Moderne Ausprägungen des Rassismus, so könnte man sagen, entstammen dem Geist der Aufklärung, die religiöse Normkonzepte durch naturwissenschaftliche Sichtweisen ersetzt. Den Machteliten bot das die einmalige Chance, ihre Position der Stärke mit pseudowissenschaftlichen Behauptungen zu untermauern und ganze Gruppen als naturgegeben minderwertig zu diffamieren. Quentin Tarantino führt in Django Unchained solche Denkmuster vor, wenn Leonardo DiCaprio als Plantagenbesitzer Calvin Candie einen Vortrag über angeblich natürliche Ausprägungen im Schädel Schwarzer hält, die deren niedrige gesellschaftliche Stellung bestimmen. Da Candie aber bestenfalls ein halbgebildeter Aufschneider ist, stellt sich die Frage, wie die stumpfsinnigen Rassismen immer wieder Überzeugungskraft entfalten können. Ein Grund ist, dass neue Generationen altes „Wissen“ oftmals nicht hinterfragen.
Das gilt für das Amerika vor dem Bürgerkrieg aus Django Unchained genauso wie für die Zeit danach. Mit der Sklaverei wurde nicht der Rassismus abgeschafft. Der ist auch knapp 100 Jahre später noch präsent, als Adam Cramer (William Shatner) in Roger Cormans Weißer Terror (1962) in ein kleines Südstaatenkaff fährt, das kurz vor der Integration schwarzer Jugendlicher in die bislang nur von Weißen besuchte Schule steht. Zähneknirschend wollen die Bürger das für sie Ungeheuerliche hinnehmen, bis Cramer als gewiefter Verführer auftritt.
Mit geradezu soziologischer Präzision zeichnet Corman ein gesellschaftliches Bild überlieferter, rassistischer Wertvorstellungen. Wenn die Ehefrau eines Journalisten die Integration der schwarzen Schüler für falsch hält, dann gibt sie wieder, was sie schon als Kind gelernt hat. Gründe kann sie nicht nennen. So wie sie hängen auch die meisten weißen Bürger der Stadt den Werten nach, die schon immer „richtig“ waren. Die krebsartige Verbreitung solcher Ansichten spiegelt Corman, indem er alltägliche Orte wie Esstische, Kneipen oder auch Cafés als Refugium rassistischer Gespräche ins Bild rückt. Auf diese fest verwurzelten Ressentiments kann Cramer zurückgreifen, um mit einer flammenden Rede Hass zu schüren, die in Gewalt mündet. Dabei muss er die scheinbar vorhandene biologische Minderwertigkeit der Schwarzen gar nicht nennen. Das Stichwort der „Rassenvermischung“ genügt, um solche Motive an die Oberfläche zu holen. Stattdessen verknüpft er die Integration mit dem Schreckgespenst des Kommunismus, der angeblich hinter den neuen Entwicklungen steht. So ent-steht in Weißer Terror das Bild einer neurotischen Gesellschaft, die irrationale Ängste kultiviert, um eigene Machtansprüche zu erhalten.
Die schwarzen Schüler haben in diesem Klima keine Chance, anerkannt zu werden. Die überkommenen Herrschaftsverhältnisse lassen sich nicht per Dekret hinwegfegen. Corman findet auf die Frage, welches Kraut dagegen gewachsen sei, eine für seinen Film geeignete, reichlich naive Antwort, um das Drama in einer moralischen Wendung zuzuspitzen: Die Dynamik der Gewalt lässt die Menschen über sich selbst erschrecken. Aktuelle Forschungsansätze kommen zu einem anderen Schluss: Nur der Perspektivenwechsel auf die Sicht des „Anderen“ – das immer eine Konstruktion ist – kann rassistische Denkmuster überwinden.
Drive-In Classics No. 7: Weißer Terror (2 DVDs), Regie: Roger Corman, Subkultur Entertainment
Stefan Dabrock ist freiberuflicher Kulturjournalist. Er betreibt unter anderem das Online-Filmportal dvdheimat.de
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.