Die Hermannsschlacht

Premierenkritik Am Schauspiel Leipzig bringt Dušan David Pařízek Kleists Nationaldrama in einer leicht ironischen aber konzentrierten Fassung auf die Bühne

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Am Tag der Deutschen Einheit Die Hermannsschlacht von Heinrich von Kleist aufzuführen, hat immer noch etwas gewollt Provokantes. Dem Stück hängt seine zweifelhafte Rezeptionsgeschichte an. Vom Autor als politischer Aufruf gegen die französische Besatzung durch Napoleons Truppen gedacht, lässt es sich bis heute als deutschnationales Erweckungsdrama lesen.

Bei den Nazis feierte Kleists Stück jedenfalls eine gewaltige Renaissance. Wenn man es aktuell wieder liest, kommen einem aber auch noch ganz andere Vergleiche in den Sinn. So sicher auch Regisseur Dušan David Pařízek, der erstmals für das Schauspiel Leipzig inszeniert und das Drama um den historisch und politisch immer wieder missbrauchten Cheruskerfürsten Hermann in einer klug auf 5 Personen reduzierten Fassung auf die Bühne bringt.

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Das Reich Hermanns ist hier eine mit Holzbohlen beplankte Schräge. Der Cheruskerfürst tritt im korrekten Anzug auf, was ihn von Anbeginn als kühl kalkulierenden Politiker und nicht als tumben Germanen zeigt. So ist er allerdings auch schon bei Kleist angelegt. Kaum etwas heldenhaft Germanisches wohnt diesem Hermann inne, der hier bereits zu Beginn wie ein Politprofi im Selbstgespräch sein Wirken auf und die Reaktionen der anderen Germanenfürsten probt.

Regisseur Pařízek vereinigt die verschieden Figuren der Deutschen in einer Person, was für den Stückunkundigen vielleicht etwas schwer zu verstehen ist, aber die Konzentration auf die Hauptfigur, die vom Leipziger Schauspieler Dirk Lange verkörpert wird, besonders schärft. Ihm zur Seite agiert Julian Kluge als Eginhardt mehr als ergebener Erfüllungsgehilfe denn als Rat. Eine besondere Funktion gibt Pařízek der Gemahlin Hermanns, Thusnelda, die bei Bettina Schmidt sicher nicht das blonde, willfährige Dummchen ist, sich ihrer strategischen Bedeutung als Lockvogel wohl bewusst auch mehrfach gegen die Vereinnahmung aufbegehrt, letztendlich aber ebenfalls in den von Hermann erzeugten Strudel aus Römerhass und falschen Beschuldigungen gerät.

Der Mann verteilt mit seiner Frau Jägermeister wie Werbegeschenke und stellt sich so dem Publikum und Volke vor. Der römische Legat Ventidius (Thomas Braungardt), der hin und wieder zur Laute greift, wird in der Aussprache des Teutoburger Waldes berichtigt. Der Dialekt sorgt hier auch für etwas Gagpotential. Mal ist es das landläufige Sächsisch, dann andere deutsche Dialekte und eine nicht im Stück enthaltenen Parodie des schwäbelnden Suevenfürsten Marbod. Die Ironie hält sich aber die Waage zur eigentlichen Ansage, den Gegner mit allen Mitteln zu schlagen. Bei Hermann sind das vor allem Fake News, wie man heute sagen würde. Allerdings ist der römische Feldherr Varus (Markus Lerch), der bei der Ankunft seine Standarten in den Bühnenboden rammt, an sich schon ein Unsympath, der seinem Schicksal auch relativ schnell zugeführt wird.

Die Aufwertung der Thusnelda, die Pařízek mit seiner Inszenierung sicher vorhatte, verpufft allerdings etwas zu Gunsten der toxischen Männlichkeit, die dann aber doch nicht wirklich zum Zuge kommt. So bleibt die Inszenierung etwas Unentschieden, auch wenn „Thuschen“ den Verehrer Ventidius höchstpersönlich ins Jenseits befördert und nicht die germanische Bärin dazu braucht. Danach steigt man noch etwas aus dem Drama aus für ein Bier an der Rampe. Zum vorgezogenen Ende erscheint das Germanentrio dann allein. Dem folgt ein Mashup aus deutschen Durchhalteparolen und nationalen Beschwörungsformeln von Kaiser Wilhelm über die DDR-Nationalhymne bis zu Höcke-Parolen. Es ist sicher nach wie vor schwierig, Kleists Zeitstück aktuell nutzbar zu machen. Dušan David Pařízek ist das mit seiner nüchtern konzentrierten Hermannsschlacht aber doch weitestgehend gelungen.

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Zuerst erschienen am 04.10.2019 auf Kultura-Extra.

DIE HERMANNSSCHLACHT (Schauspiel Leipzig, 03.10.2019)
Regie und Bühne: Dušan David Pařízek
Kostüme: Kamila Polívková
Dramaturgie: Matthias Döpke
Licht: Veit-Rüdiger Griess
Mit: Dirk Lange (Hermann), Bettina Schmidt (Thusnelda),
Julian Kluge (Eginhardt), Markus Lerch (Quintilius Varus) und Thomas Braungardt (Ventidius)
Premiere war am 3. Oktober 2019.
Weitere Termine: 19.10. / 16., 30.11. / 27.12.2019 // 12.01. / 02.02.2020

Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/

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Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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