene dänische Maler Per Kirkeby, der hier bei der Galerie Setareh mit einer seiner düsteren Farbassoziationen vertreten ist, kontrastiert mit Bronzeskulpturen von Antona Alvarez.

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Etablierte amerikanische Popart von Andy Warhol über Tom Wesselmann bis Roy Lichtenstein und Papierarbeiten von Alex Katz und Mel Ramos hängen bei der Galerie Klaus Benden. Neue Schüttbildern in Öl des Wiener Aktionisten Hermann Nitsch stellt die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman gegenständliche großformatige Papierarbeiten von Maria Brunner gegenüber. Georg Baselitz und den dänischen Künstler Tal R gibt es bei der Galerie Borch. Ein Mix von klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst präsentiert die Galerie Klaus Gerrit Friese mit u.a. Willi Baumeister, William N. Copley, K.H. Hödicke und Dieter Krieg.

Gegenüber präsentiert Sammler Heiner Bastian natürlich sein großes Idol Joseph Beuys. Mit zeitgenössischer Konzeptkunst und Installationen tut sich die art berlin aber schwer. Alexander Ochs Private setzt ganz auf eine raumgreifende Installation des Objektkünstlers Karsten Konrad mit dem Titel The Cage (Bauhaus verhauen) [s. Foto oben]. Interessant sind auch die Mixed-Media-Arbeiten aus natürlichen Stoffen des dänischen Künstlers Silas Inoue, der bei der Marie Kirkegaard Gallery u.a. Schimmel auf Holz hinter Plexiglas zeigt. Den Stand der Galerie Zilbermann bespielt der syrisch deutsche Künstler Manaf Halbouni, der in Dresden schon drei zerschossene Busse hochkant vor die Frauenkirche gestellt hat. Eine weitere Installation zeigt der südafrikanische Künstler Wim Botha mit Nebula 24 bei der Galerie Hans Mayer. Weitestgehend Installationscharakter hat auch die Videoarbeit Mein Papi des Horror-Trash-Filmers Jörg Buttgereit, der sich die Koje bei der Galerie Ebensperger Rhomberg mit den farbig verspielten Papierarbeiten von Maria Thurn und Taxis teilt. Lea Bourgogne und Marcus Steinweg folgen in ihrer philosophisch angehauchten Stoff-Installation bei Galerie BQ mit eingewebten Schlagworten den Lehrsätzen Jacques Lacans von der Leere.

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Fotoarbeiten sind auch eher rar gesät. Gleich am Eingang fällt eine fotografische Arbeit von Thomas Demand mit einem für ihn typischen nachgebauten Arbeitsraum-Motiv ins Auge. Auffallend auch die Augen- und Handserien von Angelika Platen bei der Galerie Michael Schultz und die Portraits von südafrikanischen Frauen von Lindeka Qampi bei der Galerie Sakhile&Me, die Kunst aus Südafrika präsentiert. Die Gewinnerin des Preises der Berliner Nationalgalerie von 2017 Agnieszka Polska zeigt Videos und Filmstills bei der Galerie Zak Branicka.

Hängenbleiben von der art berlin wird aber vor allem das Überangebot zeitgenössischer Malerei mit Positionen aus denen natürlich Cornelia Schleime mit Arbeiten bei der Galerie Michael Schultz heraussticht. Ihr zur Seite hängen kleinere Formate von Bernd Kirschner. Die Galerie Schimming zeigt den Leipziger Tilo Baumgärtel, die Galerie Setareh die vielversprechende Hamburger Malerin Cathrin Hoffmann. Christine Wang stellt bei der Galerie Nagel Draxler den Schauspieler Leonardo Di Caprio in den Mittelpunkt ihrer gesellschaftskritischen Bilder. Aber auch die expressiven Figuren von Conny Maier bei Ruttkowski 68 oder Ulrich Wulff bei der Galerie Bernd Kugler können überzeugen. Werke von momentan recht angesagten Künstlern und Künstlerinnen wie Norbert Bisky, Alicja Kwade, Jorinde Voigt, Matthias Weischer und Anselm Reyle gibt es bei Galerie König zu sehen. Tränentrockner Tempelhof heißt dort eine Metallständerskulptur von Michael Sailstorfer, an die tropfenförmige Gläser gehängt sind. Und Hauptgewinn titelt sogar ein Werk des Künstlers Christian Hoosen, der seine komikartigen Gemälde und Skulpturen bei der Galerie Achenbach Hagemeister zeigt. Man hofft also auf bessere Zeit, was immer das auch bedeuten mag.

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Über die Positions Berlin Art Fair lässt sich Ähnliches sagen wie schon über die art berlin. Zwar ist auch POSITIONS mit 70 teilnehmenden Galerien zum Vorjahr nicht gewachsen, aber äußerlich gleicht man sich zusehends an die große Schwester einige Hangars weiter an. Kontinuität gibt es auch bei den KünstlerInnen und den sie präsentierenden Galerien. Der Galerie-Nachwuchs wird in der separaten Sektion ACADEMY POSITIONS vorgestellt. Qualitativ holt man im Hangar 4 auf und schwerpunktmäßig werden auch hier vorwiegend Gemälde und Arbeiten auf Papier gezeigt.

