Komeda und sein Einfluss

Festival Jazzfest Berlin Das Jazzfest in Berlin wird zum letzten Mal von Nils Landgren verantwortet. Und sucht nach Spuren, die der Pole Krzysztof Komeda bei seinen Landsleuten hinterlassen hat

Um es vorweg klarzustellen: Das Berliner Jazzfest ist nicht irgendeines der zahlreichen Jazzfestivals, die in den letzten Jahrzehnten aus dem Boden geschossen sind. Es hat Ruf und Geschichte als eines der am längsten bestehenden und am besten ausgestatteten deutschen Festivals, das in seiner Rolle als Schaufenster der Systemüberlegenheit des Westens den Jazz in konkurrenzloser Breite vorstellte. Vom Populismus der Klassiker bis zum Elitismus der Avantgarden, von der Darstellung des amerikanischen Wurzelwerks bis zur Schau seiner betörenden Blüten in einer Krone, die sich aus weltweit differenzierten Zweigen zusammensetzt.

Das Jazzfest hat Glanz und Gloria – und also auch etwas zu verlieren, daran misst es sich jedes Jahr neu. Und daran misst sich auch der Erfolg von Nils Landgren, dem künstlerischen Leiter, der sich mit der aktuellen Ausgabe des über 40-jährigen Festivals nach vier Jahren aus Berlin verabschiedet.

Im Zentrum des diesjährigen Jazzfests, das am Sonntag zu Ende ging, stand der aktuelle Jazz aus Polen und besonders der Einfluss, den der 1969 kurz vor seinem 38. Geburtstag gestorbene Krzysztof Komeda auf die jüngeren polnischen Musiker ausübt. Komeda hatte sich in den sechziger Jahren mit seinen Musiken zu Filmen von Regisseuren wie Roman Polanski oder Andrzej Wajda in die Öffentlichkeit der Welt komponiert. Was nun seinen Einfluss auf die nachwachsenden Musiker Polens betrifft, lässt sich nach dem Jazzfest sagen: Er ist gering.

Kauziger Humor

Wohl greifen der Pianist Leszek Mozdzer oder der Saxofonist Adam Pieronczyk Themen von Komeda auf, doch sie tun es so, wie heutzutage viele Musiker ein Thema aufgreifen: als Leitmotiv für das neueste Projekt, als eine Geschichte, die man zu ihrer Musik erzählen kann, als eine Erinnerung an den Moment, in dem man eine Melodie schon einmal gehört hat, an das Bild, mit dem sie verknüpft war.

Die Musik, die beide auf Basis dieser Kompositionen spielen, bleibt jedoch von den kompositorischen Hintergedanken des Komponisten unberührt. Pieronczyk liefert eine Lehrstunde in kühlem, zeitgenössischem Mainstream, während Mozdzer dem Affen Zucker gibt und sich im Glanz seiner klassischen Virtuosität sonnt. Wie das ist, wenn man sich tiefer in die Welten Komedas einspielt, das muss dann schon ein Alter demonstrieren. In der Vision des Trompeters Tomasz Stanko, eines Weggefährten Komedas, lebt der Klang plötzlich auf. In den knurrigen Melodielinien des Trompeters ist zu hören, was Komeda getrieben haben mag, die abgrundtiefe Melancholie, der kauzige Humor, die stoische Unbeirrbarkeit auf Pfaden, die nicht ausgetreten sind. So gab erst der Auftritt von Stanko und seinem Sextett dem polnischen Schwerpunkt das Gewicht, das ihn bei diesem Festival rechtfertigt.

Weitere Highlights zählten eher in die Kategorie der Klassiker – das betörend warme Zusammenspiel des Saxofonisten Charles Lloyd mit der griechischen Sängerin Maria Farantouri oder das junge deutsche Trio „em“ um den Pianisten Michael Wollny, das in diesem Jahr sein Debüt beim Jazzfest gab. Als Senkrechtstarter des letzten Jahrzehnts haben es die drei Musiker europaweit längst zu großer Popularität gebracht.

Zwischen den Highlights blieb es häufig lau. Vielleicht hatte sich Nils Landgren zum Abschied zu viele Freunde geladen. Vielleicht wollte er aber auch nur seinem Nachfolger, dem Leipziger Jazzpublizisten Bert Noglik, einen fulminanten Einstieg erleichtern.

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