Galerien machen zu, in Berlin zuletzt Supportico Lopez und Arratia Beer, trotz sehr guten Programms, in London Lemoncello, Vilma Gold und Murray Guy, alles sehr angesehene Galerien. Künstler verkaufen nichts mehr. In der Kunstwelt gehen die Sorgen um. Vielleicht ist das normal. Alte Läden schließen, neue Läden machen auf. Neue Künstler kommen, alte machen Platz. Manchen Galerien geht es nach wie vor sehr gut. Manche, wenn auch sehr wenige Künstler leben bestens. Aber es gibt dieses Die-Luft-ist-raus-Gefühl im Kunstbetrieb. Ältere Künstler verkaufen kaum noch. Junge Künstler finden keine Galerie. Biennalen interessieren niemanden mehr.
Krisen waren für Kunst oft gut. Künstler waren immer in der Lage, sich selbst neu zu erfinden, und
inden, und sich von altem Ballast zu befreien. Es wird wohl wieder Zeit. Nur ist noch nicht bekannt, was genau der Ballast ist. Die Kunst befindet sich in einer Findungsphase. Was bleibt? Was kann weg? Wie die Antwort auf diese Frage aussieht, wissen wir erst in ein paar Jahren. Einige der Probleme von heute lassen sich allerdings erklären.Dazu hilft eine kurze Geschichte vom Beginn der Moderne bis Instagram. Wir müssen dafür nicht ganz auf Start zurückgehen, also nicht bis zu dem Punkt, als Maler sich „Künstler“ nannten, um so den Tarifvorschriften der mittelalterlichen Zünfte zu entkommen. Für das Ziel, unser gegenwärtiges Missgeschick zu verstehen, genügen knapp 200 Jahre.Der Kult ums OriginalIm Gegensatz zu dem, was uns bis heute gern erzählt wird, war die Moderne nicht nur fortschrittlich, sondern zugleich auch technologiefeindlich und elitär. Das wirkt bis heute nach. Nur der Fortschrittsglaube hat sich verloren. Der Rest ist geblieben.Noch immer gibt es auf Kunstausstellungen hauptsächlich Einzelstücke zu sehen, die nach den Produktionsstandards des 19. Jahrhunderts von Hand fabriziert werden. Der Kult ums Original ist keine Notwendigkeit, sondern eine Dienstleistung an eine Finanz- und Käuferelite, die gern besitzt, was andere nicht haben können. Dafür gibt es einen Markt.Der Fetisch ums Einzelstück entspricht einem Hang zur Elite, der der Moderne von Anfang an eingeimpft ist. Die Masse der Betrachter zählt nichts, wenn es darum geht, das immer Neue, das Andere zu finden. Im Gegenteil. Je schockierter die Masse, desto besser die Kunst. Vergesst das allgemeingültige Urteil des interesselosen Betrachters, das Kant uns so schön ausmalte. Stattdessen zählt – und zahlt – der Geschmack einer Elite.Seit der letzte große Erziehungsversuch von Adorno gescheitert ist, bleibt die Elite in der Kunstwelt lieber unter sich. Die gleichen Zugangsbeschränkungen, die die Reichen von den Armen trennen, reproduzieren sich in der Konkurrenz der Künstler, dem Wettbewerb der Galerien um die Sammler und den Vielflieger-Kuratoren.Die Globalisierung hat diese Lage noch einmal ein wenig verschärft. Für eine Weile brachte das sehr viel Geld in den Kunstbetrieb. Dem großen Kapital folgend, hat sich Kunst in ein globales Geschäft verwandelt. Messen und Biennalen sind dem globalen Finanzströmen gefolgt. Die einen bieten den kaufkräftigen Sammlern rund um den Globus neue Ware an. Die anderen flankieren das Angebot mit einem Ritual der kuratorischen Auswahl, das vorgaukelt, durch Selektion Bedeutung zu produzieren. Symbolisches und reales Kapital gehen dabei Hand in Hand. Kritik braucht es dazu nicht mehr, denn das System hat sich in einem Kult der Exklusivität zwischen Kurator und Käufer kurzgeschlossen.Für die lokalen Produzenten, also die Künstlerinnen, hat das dieselbe Wirkung wie in anderen Wirtschaftssparten auch. Entweder man positioniert sich am Weltmarkt oder man fällt raus. