MOTHER INDIA

Welt-Musik-Festival Die Wassermusik 2015 im HKW Berlin bezauberte mit Bhangra-Beats, Sitar-Folk und Sufi-Klängen.

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Bhangra-Beats von Swami und Red Baraat

Waren zu Beginn der Wassermusik-Reihe „Mother India“ noch ruhige, meditative Klänge, klassischer Fusion-Jazz und Bollywood-Sounds vorherrschend, ging am vergangenen Freitag nach einer auflockernden Yogastunde erstmals so richtig die Post ab. Zuerst machten im Rahmen ihrer Europatournee die Desirockin’ Electro-Exotic Globehoppin’ Party Starters Swami mit exzellenten Disco-Dancegroovs Station bei der WASSERMUSIK 2015. Die vierköpfige Band um den Londoner Produzenten Diamond Duggal gilt in den Communitys von London, Birmingham und Manchester als „The Futur of Asian Music”. Sie mixen den treibenden Rhythmus der typischen Dhol-Trommeln aus der indischen Region Punjab mit Rock, Hip-Hop, Breakbeat und elektronischen Disco-Sounds. Eine unbedingt tanzbare und mitreißende Performance, an die sich ein weiteres Highlight der global-indischen Fusion-Musik anschließen sollte.

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Swami - Foto: St. Bock

Bei Red Baraat aus New York hielt es nun wirklich kaum noch jemanden auf den Liegestühlen und Decken vor der Bühne am Spiegelteich des HKW. Der hundert Prozent schweißtreibende Brooklyn-Bhangra der Band ließe sich noch besser als eine Art Bhangra-Brass bezeichnen, bei dem die tonangebende Dhol-Trommel des Percussionisten Sunny Jain durch eine ganze Sektion von Blechbläsern unterstützt wird. Einst als Hochzeitsband gegründet, besitzen Red Baraat ein ungeheuer vielfältiges Repertoire an verschieden Stilrichtungen. Mit einer Mischung aus indischen Rhythmen, dem Sound der Marching Bands aus New Orleans und sogar lateinamerikanischen Klängen brachte die achtköpfige Truppe das Publikum zum Schwitzen. Ein gelungener Abend, der erst nach mehreren Zugaben zu Ende ging.

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Red Baraat - Foto: St. Bock

Sitar-Folk und Sufi-Poetry mit Mike Heron und Arooj Aftab

Und schon wieder hieß es Abschied nehmen von der WASSERMUSIK 2015. Vier Wochen lang gab es unter dem Motto „Mother India“ eine bereichernde Klangreise vom Mutterland Indien in die große, weite Welt der Musikstile. Auch eine „Migration der Klänge“ von Bollywood-Sounds und Banghra-Beats zu den Einflüssen westlicher Pop-, Rock-, Folk- und Jazzmusik und umgekehrt.

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Ashraf Sharif Khan - Foto: St. Bock

So hatte zum Beispiel noch vor einer Woche der alte Hippie-Barde Mike Heron (ehemals Incredible String Band) mit seiner Tochter Georgia Seddon und der international besetzten Band The Trembling Bells ein mitreißendes Konzert auf der Spiegelteich-Bühne vor dem Haus der Kulturen der Welt gegeben, bei dem er schottische Folkmusic mit den Sitar-Klängen des indischen Musikers Ashraf Sharif Khan verband. Zuvor aber konnte das Publikum schon einen kleinen Vorgeschmack auf das letzte Wochenende bekommen. Beim Konzert der jungen Sängerin und Komponistin Arooj Aftab aus New York traf indische Tradition einmal mehr auf westlich Moderne. Ein virtuos beeindruckender, sphärischer Vortrag poetischen Sufi-Gesangs unterstützt durch ein fast klassisches Jazzinstrumentarium aus Bass, Keyboard, Schlagzeug und dem Saxofon der Berliner Musikerin Charlotte Greve.

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Arooj Aftab - Foto: St. Bock

Das Finale mit Chutney Soca von Mungal Patasar und Pantar sowie magischen Sufi-Klängen der Barmer Boys

Nun sollte es also beim Abschluss der WASSERMUSIK nochmal zu einem Treffen von Sufi-Musikern der alten Schule kommen. Nachdem bereits am Freitag Asif Ali Khan, der als legitimer Nachfolger des legendären pakistanischen Qawwali-Sängers Nusrat Fateh Ali Khan gilt, das Publikum in Trance versetzte, zeigten die Barmer Boys, dass die gut 800 Jahre alte musikalische Tradition der islamischen Mystiker und Sufi-Prediger auch im indischen Rajasthan beheimatet ist. Der Sänger und Harmoniumspieler Manga „Mangey“ Khan, der Dhol-Trommler Tarif Khan und der Percussionist Rais Khan, der neben der traditionellen Maultrommel Morchang, der Saitentrommel Bhpang und den kastagnettenartigen Khartaai-Schellen auch das Beat-Boxing beherrscht, spielten eine Mischung aus Sufi-Sounds und dem Rajasthan-Folk der muslimischen Manganiyar-Communities. Ein mitreißendes Konzert, bei dem es am Ende kaum noch jemanden auf seiner Sitzmatte oder im Liegestuhl hielt.

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Tarif Khan von den Barmer Boys - Foto: St. Bock

Zuvor aber gab es noch einen Musik-Mix ganz anderer Art. Aus Trinidad und Tobago war der Sitarspieler Mungal Patasar mit Mitgliedern seiner Band Pantar angereist. Der Bandname setzt sich aus dem Wort „Pan" für die karibischen Steeldrums und dem „tar" der indischen Sitar zusammen. „Chutney Soca" nennt sich dann auch der Mix aus Tabla, Sitar, Bass und den typischen Calypso-Klängen des Steeldrum-Virtuosen Harold Headley. Ein berauschendes Fest für die Sinne, das bei den momentan recht sommerlichen Temperaturen nicht nur zum Tanz, sondern auch zum Trinken von exotischen Cocktails verführte. Auf ein neues, inspirierendes WASSERMUSIK-Motto im nächsten Jahr, mit wunderbaren Konzerten auf der dann hoffentlich wieder frisch sanierten Dachterrasse des HKW.

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Steeldrumspieler Harold Headley - Foto: St. Bock

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Zuerst erschienen am 27. Juli und 10. August 2015 auf Kultura-Extra.

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Wassermusik 2015
MOTHER INDIA
Vom 17.07. bis 08.08.2015 auf dem Spiegelteich vor dem Haus der Kulturen der Welt
Infos:
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Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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