Wesen befahlen

Kalter Krieg Die CIA förderte von 1950 an Künstler, um die kulturelle Überlegenheit der USA nachzuweisen. Eine Ausstellung in Berlin zeigt, was sie damit bewirkte
Ausgabe 50/2017

Im Jahr 1966 kam heraus, dass die CIA über eine Schattenorganisation namens Congress for Cultural Freedom Kunst gefördert hat. Nicht einmal die schlechteste. Modern, liberal. Der CCF war damit erledigt. Das künstlerische Projekt auch. Nur das politische nicht. Es entwickelte sich zu einer Mischung aus progressivem Zentrum, neoliberaler Ökonomie und humanitärem Militarismus, die die Welt heute noch regiert. Sieht man einmal von Donald Trump ab, der den progressiven Teil gestrichen hat.

In dem Haus, in dem 1960 die Konferenz zum zehnjährigen Bestehen des CCF stattgefunden hat, dokumentiert nun die Ausstellung Parapolitik das Wirken dieser Organisation.

Die jüngeren politischen Ereignisse haben das Thema sehr aktuell gemacht. Seit der Wahl Trumps und mit dem Aufkommen der rechten Populisten in Europa sind politische Debatten aufgebrochen, die es kaum gab, als die Ausstellung konzipiert wurde. Der Kalte Krieg wird zurückgeholt, mit all seinen hysterischen Impulsen. Der böse Russe ist wieder da, auch ohne ideologische Kostümierung. Ob man sich noch einmal so viel Mühe geben wird, die Künste ideologisch zu mobilisieren, erscheint mehr als fraglich. Längst haben soziale Medien die kulturelle Hoheit übernommen.

Die Kuratoren Anselm Franke, Nida Ghouse, Paz Guevara und Antonia Majaca bleiben aber bei dem, was sie sich als Thema vorgenommen haben: Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg. Das ist klug und diplomatisch. Die Übersetzung auf die Lage der Gegenwart bleibt den Betrachtern überlassen. Sie sind aufgefordert, sich mit Blick auf die Geschichte selbst ein Bild von der Lage zu machen.

Polke noch mal neu

Einfaches Lagerdenken oder simple Verschwörungsmuster helfen uns nicht weiter, wenn wir die ästhetische Politik des Councils verstehen möchten. Dazu war die Lage schon damals zu vielfältig, und die eingebunden Figuren zu schlau. Der Ausstellung gelingt es, die Aktivitäten in ihrer Vielschichtigkeit darzustellen. Schauen wir uns das an einem Klassiker an. Vom Van-AbbeMuseum in Eindhoven wurde das berühmte Gemälde von Sigmar Polke geliehen: Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen! Bisher hatte ich das Bild mit der schwarzen Ecke auf weißem Grund und dieser Order in krakeligen Schreibmaschinenlettern als Kommentar auf die Selbstherrlichkeit von Malergenies und zugleich als subversive Umkehrung einer konzeptuellen Geste verstehen wollen, also ganz aus der Kunst der Zeit heraus. In der Ausstellung hängt sie neben buchstäblich hunderten von Dokumenten in derselben Schreibmaschinenschrift. Plötzlich sind die höheren Wesen eben nicht mehr gestaltlos. Sie sind mit Namen genannt. Ihre Befehle wirken subtil, formal und abstrakt, aber sie erreichen die Maler, die im Geschäft bleiben wollen. Natürlich lautet die Order: „Schwarz malen!“ Strategie der Spannung. Dass das Ganze in der rechten oberen Ecke anfängt, braucht man schon gar nicht weiter zu kommentieren. Das Bild hat mich immer schon zum Lachen gebracht. Jetzt doppelt.

Wie eine politische Agenda in ein ästhetisches Programm übersetzt wird, zeichnet die Ausstellung an etlichen Fällen nach. Greifen wir ein Beispiel heraus. Bis vor 20 Jahren war „abstrakt oder figurativ“ unter Malern die erste Frage. In jüngster Zeit hat der Gegensatz an Kraft verloren. Dass es sich um eine politische Front handelte, hatte man vergessen. Doch im Kalten Krieg wurde eine politische Gleichung propagiert, die verkürzt lautet: abstrakt = modern = frei = Westen. Dagegen steht: figurativ = überholt = unfrei = Osten.

