In dieser Debatte ist zuletzt Michael Jäger, ein langjähriger Begleiter des früheren Crossover-Diskurses, auf die Widersprüche innerhalb der SPD-Linken eingegangen, während Christoph Spehr die Rückkehr zu einem solchen Diskurs grundsätzlich ausgeschlossen hat, solange die SPD nicht kollektiv erklärt: "Ja, Hartz IV ist eine Schande, wir haben einen Fehler gemacht und werden ihn korrigieren." Geschehe dies nicht, dürfe es keine neue linke Debatte über eine Koalitionsfähigkeit der SPD nach links geben.
Es spricht viel dafür, dies zu hinterfragen. Orientiert man sich an Jäger, setzt das die Bereitschaft voraus, Parteien nicht als homogen zu betrachten, sondern als differenzierte, teils widersprüchliche Phänomene wahrzune
e wahrzunehmen. Hält man sich an Spehr, dann gilt: die SPD sollte als parteipolitische Gesamtheit - personell wie institutionell - wegen der Zustimmung der Parteigremien zu den Hartz-Gesetzen aus der Linken quasi ausgeschlossen werden. Spiegelbildlich argumentiert die SPD-Führung, wenn sie versucht, der LINKEN das linke Etikett abzusprechen. Beides verhindert Veränderungen, die durch Brücken zwischen der Minderheit in der SPD, die für einen sukzessiven Wechsel des Parteikurses eintritt, und der LINKEN möglich würden. Deren gewachsene Stärke und Stabilität als linke Volkspartei in den ostdeutschen Ländern und der Berliner Landesregierung sollte selbstbewusst für Veränderung nach links genutzt werden, statt Ultimaten zu stellen. Es wäre falsch, wollte die LINKE Schranken errichten und den Einlassdienst zum linken Diskurs übernehmen.Ausfall der GrünenEin Crossover, wie es von Jäger und auch Böhning/Hoff in dieser Debatte favorisiert wird, ist zwar darauf angelegt, Erkenntnisprozesse in den Gesamtparteien auszulösen und deren Handeln auf einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft zu richten, doch werden die Träger eines solchen Diskurses erst einmal nur Parteiflügel vertreten. Jäger hat die Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft (spw) für das linke Spektrum der SPD genannt - mit dem forum demokratischer sozialismus (fds), das durch die Landtagsabgeordneten Inga Nitz (Bremen), Caren Lay (Sachsen) und Stefan Liebich (Berlin) koordiniert wird, wäre auf eine neue Strömung innerhalb der LINKEN zu verweisen, getragen vorzugsweise durch Akteure der ehemaligen PDS."Wir wollen die Gesellschaft verändern und dafür um stabile, dauerhafte Mehrheiten werben", heißt es im Gründungsaufruf des Forums. Dass diesem Anspruch die LINKE nicht allein folgen kann, liegt auf der Hand. Das Anknüpfen an den früheren rot-rot-grünen Crossover-Diskurs, an dem sich viele der heutigen fds-Akteure beteiligt haben, erscheint erfolgversprechend, auch wenn man vermutlich weitgehend ohne die Grünen auskommen müsste. Dort hat der linke Parteiflügel spürbar an Einfluss verloren. Besonders die ohne Nachruf erfolgte Einstellung des Magazins andere zeiten - viele Jahre ein Aushängeschild kluger, radikalreformerischer grüner Politik - ist ein Indiz dafür.Ein linker Crossover-Diskurs wäre von Relevanz, um die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern zu ändern. Zugleich könnten bereits vorhandene Gesprächsforen in den ostdeutschen Ländern und in Berlin ein Anstoß für linke parteiübergreifende Debatten auf Bundesebene sein.Die LINKE ist - verglichen mit den neunziger Jahren - nicht mehr die alte ostdeutsche PDS. Sie ist im Osten eine der drei großen Volksparteien und im Westen keine Kleinstpartei, sondern eine Formation, die mit Grünen und FDP um den dritten Platz im Parteienspektrum streitet. Künftig sind neben Bremen auch Landtagsfraktionen im Saarland, Hamburg und anderswo nicht ausgeschlossen. Sollte die Partei in mehrere westdeutsche Landtage einziehen, wäre eine Debatte um Koalitionsoptionen unausweichlich. Im Saarland wie in Hamburg könnte auf diesem Wege die Ablösung von CDU-Ministerpräsidenten diskutiert werden.Beispiel BerlinDa es aber weniger um rechnerische Mehrheiten als um soziale und ökologische Reformalternativen gehen muss, erscheint - sofern er nicht schon existiert - ein regionalisiertes linkes Crossover erforderlich. Dabei kann auf Erfahrungen der PDS zurückgegriffen werden. Die Partner der ersten rot-roten Koalition in Schwerin verband 1998 vor allem ein Konzept, das auf ein arbeitsmarktpolitisches Umsteuern in Richtung "Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor" orientierte. Als SPD und PDS vier Jahre später zu einer zweiten Amtszeit antraten, taten sie das als völlig normale Koalition, die Vorhaben auf vielen Politikfeldern verfolgte. Auch Rot-Rot in Berlin wurde trotz vielfältiger inhaltlicher Vorarbeiten zwischen PDS und SPD zunächst als "Spar-Koalition" betrachtet. Dann aber erweiterte sich das politische Aktionsfeld - der Entschluss der Linkspartei gegen Ende der Legislatur 2001-2006, sich auf drei linke Projekte - die Überwindung des gegliederten Schulsystems, die Einführung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors und das Prinzip Sanieren statt Privatisieren bei öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge - zu konzentrieren, kann ein Beispiel auch für Wahlkämpfe in anderen Bundesländern sein.In ähnlicher Weise legte die sächsische Linkspartei mit dem Alternativen Landesentwicklungskonzept (Aleksa) 2004 ein eigenes Reformprogramm vor. Und die Linkspartei in Sachsen-Anhalt hat - durchaus auch in Reaktion auf die von Jens Bullerjahn (SPD) vorgelegte Studie Sachsen-Anhalt 2020 - ihre Untersuchung Sachsen-Anhalt 2020 - Innovation und soziale Gestaltung für ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt präsentiert.Über Ländergrenzen hinweg böten zudem die mit dem Solidarpakt II absinkenden Zuschüsse für den Osten und der Hang reicher Bundesländer zu mehr Wettbewerb im Zeichen der Föderalismusreform sinnvolle Ansatzpunkte für multilaterale Debatten der Linken. In allen ostdeutschen Ländern wie in den strukturschwachen Regionen Westdeutschlands - von Bremen bis zum Saarland - muss die Frage beantwortet werden, wie eine Mezzogiorno-Perspektive zugunsten gleichwertiger Lebensverhältnisse überall in Deutschland verhindert werden kann.Derartige Diskussionen, die sich stets am Willen zur Veränderung messen lassen, attraktiv und öffentlich in und zwischen den linken Parteien zu führen, statt sich zu beleidigen ("Zombies") und Vorbedingungen zu formulieren, ist Voraussetzung für Vertrauen und Respekt bei Wählerinnen und Wählern sowie zwischen den Parteien.Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die LINKE im Berliner Abgeordnetenhaus und Koordinator des forums demokratischer sozialismus/www.forum-ds.de.