Die Frau des Polizisten

Kino Ein formstrenger Film von Philip Gröning zu einem schwerwiegenden Thema.

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Sein Film behandele nicht vordergründig das Thema häusliche Gewalt, betont Regisseur Philip Gröning. In Die Frau des Polizisten geht es vor allem um Nähe in Form von Liebe, körperlicher Intimität und Vertrauen. Um die Schwierigkeit diese Nähe zuzulassen, Liebe zu ertragen und geben zu können. Grönig, der bereits 2006 für seinen Dokumentarfilm Die große Stille über das Leben von Mönchen in einem französischen Kartäuserkloster mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, spaltete 2013 mit diesem Drama um eine kleine Familie bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig die Kritiker und erhielt dennoch den Spezialpreis der Jury.

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Regisseur Philip Gröning vor dem Kino Delphi in Berlin. Foto: St. Bock

Ähnlich wie Die große Stille zeichnet Die Frau des Polizisten ein strenger Formwillen aus. Der Regisseur hat den Film in 59 kurze Kapitel aufgegliedert, getrennt durch ungewöhnlich lange Schwarzblenden, die an das Ende und den Anfang des jeweiligen Kapitels gesetzt sind. Abseits der herkömmlichen Sehgewohnheiten wird dem Zuschauer hier einiges an Konzentration und Geduld abverlangt. In 175 Minuten erzählt der Film von einer großen Liebe, die langsam in sich zusammenfällt. Die Momente großer Nähe und Vertrautheit zeigt, sich aber letztendlich in inneren und sichtbar äußeren Verletzungen erschöpft. Je stärker sich die gewaltausübende Kraft manifestiert, umso schwächer wird die erduldende, bis sie zum Ende hin ganz verlischt.

Das junge Paar Christine (Alexandra Finder) und Uwe (David Zimmerschied) ist mit seiner 4jährigen Tochter Clara - dargestellt von den Zwillingen Pia & Chiara Kleemann - in eine Kleinstadt am Rande eines Waldes gezogen. Uwe arbeitet als Polizist im Schichtdienst, um das nötige Geld zu verdienen. Christine kümmert sich daheim allein um Clara. Die konventionelle Rollenverteilung scheint aber nicht das Problem zu sein. Die Familie wird beim gemeinsamen Osterspaziergang gezeigt, beim Mittagessen oder Kuscheln auf dem Sofa. Das Paar testet seine Kräfte zunächst nur beim spaßhaften Armdrücken am Küchentisch. Hier ist die Welt der drei augenscheinlich noch völlig in Ordnung. Auffällig nur die ganz besondere Nähe der Mutter zum Kind. Sie zeigt ihm geduldig erklärend die Natur, sensibilisiert es für die sie umgebende Welt. Ansonsten scheint die Familie nach außen hin merkwürdig isoliert.

„Und ich flieg, flieg, flieg wie ein Flieger, bin so stark, stark, stark wie ein Tiger.“ (Christine)

Die Arbeit von Uwe ist durch Routine gekennzeichnet. Ereignislose Streifenfahrten mit Kollegen werden durch das Aufnehmen von schweren Autounfällen oder das Warten auf den nächsten Einsatz abgelöst. Einmal nur nimmt der Vater Clara zu einer Fahrt im Polizeiwagen mit oder sieht sich mit ihr ein Autorennen an. Ein leidenschaftliches Hobby, dem er auch vor dem Computer frönt. Die wenigen Stunden, die Uwe mit seiner Tochter verbringt, wirken teilweise etwas gestresst. Die starke Vertrautheit, die Christine zu Clara entwickelt hat, weckt in ihm das Gefühl von Eifersucht. Seine erste verbale Entgleisung entlädt sich dann auch an so einem Gefühl von plötzlicher Ohnmacht und persönlicher Missachtung, die er angesichts dessen empfindet, dass ihn Christine schlafend vor dem Fernseher sitzen lässt.

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Von Szene zu Szene setzt sich dieses missliche Gefühl in immer schlagenderen Argumenten fort. Dennoch scheidet der Film nicht klar in schwarz und weiß, lässt sich die Geschichte nicht ohne weiteres in das gängige Täter-Opfer-Schema pressen. Die Bilder sprechen eine klare Sprache, drängen sich dabei aber nicht effektheischend in den Vordergrund. Erst ganz unvermittelt beim ausgelassenen Spiel des Paars im Badezimmer fängt die Kamera erste blaue Flecke und Blutergüsse ein. Sie breiten sich im Lauf der Geschichte auf Christines Körper wie kleine Seenlandschaften aus. Tätowierungen der Gewalt, die sich in Haut und Seele eingraben. In vielen Closeups ist Grönings Kamera sozusagen hautnah dabei. Dagegen stellt er einzelne Kapitel, in denen die Familie gemeinsam Kinderlieder oder Christine allein das Fliegerlied (So ein schöner Tag) singt.