An diesem Punkt hätte die Ausstellung vielleicht doch stärker auf die wohl bekannteste, wenn auch nicht einzige wissenschaftliche Aufarbeitung der künstlerischen Seite des Konflikts Bezug nehmen können. Nämlich auf die des französischen Kunsthistorikers Serge Guilbaut, der in seinem Buch Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat die CIA-Aktivitäten um den Zweiten Weltkrieg darstellt. Damals ging es nicht nur darum, die Kunst des Westens als ein ästhetisches Bollwerk gegen den Osten zu formen. Zuerst musste Paris die führende Position im Kunstleben der Moderne entrissen werden, und zwar mit tätiger Mithilfe Nazi-Deutschlands.

Der dokumentarische Teil der Ausstellung endet mit der Implosion des CCF, fast jedenfalls. Es gibt versteckte Hinweise auf Pfade, die weiter und bis in die Gegenwart reichen. Dass George Soros als Schüler Karl Poppers aus dem ideologischen Umfeld des CCF stammt, wird nebenbei erwähnt. Ansonsten legen allein die klug ausgewählten Kunstwerke Wege in die Gegenwart an.

Die zeitliche Selbstbegrenzung auf den Fall CCF mag bei unaufmerksamen Betrachtern den Eindruck hervorrufen, man hätte es mit einem lang vergangenen Vorgang zu tun. Dass man einen ähnlichen Plot auch anders anlegen kann, hat die Whole-Earth-Ausstellung vor vier Jahren im selben Haus gezeigt. Dort wurde in aller Deutlichkeit aufgezeigt, wie aus der Hippie-, Gegen- und Computerkultur die Grundlage der kalifornischen Ideologie wurde, die bis heute das Silicon Valley und die großen Netzwerk-Monopole prägt. Im Vergleich dazu hat man den Eindruck, als schrecke Parapolitik vor der Vergegenwärtigung zurück.

Ein Fehler ist das, wie gesagt, nicht. So bleibt es die Aufgabe des Betrachters, sich die wichtigste Frage zu stellen: Was sagt die Geschichte der politischen Ästhetik im Kalten Krieg über das, was wir vom neuen Kalten Krieg in Sachen Kunst erwarten können? Die Unterschiede zwischen damals und heute sind dabei durchaus bedeutsam. In den 1950ern galt Kunst noch als kultur- und identitätsstiftende Praxis. Davon sind wir heute recht weit entfernt. Die Frage nach der politischen Lage und Wirksamkeit der Kunst stellt sich trotzdem. Gute Ausstellungen fordern vom Betrachter, das Gezeigte selbst zu vervollständigen und weiter zu denken. In dem Sinn funktioniert Parapolitik ganz ausgezeichnet.

Glitzer unter Verdacht

Das macht die Aufgabe nicht leichter. Denn der historische Vergleich zeigt einen bedenklichen Zusammenhang. Es war gerade nicht die offensichtlich politische Kunst, die instrumentalisiert wurde, sondern genau die Kunstformen, die eben als die fortschrittlichsten, die aufgeklärtesten und modernsten erschienen. Das ist eine Lektion, die sich auf die Gegenwart übertragen lässt. Nur weil manche Arbeiten glitzern, stehen sie nicht schon auf der falschen Seite (das wurde ernsthaft behauptet), ebenso wenig stehen Kunstaktionen automatisch auf der richtigen, nur weil sie ostentativ ihre politische Schönheit hervorkehren.

Wenn die Ausstellung eines eindringlich verlangt, dann ist es die Bemühung, auch Kunstwerke der Gegenwart gegen den Strich zu lesen, nämlich nicht allein als Auseinandersetzung der Künstler mit den Machtverhältnissen, sondern zugleich und versuchsweise auch als deren Ausdruck.

Info

Parapolitik: Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg Haus der Kulturen der Welt bis 8. Januar 2018

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