In Thüringen herrscht vor der Landtagswahl eine wilde Debatte über eine mögliche rot-rote oder rot-rot-grüne Koalition. Dass daraus etwas wird, darf man bezweifeln – denn schon haben die Sozialdemokraten wieder das Bild der „Roten Socke“ ausgepackt, um eine Koalition mit der Linkspartei zu verhindern. Die CDU nimmt diese Stoßrichtung im Wahlkampf dankbar an und warnt die Bundes-SPD vor einer rot-roten Koalition in Thüringen. Und die Grünen Schauen sich das Theater auf Landesebene aus weiter Ferne an und reagieren zurückhaltend auf die Frage eines möglichen Dreierbündnisses.
Schwarz-Grün ist 2017 möglich
Im Bund fallen deutlichere Worte – jedoch in eine ganz andere Richtung. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ betonte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, dass Schwarz-Grün 2017 möglich sei. Aus der CDU hört man ähnliche Stimmen: Horst Seehofer sagte in der Welt am Sonntag, dass Schwarz-Grün schon bei der letzten Bundestagswahl möglich gewesen wäre, wenn der damalige Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin nicht mit am Tisch gesessen hätte. Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach sich für eine Koalition mit den Grünen aus.
Die Zeichen stehen also auf Schwarz-Grün. Was sollte auch aus Sicht von CDU und Grünen dagegen sprechen? In Hessen funktioniert die Konstellation gut – und das Bundesland hat den Ruf als Experimentierfeld für die Bundesebene. So war es auch 1985, als in Hessen die erste rot-grüne Landesregierung beschlossen wurde und sich in den folgenden Jahren als feste Koalitionsgröße etablierte.
Es scheint, als sei der Zug für ein linkes Dreierbündnis längst abgefahren. Die alleinige Schuld trägt jedoch nicht die Linkspartei, wie es in der Öffentlichkeit häufig wahrgenommen wird, sondern überwiegend SPD und Grüne. R2G ist das Bündnis der verpatzten Chancen. 2007 scheiterte in Hessen eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken an vier SPD-Abweichlern. Im Saarland kam es 2009 wegen den Grünen nicht zu einer rot-rot-grünen Regierung. Im selben Jahr kam in Thüringen das Dreierbündnis nicht zustande, weil die Linken unvorbereitet in die Koalitionsverhandlungen gingen. Ende November 2013 waren auch die Koalitionsverhandlungen in Hessen erfolglos, weil die Linke nicht bereit war, die Sparpläne von SPD und Grünen mitzutragen.
Der Stachel der Ära-Schröder saß Tief
Der Umgang der SPD mit ihrer ungeliebten linken Konkurrenz nährte das Scheitern von R2G und den Boden für Schwarz-Grün. Die Sozialdemokraten haben zu lange gebraucht, um sich der Linken anzunähern. Sie ließen sich auch von Medien und Konservativen beeinflussen, die immer wieder mit der „Roten Socke“ drohten. Erst auf dem Leipziger Parteitag im November 2013 beschlossen die Sozialdemokraten nach der verlorenen Bundestagswahl, eine mögliche Koalition auf Bundesebene mit der Linkspartei nicht grundsätzlich auszuschließen.
Zu spät. Es wäre klug gewesen, sich schon vor der letzten Bundestagswahl für ein R2G-Bündnis zu öffnen. Mit Peer Steinbrück, einen der Architekten der Agenda 2010, war es jedoch nicht zu machen. Zu tief saß der Stachel der Schröder-Ära. Der außenpolitische Isolationskurs der Linken tat sein übriges dafür, dass sich die potentiellen Koalitionspartner weiter voneinander entfernten.
Die Grünen scheinen diese Kämpfe nur am Rande zu interessieren – sie sehen nach neun Jahren Oppositionsbank vor allem ihre Chance auf eine Regierungsbeteiligung. Die Kritiker aus dem linken Lager der Partei sind verstummt. Seit dem Rücktritt von Jürgen Trittin haben die Fundis ihren Wortführer verloren und wirken planlos, dem Fraktionschef und Vertreter der Fundis, Anton Hofreiter, fehlt es an Präsenz und Ausstrahlung. Stattdessen haben die Realos das Zepter in die Hand genommen.
Es ist ein günstiger Zeitpunkt, denn der bisher größte ideologische Konflikt mit den Christdemokraten, die Atomenergie, ist gelöst. Die CDU hat in der schwarz-gelben Regierungszeit den Atomausstieg beschlossen. Und soziale Themen überlassen die Grünen ohnehin lieber den roten Parteien, nachdem sie sich nach der letzten Bundestagswahl daran die Finger verbrannt haben. Es passt schließlich auch nicht so Recht zum eigenen bürgerlichen Klientel.
Und selbst wenn der Fall eintreten sollte, dass Bodo Ramelow Ministerpräsident in Thüringen und eine rot-rote oder rot-rot-grüne Koalition entstehen würde – an den Begebenheiten im Bund wird es nicht mehr viel ändern.
Die CDU kann sich die Hände reiben, denn sie haben ihre Machtoptionen gesichert; ob mit Sozialdemokraten oder Grünen, beide würden als Juniorpartner zur Verfügung stehen. Die SPD hingegen hat ihre Machtoption für die nächsten Jahre verspielt. Die Sozialdemokraten liebäugelen für die nächsten Wahlen in Hamburg sogar mit der FDP. Einige Genossen hoffen auf eine Renaissance der sozial-liberalen Ära, doch diese Option ist in absehbarer Zeit noch unwahrscheinlicher als das Märchen von Rot-Rot-Grün.
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