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Die Galerie des POSITIONS-Gründers Kristian Jarmuschek zeigt dann auch die eindrucksvollen surrealen Schwarz-Weiß-Bilderwelten von Sabine Banovic, die die Künstlerin mit Pigment Marker und Tusche auf Leinwand und Papier bringt. Oliver Grönes abstrakte, an den Kubismus erinnernde Kopfportraits ergänzen das Angebot. Die klassische Moderne hat mit Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix und Lyonel Feininger die Galerie Kunkel Fine Art im Programm. Dagegen setzt sie die kleinen farbigen Gouachen von Jaqueline Ostermann, die den dort portraitierten Frauen auch mal Löwen- oder Tigerköpfe (Beautiful Beast) aufsetzt. Die Galerie Brusberg setzt mit den Malern und Grafikern Max Uhlig und Hans Uhlmann sowie der Fotografin Evelyn Richter auf Klassiker der DDR-Kunst.

Das vielleicht umfangreichste Angebot an figürlicher Malerei gibt es wieder bei der Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs. Hier fallen vor allem Ruprecht von Kaufmann, Yongchul Kim und Altstar Rainer Fetting auf. Ganz gut bestückt ist in der Hinsicht auch die Galerie Brennecke Fine Art mit Kim Dreyer, Franziska Maderthaler und Lars Teichmann. Bei der litauischen Galerie Meno niša zeigt die Künstlerin Monika Furmana kleine zarte Aquarelle. Die Oechsner Galerie stellt die schwarzweißen Bilder von Sebastian Tröger aus. Der britische Maler und Bildhauer Julian Opie zeigt seine fast zu Piktogrammen reduzierten New York Couples bei der DavisKlemmGallery. Kinki Texas reitet mit seinen Comic-Western-Figuren bei der Galerie Anja Knoess.

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Beindruckend sind auch die fast geometrischen Figurengruppen in den Strandbildern von Barbara Müller-Kageler bei Gräfe Art.Concept. Einen guten Kontrast bilden die emotionalen Frauenportraits von Chonchi Alvarez zu den fast ikonenhaften von Salustiano bei der spanischen Stoa Gallery. Eine Serie von Ikonen des Alltags zeigt auch Thomas Kälberloh in seinen kleinen Portraits bei Galerie Hengevoss-Dürkop. Zwischen Philip Guston und Francis Bacon liegt die Figuration bei dem kanadischen Künstler Daniel Butcher, der bei Anahita Contemporary zu sehen ist. Etwas vom französischen Fauvismus haben die gefühlvollen Gemälde der Portugiesin Mafalda Figueiredo bei Maus Contemporary. Die Galerie Mäder zeigt die nach historischen Fotos entstandenen und mit sepiafarbener Patina gemalten Acrylbilder von Isabelle Lafeuille.

Alte Bekannte mit ihren farblich minimalistischen Ölbildern sind Dieter Mammel bei Galerie Hübner & Hübner und Leszek Skurski bei der Galreie Von&Von. Auch die vor dem ornamentalen Naturhintergrund fast verschwindenden Figuren der holländischen Malerin Miriam Vlamick kennt man schon aus dem letzten Jahr. Bei der Mianki.Gallery bilden wieder die schmalen Bronzefiguren von Tina Heuter und die Laubarbeiten auf Papier von Michael Schuster ein bewährtes Team. Die Galerie Hübner & Hübner zeigt wieder eine der lebensechten Kunstharzfiguren von Carole Feuermann und die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt eine Holzbüste von Luzia Werner.

Nach Anke Eilergerhard mit ihren barocken Silikontorten-Skulpturen hat die Galerie Tammen mit dem Schweizer Matthias Garff einen neuen POSITIONS-Star. Viel Gedränge ist vor seinen Vogelskulpturen aus Holz und Insektenkästen. Bizarr wirkt dazu auch die expressiv-abstrakte Ölmalerei von Dietmar Brixy. Fliegende Häuser zeigt der französische Künstler Laurent Chéhère bei Commeter Persiehl & Heine. In Sachen Fotografie ist aber der kanadische Künstler Greg Payce mit seinen dreidimensionalen Lenticulardrucken bei der Galerie Art Mûr noch etwas faszinierender.

Art Berlin
12. - 15. September 2019
Hangar 5 + 6 des Flughafens Berlin – Tempelhof
Eingang über Tempelhofer Damm 45

Infos: https://www.artberlinfair.com

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POSITIONS Berlin Art Fair
12. - 15. September 2019
Hangar 4 des Flughafens Berlin - Tempelhof
Eingang über Columbiadamm 10

Infos: https://positions.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

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