Meine glückliche Familie

Kino Das georgisch-deutsche Regiepaar Nana & Simon erzählt eine vielschichtige Emanzipationsgeschichte aus dem heutigen Georgien

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Nana Ekvtimishvili und Simon Groß waren bereits 2013 mit ihrem ersten gemeinsamen Spielfilm Die langen hellen Tage zu Gast im Forum der Berlinale. Damals portraitierte das georgisch-deutsche Regiepaar zwei 14jährige Mädchen im postsowjetischen Georgien zwischen patriarchaler Tradition und Moderne. In ihrem neuen Film, der deutsch-georgisch-französischen Koproduktion Meine glückliche Familie, der ebenfalls im Forum der diesjährigen Berlinale Deutschlandpremiere feierte, wenden sich Nana & Simon nun der stets aufopferungsbereiten Müttergeneration zu.

Eingebetteter MedieninhaltDie 52jährige Lehrerin Manana (Ia Shugliashvili) lebt zusammen mit Ehemann, Eltern, Sohn und Tochter, die ebenfalls verheiratet ist, in einer Wohnung in Tbilissi. Ein Dreigenerationenhaushalt, wie er in Georgien nicht unüblich ist, schon allein wegen der grassierenden Wohnungsnot. Es wird früh geheiratet. Das Glück der Frauen ist es Kinder zu kriegen und immer für die Familie da zu sein. An ihrem Geburtstag, der wie immer groß gefeierte werden muss, eröffnet die erschöpfte Manana der versammelten Großfamilie, dass sie eine eigene Wohnung gemietet habe und ausziehen will. Daraufhin beruft der erweiterte Verwandtenkreis den großen Familienrat ein. Mutter, Bruder, Ehemann, Tanten und Onkel reden der Abtrünnigen unablässig ins Gewissen und in deren neues Leben hinein. Das Ansehen der Familie steht auf dem Spiel. Davon bekommt Großmutter Lamara (Berta Khaphava) Schnappatmung und Mananas Bruder Rezo (Dimitri Oragvelidze) sorgt sich um die Ehre seiner Schwester. Eine glückliche Familie sieht anders aus, der Titel ist da reinste Ironie.

Manana und ihr Mann Soso (Merab Ninidze) haben sich außer über tägliche Verrichtungen, denen er sich gerne entzieht, nicht mehr viel zu sagen. Ihre Beziehung ist zur bloßen Routine geworden. Dazu kommt, dass Soso ein dunkles Geheimnis hat, wie Manana bitter erfahren muss. Natürlich haben auch die Kinder ihre ersten Liebesprobleme, was die Mutter schlechten Gewissens immer wieder in den Kreis der Familie zurücktreibt. Die Kamera wechselt beständig zwischen Großszenen, in denen geredet, getrunken und auch viel gesungen wird, und den ruhigen Bildern in Mananas neuem Refugium. Dort genießt sie die Ruhe, beginnt wieder eigenen Interessen nachzugehen, wie etwa dem Gitarrenspiel, oder trifft alte Schulfreunde. Nana & Simon bringen der Frau auf der Suche nach sich selbst viel Verständnis entgegen und lassen ihr jede Zeit zum Nachdenken. Wie sich Mananas Leben entwickeln und ob sich die “Happy Family“ wieder finden wird, lässt der Film weitestgehend offen. Meine glückliche Familie zeigt aber, und das bei aller Problematik nicht ganz ohne Witz, neben einem eindrücklichen Gesellschaftsbild vor allem ein sehr interessantes Frauenportrait.

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Zuerst erschienen am 13. Juli 2017 auf Kultura-Extra.

Meine glückliche Familie
Deutschland / Georgien / Frankreich 2017 (115 Min.)
Regie: Nana & Simon
Buch: Nana Ekvtimishvili
Kamera: Tudor Vladimir Panduru
Art Director: Kote Japaridze
Kostüme: Medea Bakradze
Schnitt: Stefan Stabenow
Ton-Design: Paata Godziashvili
Ton: Andreas Hildebrandt
Produktionsfirma: augenschein Filmproduktion (Köln)
Produzenten: Simon Groß, Maximilian Leo, Jonas Katzenstein
Verleih: Zorro Film
Mit:
​Ia Shugliashvili... Manana
Merab Ninidze... Soso
Berta Khaphava... Lamara
Giorgi Khurtsilava... Vakho
Giorgi Tabidze... Lasha
Goven Cheishvili... Otar
Dimitri Oragvelidze... Rezo
Tsisia Qumsishvili... Nino

Kinostart: 13.07.2017

Info: http://www.augenschein-filmproduktion.de/de/filme/detail/meine-glueckliche-familie.html

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Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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