„Diversity United“ heißt eine Ausstellung mit 90 Künstler:innen aus 34 Ländern, wie es die Pressemitteilung gleich mehrmals hervorhebt. Dass Diversität nur dann Vielfalt bleibt, wenn sie nicht vereint wird, hat niemanden von dem Titel abgehalten. Das muss nicht weiter überraschen, handelt es sich doch bei dieser Großausstellung um ein typisches Erzeugnis deutscher Gremien-, Förder- und Sponsoring-Kultur. Da zählt nicht, was ein Titel sagt, sondern wie er bei Jurys oder Förderern ankommt. Für administrative Konsensmucke eignet sich ein Spruch wie „diversity united“ hervorragend. United hört sich immer irgendwie gut an. Und „diversity“ hält sich stabil unter den Top-3-Buzzwords des Kulturbetriebs.
bs. Dass die Schau sich weder inhaltlich groß mit Diversity beschäftigt noch in der Künstlerliste groß Diversität pflegt, fällt in dieser PR-Logik nicht ins Gewicht. Mit dem Fokus auf „Europäische Kunst“ setzt sie auf einen Eurozentrismus, der einer postkolonial und global begriffenen Diversität gerade entgegensteht. Aber wozu sich um solche Kleinigkeiten kümmern, wenn nur alles gut durchfinanziert ist.Bei dem Hauptsponsor handelt es sich um eine in Braunschweig ansässige Firma, die ihre Kunden mit dem Namen einer US-Metropole ködert. Auf Diversität legt die Marke durchaus Wert, jedenfalls was die Auswahl der Models betrifft. Wie es damit in der Produktion aussieht, lässt sich schwer überprüfen, da das Unternehmen über seine Lieferanten und deren Arbeitsbedingungen kaum Auskunft gibt. Bei dem anderen Sponsor handelt es sich um den insolvenzgestählten und schon einmal wegen Veruntreuung verurteilten ehemaligen Wirtschaftswunderjungen Lars Windhorst. Seiner Stiftung kann man den Willen zum Guten nicht absprechen.Leider hat sich niemand unter den Künstler:innen darum gekümmert, die Sponsoren genauer unter die Lupe zu nehmen. In amerikanischen Institutionen gehört das mittlerweile zum guten Ton und hat zur Implosion etlicher Auswüchse von philanthropischem Kulturgewäsch geführt. Da es sich aber bei den meisten Werken in der Ausstellung schlicht und einfach um gut abgehangene Lagerware handelt, die die Galerien gerne zur Verfügung stellen, war der Spielraum für tatsächliche künstlerische Interventionen von vornherein minimal.Die meisten Kritiker sehen das größte Problem an dieser Ausstellung weder bei den Sponsoren noch bei der Kunst. Viel schlimmer wiegt ein politischer Fehltritt. Geplant war, die Schau nicht nur in Berlin und Paris zu zeigen, sondern auch in der angesehenen Tretjakow-Galerie in Moskau. Überhaupt keine Gnade fand der ursprüngliche Plan, die Schirmherrschaft nicht nur unter den Präsidenten Steinmeier und Macron zu teilen, sondern auch noch das russische Staatsoberhaupt hinzuzuziehen. Darüber wurde berichtet, als handele sich bei Putin, „the Killer“, um den leibhaftigen Satan, mit dem die Organisatoren einen Teufelspakt eingegangen sind. Ob die Ausstellung überhaupt noch in Moskau stattfinden wird, steht infrage, nachdem kürzlich einigen deutschen NGOs, darunter das Zentrum für liberale Moderne und der Deutsch-Russische Austausch, jegliche weitere Aktivität in Russland untersagt wurde. Beide sind an der Initiative Petersburger Dialog beteiligt, die das Projekt mit unterstützt hat. Eine Absage der Ausstellung allerdings würde den Graben zwischen Europa und Russland nur verbreitern. Ohnehin sind die Hoffnungen auf gute Nachbarschaft in Europa in den vergangenen Jahren zerstoben. Stattdessen wurde Russland höchst erfolgreich zum neuen Erzfeind hochdämonisiert.Die Kunstkritik will da nicht zurückbleiben. So zitiert Sonja Zekri in der Süddeutschen höchst angetan den Vergleich mit der Weltausstellung des Jahres 1937 und Stalins und Hitlers Pavillons. Dass dabei Stalin und Hitler in einen Topf geworfen werden und das heutige Russland in eine faschistische Tradition gestellt wird, stört offenbar wenig. Für den Konflikt des guten demokratischen „Westens“ mit dem immerwährend bösen „autokratischen“ Osten gelten derartige Geschichtsklitterungen als opportun. Vielleicht gelingt es am Ende noch, die Leute davon zu überzeugen, dass die wahren Faschisten immer schon