Mit einer Ausrede für das verunsicherte Kind angesichts der nackten, gezeichneten Mutter ist Uwe schnell bei der Hand, wird Clara gegenüber aber nie handgreiflich. Hier offenbaren sich auch bekannte Verhaltensmuster. Philip Gröning hat für seinen Film viele Gespräche mit Opfern wie auch Tätern geführt. Mutter und Tochter entwickeln beide eher Schuldgefühle, als dass sie fähig wären, die Ursachen der Gewalt zu begreifen. So färbt sie nicht nur körperlich auf sie ab. Christine wird nicht gehen. Sie hängt fast bedingungslos an ihrer Liebe, will sie in jedem Fall bewahren. Ihre beiderseitige Abhängigkeit, hervorgerufen durch die starke Fixierung aufeinander, wirkt sich letztendlich zerstörerisch auf die Beziehung aus. Uwe kann diese Nähe nicht aushalten, obwohl gerade er sie auch fordert: „Du bist doch die Basis, … ohne dich bin ich nichts.“ Wie ein Baby schmiegt er sich einmal weinend an Christine, stößt sie dann aber wieder wütend aus dem Bett. Uwe ist nicht fähig Liebe zurückzugeben.

„Du bist doch die Basis, … ohne dich bin ich nichts.“ (Uwe)

Der Film arbeitet viel mit Symbolen. Oft zoomt sich die Kamera als Overhead Shot auf die Protagonisten herab wie ein sakral anmutender Gottesblick. Dabei wechseln ständig Schärfe und Unschärfe. Mutter und Kind sieht man, immer kleiner werdend, in einer überdimensionalen Badewanne. Ein Bild für uterale Geborgenheit, wie auch für das zunehmende Verschwinden ihrer Persönlichkeit. Wie einem stummen Zeugen des Ganzen folgt die Kamera einem alten Mann (Horst Rehberg) bei der einsamen Verrichtung seines Tagwerks. Er bleibt ebenso rätselhaft im Dunkeln wie die Tiere, die die Kamera immer wieder in kurzen Aufnahmen einfängt. Auch er wird am Ende verschwunden sein.

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Wirkt Grönings Kamera mitunter auch sehr artifiziell, lenkt sie damit aber nie vom Wesentlichen ab. Strenge Form und Verfremdung geben dem Film letztendlich die nötige Distanz und Klarheit. Der Film berührt so ohne rührselig zu sein, macht betroffen ohne die übliche Betroffenheitsüberrumpelung. Bis zur letzten Sekunde eine cineastische Zumutung, die Kraft ihrer Bilder aber zu überzeugen weiß. Mit einer Unterstützungskampagne für die regionalen Frauenhäuser in Deutschland reagiert das Produzententeam des Films auf die aktuelle Studie „Gewalt gegen Frauen“. In der Startwoche wird ein Euro pro Kinokarte von jeder normalen Kinovorstellung und allen Sondervorführungen an die Frauenhäuser der jeweiligen Stadt fließen. Zusätzlich gibt es seit dem 8. März eine Filmkooperation von Die Frau des Polizisten mit TERRE DES FEMMES.

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Zuerst erschienen am 20.03.2014 auf Kultura-Extra.

Die Frau des Polizisten (Deutschland 2013) 175 Minuten

Regie: Philip Gröning Drehbuch: Philip Gröning, Carola Diekmann Produktion: Philip Gröning, Matthias Esche, Philipp Kreuzer, Werner Wirsing Musik: Andreas Donauer (Donikkl) Kamera: Philip Gröning Schnitt: Philip Gröning, Hannes Bruun

Mit: Alexandra Finder: Christine, David Zimmerschied: Uwe, Pia und Chiara Kleemann: Clara, Horst Rehberg: Alter Mann, Katharina Susewind: Kollegin, Lars Rudolph: Kalle, Fabian Stromberger: Polizist

Kinostart: 20.03.2014

weitere Informationen: http://www.die-frau-des-polizisten.de/index.html

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Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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