"Da machen wir als Linke nicht mit"

Im Gespräch Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linkspartei spricht über Blockupy und die Zukunft von Rot-Rot-Grün. Große Hoffnungen werden dadurch jedoch nicht geschürt

der Freitag: Die Linke versteht sich als Bewegungspartei. Sie war bei den Blockupy-Protesten stark vertreten. Besteht da nicht die Gefahr, dass sie zu sehr Einfluss auf die Bewegung nimmt?

Janine Wissler: Man muss aufpassen, dass man als Linke ein Teil der Bewegung ist und sie nicht vereinnahmt. Sie hat bei der Vorbereitung und auch bei der Mobilisierung einen wichtigen organisatorischen Beitrag geleistet. Blockupy ist aber viel breiter als die Linkspartei

Dieses Jahr waren bei den Blockupy-Protesten weniger Menschen als in den Jahren zuvor. Woran hat es gelegen?

Die Organisatoren haben es geschafft, dass in den letzten zwei Jahren jeweils 20.000 Demonstranten an den Protesten in Frankfurt teilgenommen haben. Dieses Jahr waren die Proteste dezentralisiert, es gab keine zentrale Demonstration. Die Blockupy-Proteste sind allerdings noch nicht vorbei: Im Herbst findet die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale statt und ich hoffe, dass es uns gelingen wird viele Tausende Demonstranten nach Frankfurt zu bringen.

In Spanien verlief es auch nicht gut. Nur etwa 1000 Demonstranten nahmen auf der „Puerta del Sol“ in Madrid teil, dem zentralen Platz, wo vor vier Jahren die Empörten-Bewegung entstand.

Bewegungen verlaufen nicht geradlinig. Es ist sehr schwierig Bewegungen dauerhaft zu festigen. Es gab dort in den letzten Monaten und Jahren Massenproteste der Gewerkschaften gegen die Sozialkürzungen. In Deutschland müssen wir diskutieren, wie wir Bewegungen bundesweit aufbauen können. Gerade wenn wir in Osteuropa einer wachsenden Kriegsgefahr entgegensehen, brauchen wir eine stärkere Friedensbewegung. Leider ist es der Friedensbewegung bisher nicht gelungen viele Menschen auf die Straße zu bringen.

Sollten die Proteste im Herbst ähnlich enttäuschend verlaufen, welchen Stellenwert hat Blockupy dann noch?

Wir sind zunächst mit der Frage beschäftigt, wie möglichst viele Menschen nach Frankfurt zu mobilisieren sind, um im Herzen des Finanzkapitals ein Zeichen gegen die Politik der Troika zu setzen. Deswegen stellt sich diese Frage für uns jetzt nicht.

Die vergangene Europawahl hat entscheidende Veränderungen mit sich gebracht. Syriza wurde zur stärksten Kraft in Griechenland gewählt und gewann sechs Sitze. In Spanien erhielt Podemos, die aus der Empörten-Bewegung entstandene Partei aus dem Stand fünf Sitze und die Vereinigte Linke hat nun sechs anstelle zwei Sitzen. Griechenland und Spanien haben nun ein Übergewicht innerhalb der Linkenfraktion im europäischen Parlament. Ist es für die deutsche Linkspartei kein Problem, dass sie nicht mehr die meisten Abgeordneten stellt?

Es geht hier nicht um nationale Rivalitäten. Für uns ist klar: je größer die Fraktion im EU-Parlament ist, desto besser ist es für die Europäische Linke. In den Krisenländern Spanien und Griechenland wurde ein Zeichen durch das starke Abschneiden der linken Parteien gesetzt. Daher freuen wir uns, dass Syriza die Wahl in Griechenland gewonnen hat, besonders, wenn man bedenkt, dass die Partei vor einigen Jahren noch eine unbedeutende Rolle in Griechenland gespielt hat. Alexis Tsipras war unser europäischer Spitzenkandidat. Wir glauben auch, dass Podemos eine Bereicherung für die Europäische Linke im EU-Parlament sein wird. Das macht die Europäische Linke stärker, breiter und bunter. Natürlich haben wir uns auch in Deutschland gewünscht mehr Abgeordnete zu stellen. Zwar konnten wir unser Ergebnis halten, jedoch haben wir einen Sitz verloren.

Syriza, ihre Schwesterpartei, gilt als linksradikale Partei. Sehen Sie darin ein Problem für eine rot-rot-grüne Koalition 2017?

Wenn wir über Rot-Rot-Grün reden, dann müssen wir über Inhalte reden. Regierungen sind schließlich kein Selbstzweck. Wenn ich aktuell sehe, dass die Große Koalition Ausnahmen beim Mindestlohn macht oder das Asylrecht aushöhlt, dann besteht die Aufgabe der Linkspartei derzeitdarin, eine konsequente Oppositionspolitik zu machen.

Zumindest ein Teil ihrer Partei strebt aber ein rot-rot-grünes Bündnis 2017 an, obwohl SPD und Grüne im Bundestag durch ihre Stimmen der Austeritätspolitik der EU-Troika und der damaligen Bundesregierung zugestimmt haben. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

In unserem Grundsatzprogramm steht sehr deutlich, dass wir nicht bereit sind eine Regierung zu unterstützen, die Bundeswehrsoldaten in Kriege schickt, die Sozialabbau und Privatisierungen betreibt. Da machen wir als Linke nicht mit. Ich bin sehr skeptisch, ob es 2017 gerade auf Bundesebene zu einer Regierungsbeteiligung der Linken kommen wird. Ich sehe bei vielen Fragen, zum Beispiel bei der Austeritätspolitik oder bei vielen außenpolitischen Fragen keine Schnittmengen mit SPD und Grünen. Da kann die Schlussfolgerung nicht sein, dass die Linke ihr Grundsatzprogramm in die Tonne tritt. Wir werden nicht „Ja“ zu Auslandseinsätzen sagen oder plötzlich doch sogenannte „Rettungspakete“ mitbeschließen, die in Wahrheit Verarmungsprogramme sind, nur um zu regieren. Damit würden wir uns als Partei auch überflüssig machen.

Das Gespräch führte Stefan Simon

Janine Wissler, 33, ist seit Mai 2014 stellvertretende Parteivorsitzende der Linken und seit 2009 Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag. Wissler hat die Blockupy-Proteste mitorganisiert. 2004 wurde sie in der WASG aktiv. 2012 kandidierte sie als Spitzenkandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main. Neben ihrer Parteizugehörigkeit ist sie Mitglied bei attac, ver.di und dem trotzkistischen Netzwerk marx21

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Geschrieben von

Stefan Simon

Journalist in Süd-Ost-Niedersachsen, kommt aber eigentlich aus Süd-Hessen. Schreibt jetzt wöchentlich über politische und gesellschaftliche Themen.

Stefan Simon

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