in Moskau saßen und dass die Hunnenhorden aus dem Osten uns wieder einmal unterjochen wollen. Eben erst wurde beim jüngsten G7-Gipfel beschlossen, den neuen Kreuzzug gegen das Böse nach den Erfolgen gegen Russland nun weiter nach Osten, gegen China, ziehen zu lassen.Groteskes NebeneinanderDem politischen Willen, die Welt in einen Zustand der Konfrontation zu bringen, können Kulturveranstaltungen kaum dienen. Im Gegenteil: Gegen die in die Hirne eingebrannten Feindbilder bieten sie ein sehr wirkungsvolles Gegengift. So trugen nach dem Zweiten Weltkrieg kulturelle Begegnungen höchst erfolgreich dazu bei, die angeblichen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich zu versöhnen. Nichts hilft besser, eine propagandistische Feindschaft aufzulösen, als die vermeintlichen Gegner von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen. Gerade in Zeiten, in denen ein Anwärter auf ein Ministeramt mit Helm und Schutzweste an der neuen Ostfront posiert, haben gemeinsame Kulturprojekte die wichtige Aufgabe, die Strategie der Spannung zu durchbrechen.Die Forderung, man müsse den politischen Konflikt auf die Kultur ausdehnen, wird die Verhältnisse nicht verbessern. Weder bringt ein Kulturkampf russischen Dissidenten mehr Freiheiten, noch schützt man damit die Menschenrechte in China. Eher das Gegenteil ist der Fall. Mehr Druck führt zu mehr Repression. Nur wer Konflikte nicht mildern, sondern verstärken will, kann den Abbruch kultureller Beziehungen fordern. Aus rein politischen Erwägungen heraus ist eine Ausstellung wie Diversity United deshalb nur zu begrüßen. Noch besser wären tatsächlich künstlerische Interventionen vor Ort, breit gestreut und unter Beteiligung der Bürger, nicht nur der Staatsapparate und ihrer Repräsentanten. Das kann eine viel größere und heilsamere Wirkung entfalten als all die wohlmeinenden Kunstevents zu Migration, Klima oder Ökologie, die an der Politik nichts ändern, sondern ein Publikum suchen und finden, das von der Botschaft ohnehin überzeugt ist.Die bürokratische Mühe, ein Projekt wie diese Ausstellung überhaupt auf die Beine zu stellen und allem politischen Gegenwind zum Trotz durchzuziehen, verdient daher höchste Anerkennung. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der sich auf den nächsten Stationen in Paris und Moskau erbarmt und die Vielzahl an Kunstwerken wenigstens ordentlich installiert. In Berlin gleicht der erste Eindruck dem einer Messe mit ihrem ungeordneten Nebeneinander. Von hohlen PR-Sprüchen und nichtssagenden Kapitelüberschriften wie „Monolog und Dialog“ oder „Action & Abstraction“ umrahmt, steht ein Kunstwerk zusammenhanglos neben dem nächsten. Oft sind sie so eng beieinander installiert, dass sich obskure und groteske Überlagerungen gar nicht vermeiden lassen. Was genau sucht der Stuhl von Tatiana Trouvé vor der versiegelten Jalousie von Kapwani Kiwanga? Und warum schaut man von den Plastikimitat-Gummiblock-Sitzen von Andreas Angelidakis geradewegs auf die Außenwand der Anselm-Kiefer-Installation? Vermutlich soll von dort aus zu dem direkt gegenüber gehängten Marlboro-Mann von Monica Bonvicini eine Art von Verbindung entstehen. Wenn dazwischen nicht die lächerlichen Objekte von Erwin Wurm herumliegen würden.Die Ausstellung zeigt derart viel groteskes Nebeneinander, dass allein das anzusehen, schon wieder großes Vergnügen macht. So verschafft sie neben dem politischen doch auch noch etwas künstlerischen Gewinn. Für Kuratoren und Ausstellungsmacher liefert sie lehrreiches Anschauungsmaterial, was beim Aufbau einer Ausstellung alles danebengehen kann. Dem größeren Publikum bietet sie mit der Anhäufung anerkannter Positionen eine gute Gelegenheit, auf einen Schlag einen Überblick darüber zu bekommen, was in den vergangenen Jahrzehnten auf Biennalen und Großausstellungen dargeboten wurde. Der wirkliche Spannungsbogen des ganzen Vorhabens liegt aber auf der kulturpolitischen Ebene, nämlich in der Frage, ob und unter welchen Verrenkungen es doch noch gelingen kann, mit der Kunstkarawane ins Herz der Finsternis vorzudringen.Placeholder infobox-1
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