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Sterben der Galerien. Entweder sie fassen am Weltmarkt Fuß, oder sie gehen unter. Mit Sammler-Kleinvieh können sie sich dabei nicht mehr abgeben. Das Geschäft macht man mit den Großen oder gar nicht. Die Mittelschicht stirbt auch hier weg.Die großen Sammler sehen Kunst als Klasse von Investmentgütern und gehen nach den Regeln der Geldanlage vor. Sie wählen die Objekte ihres Investments, sprich Kunstwerke, wie für ein gutes Portfolio aus. Möglichst weit streuen, um Risiken zu vermeiden. Geschmack kann unter diesen Bedingungen gar keine Rolle mehr spielen. Viel zu riskant.Galerien legen sich mächtig ins Zeug, um die Geldbringer zu pampern. Wer etwas auf sich hält, leistet sich Angestellte, die nur die eine Aufgabe haben, Dinner-Partys für reiche Sammler zu organisieren. Ein paar ausgewählte Künstler werden auch noch eingeladen, und vielleicht darf auch der eine oder andere Kritiker am Tisch den Bedeutungsclown spielen. Im Grunde ist gegen dieses System nichts einzuwenden. Wenn Künstler, Galeristen und Sammler es so wollen, spricht nichts dagegen.Es stellt sich nur eine große Frage: Warum sollte man den so produzierten Kunstwerken Bedeutung zusprechen? Es handelt sich um mehr oder weniger dekorative Objekte, hergestellt nach den arkanen Regeln eines Kultes, den niemand mehr versteht. Die Unverständlichkeit ist dabei nicht Versehen, sondern Zweck der Übung und Ergebnis eines fatalen Kurzschlusses. Die Experten, die den Betrieb flankieren, vom Kurator bis zum Kritiker, schätzen Werke, an denen sie ihr Expertentum zeigen können. Im Bemühen, sich dieser Diskursproduktion anzudienen, produzieren auch Künstler immer hermetischere Werke, die dann wieder von Experten erklärt werden können. Der Kreislauf ist fatal und führt den Ausschluss des breiteren Publikums weiter, der mit der Moderne begonnen hat.In einiger Entfernung von der elitären Sammlerkultur hat sich rund um die alten Institutionen ein weites Umfeld einer sehr diversen Kunstwelt angesiedelt. Hier sieht die Lage eigentlich gut aus, wenn man einmal vom Einkommen absieht. Die prekäre Lage schlägt in eine produktive Aneignung von Theorien und Diskursen um. Von Flüchtlingsarbeit bis zu feministischen und politischen Initiativen findet dort vieles, was Sinn macht, seinen Ort. Hier zeigt Kunst, was sie sein könnte, nämlich eine aktivistische Form eines kulturellen Überbaus, der sich von allen Formaten und Regeln befreit hat.Von dort her wäre Kunst eigentlich gut aufgestellt, um die Gespenster der Moderne auszutreiben: Die altertümlichen Produktionsformen mit dem Fetisch des Originals, und den Ausschluss des Publikums, sowohl vom Markt als auch vom Verständnis. Bei diesem Vorhaben gibt es einen überraschenden Verbündeten. Seit alle Leute Bilder machen, sie auf Instagram und anderen Plattformen zeigen und dazu sagen, was ihnen gefällt, wird das Urteil der Betrachter wieder sichtbar. In den Zeiten der sozialen Plattformen wirkt der elitäre Kult der Moderne zusehends hohl. Das große Publikum hat sich längst daran gewöhnt, an Kultur auf andere Weise teilzuhaben. Nicht indem ihnen Museumsvermittler vergeblich versuchen, einen hermetischen und unzugänglichen Kult nahezubringen. Es reicht nicht mehr, zu vermitteln, was dann doch nur die besseren Klassen in ihre exklusiven Sammlungen aufnehmen können. Die Entfremdungsgeschichte der Moderne kommt hier an ein Ende.Wie in der PolitikAuf sozialen Plattformen ist Kunst längst Teil einer Bildermaschine geworden, an der alle mitmachen. Für Qualität im alten Sinn bürgt dort niemand. Kein Wunder, dass die Geschmacksurteile der Vielen oft zu verheerenden Ergebnissen führen. Das lässt sich nicht vermeiden, wenn die von der Moderne ausgeschlossenen Subalternen wieder ihre Sprache suchen. Die paternalistische Haltung, man müsse dem Volk nur erklären, was für es gut ist, verfängt nicht mehr. Die Zeit der Experten und ihrer hermetischen Kunstdiskurse läuft ab. Hier zeigt die Lage der Kunst eindeutige Parallelen zur Politik. Mit abgeschirmten Auswahlritualen, elitären Meinungsmärkten und kuratierten Inhalten wird man nicht mehr weit kommen.Kunst kann die Aufgabe annehmen, indem sie alte Abhängigkeiten über Bord wirft und soziale Teilhabe neu denkt, nämlich jenseits von Vermittlung. So kritisch man sie auch sehen mag, die neuen sozialen Onlineplattformen werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Wenn die Institutionen der Kunst und die Künstler eine Zukunft jenseits des abgehalfterten Experten- und Elitenkults finden wollen, dann sollten sie dort suchen.
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