No hope without dope

B-Probe aufs Exempel Sauber, Olympia: Ein Vorschlag, wie wir's schaffen, dass am Ende genau die auf dem Treppchen stehen werden, die auch da hingehören.

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Nu’ ist es ja bald schon wieder soweit. Nicht Heilig Abend, keine Sorge, so schnell ist das Jahr nun auch wieder nicht rum. Aber so was Ähnliches steht uns bevor: die Olympischen Spiele. Erstmals auf dem südamerikanischen Kontinent, in Rio de Janeiro. Sie wissen schon: Samba. Bossa Nova. Copacabana. Ipanema. Christo Redentor. Zuckerhut. Körper wie gemalt. Karneval ohne Ende. Paradies auf Erden. Aus dem ein paar Cariocas in die umliegenden Favelas und noch weiter vertrieben wurden. Na ja, egal, die paar Millionen gucken sich weg.

Aber nun kommen plötzlich so ein paar Spielverderber aus den Löchern gekrochen. Echte Spaßbremsen. Der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaates zum Beispiel. Rief die Pappnase doch gerade eben tatsächlich den finanziellen Notstand aus. Hätte der damit nicht wenigstens noch ein paar Wöchelchen warten können? Muss er denn ausgerechnet jetzt solch einen Aufstand um die paar Kröten machen, wo doch die ganze Welt auf Rio schaut?

Und als ob das nicht schon genug wäre, kommt auch noch Peer Sebastian Coe daher, der als Mitglied des House of Lords in Zeiten des Brexit wahrlich andere Probleme hat als uns misanthropisch zu verkünden, dass die russischen Leichtathleten nicht an diesen überaus heiteren Spielen teilnehmen dürfen. Warum eigentlich nicht? Etwa, weil sie flächendeckend gedopt haben? So wie die kenianischen Langläufer, jamaikanischen Sprinter, bulgarischen und aserbeidschanischen Gewichtheber, türkischen und iranischen Ringer, spanischen, deutschen, belgischen, italienischen und französischen Radfahrer, rumänischen Diskuswerfer oder – ja, welcher ambitionierte Sportler eigentlich nicht?

Dem werten Baron Pierre de Coubertin war’s doch schließlich auch schnurzpiepe, dass die Olympische Idee, wie 1936 in Berlin, politisch oder, wie 1932 in Los Angeles, werblich vereinnahmt wurde – Hauptsache, die Spiele wurden grandios gefeiert. Warum sollten sich an ihm, dem Vater der neuzeitlichen Spiele, die Sportler nicht ein leuchtendes Beispiel nehmen und ebenso grandios feiern dürfen? Sehen Sie.

Um grandios feiern zu können setzt es aber zumeist einen grandiosen Sieg voraus. Getreu dem olympischen Motto, das nun mal nicht ganz ohne Grund eben nicht ‚Dabeisein ist alles’ sondern ‚citius, altius, fortius’ heißt. Genauer gesagt, da es sich ja um einen Komparativ handelt, der immer ein Vergleichsobjekt benötigt: Schneller, höher, stärker als alle anderen. Wie das gehen soll, wenn da nicht genau das getan wird, was immer schon bei solchen Gelegenheiten getan wurde, dann wird das nix mit der ausgelassenen Feierei. Zumindest nicht in der Regel. Und erst gar nicht bei diesen Spielen: No hope without dope.

Jetzt haben wir aber den Salat, den uns da der gute Herr Coe eingebrockt hat. Die Russen sind weg – es leben die sauberen Spiele! Und am Arsch en Trötchen. Ich seh’s schon kommen: Da werden die nächsten Wochen wieder zig tausende Dopingproben genommen, aufwändig versiegelt und in zehn Jahren nach den allerneuesten Standards geöffnet und untersucht. Was – wir kennen doch unsere Pappenheimer! – wie immer dazu führen wird, dass am Ende dutzende ehedem strahlende Sieger in den Orkus der gefallenen Engel rauschen werden.

Echt dolle Nummer: Da stehen am D-Day der Spiele wandelnde Chemiecocktails frohlockend, freudentränenüberströmt und lorbeerbekränzt auf dem Treppchen, lassen sich von Gott und der Welt huldigen, genießen Ruhm, Ehre und fürderhin jede Menge Tantiemen – während auf der anderen Seite den armen grauen Mäuse, namenlose Verlierer, dann, wenn sie längst schon von der sportlichen Bühne abgetreten sind, wenn keiner, vor allem kein Sponsor oder Vermarkter, sich mehr an sie erinnert, endlich per Post, Einschreiben mit Rückschein, die verdienten Medaillen überreicht werden.

Warum lassen wir die Wettbewerbe in Zukunft denn nicht einfach unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden – und verlegen die Übertragung inklusive Siegerehrung bis nach der Öffnung der B-Probe? Hilft auch nicht weiter, ich weiß. Aber dann stehen am Ende wenigstens die auf dem Treppchen, die da hingehören...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Oehm

Studium der Philosophie, Germanistik, Pädagogik; Schwerpunkt Linguistik. Ehemals Co-Geschäftsführer einer Galerie, heute Creative Director.

Stefan Oehm

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