Vânătoare

Kino Der Debutfilm von Alexandra Balteanu zeigt in fast dokumentarischen Bildern den Alltag dreier rumänischer Frauen, die sich an einer Autobahnbrücke prostituieren.

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Vânătoare (dt.: „Auf der Jagd“), der Debutfilm von Alexandra Balteanu, Absolventin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), spielt am Rande der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Die in Berlin lebende rumänische Regisseurin filmte hier im kalten November unter einer Autobahnbrücke den Alltag dreier Frauen, die sich dort jeden Tag für ein paar hundert Lei prostituieren. Für die Hauptrollen konnte Alexandra Balteanu drei ausgezeichnete rumänische Theaterschauspielerinnen gewinnen. Die anderen DarstellerInnen sind Laien, die dirkt vor Ort gecastet wurden. Lange fast dokumentarische Kameraeinstellungen, die an Cristian Mungiu oder auch die Brüder Dardenne erinnern, aber auch improvisierte Szenen in einer Fernfahrerraststätte kennzeichnen diesen eindrucksvollen Film. Die gesamte Handlung spielt fast ausschließlich im Freien.

Es beginnt zunächst in einem Vorort von Bukarest, in dem die Hauptprotagonistin Lidia (Corina Moise) mit ihrem Ehemann und zwei Kindern lebt. Sie züchtet Tauben, die den kargen Speispaln aufbessern, und muss das Geld für die Familie zusammen kratzen. Ihr Sohn hat Probleme in der Schule, ihr Mann tritt kaum in Erscheinung. Freundin Denisa (Iulia Lumânare) hält ihren Geliebten aus, für den sie neue Turnschuhe kaufen möchte, und die junge Vanessa (Iulia Ciochina) träumt von einem Mann mit grünen Augen, den sie per Annonce sucht, und einer Dienstwohnung.

So hat jede der Frauen ihren ganz speziellen Beweggrund für die Prostitution. Der Film folgt den Frauen bei der Busfahrt zur Brücke, dem Umziehen vor Ort und dem Warten auf Kundschaft an der dicht befahren Straße. Ihre Gespräche drehen sich ums Geld, die Männer und auch um kleine Revierstreitigkeiten zwischen Lidia und Vanessa, die nicht auf den Mund gefallen ist. Probleme gibt es immer wieder mit Polizeistreifen, die den Frauen als Strafe für die illegale Tätigkeit das verdiente Geld abnehmen. Die korrupten Beamten betrügen die Frauen und schikanieren sie, wenn sie sich beschweren wollen. Halb nackt setzen sie die drei mitten in der Nacht auf einem Feld aus.

Recht anschaulich verdeutlicht der Film die Ohnmacht und Ausweglosigkeit der Frauen, gibt ihnen bei aller Härte aber auch die Würde, für sich einzustehen. In einem langen stummen Abspann keimt sogar etwas wie Hoffnung und ein Rest von Menschlichkeit. Dafür erhielt Vânătoare in Saarbrücken den Max Ophüls Preis 2017 für die beste Regie und den Preis der ökumenischen Jury sowie den Preis des Verbands der deutschen Filmkritik auf dem 13. Achtung Berlin Filmfestival.

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Zuerst erschienen am 28.04.2017 in einer Besprechung des Wettbewerbs für den 13. ACHTUNG BERLIN new berlin film award auf Kultura-Extra.

VANATOARE
D 2014-2016, 75 Min
Regie: Alexandra Balteanu
Buch: Xandra Popescu, Alexandra Balteanu
Kamera: Matan Radin
Schnitt: Antonella Sarubbi
Musik: Nimrod Gilboa
Ton: Tobias Mahlstedt
Produzent: Stanislav Danylyshyn
Produktion: dffb - Deutsche Film- & Fernsehakademie Berlin
Verleih: Grandfilm
Mit: Corina Moise, Iulia Lumânare, Iulia Ciochina, Sergiu Costache, Dragos Olaru u.a.
Infos: http://grandfilm.de/vanatoare/

Kinostart: 07.12.2017

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Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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