Die Angst vor der roten Socke

Hessen-Wahl Thorsten Schäfer-Gümbel lehnt Rot-Rot-Grün nach der Hessen-Wahl ab – warum macht er nicht die Hannelore?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es war für mich wie ein Paukenschlag. Da fuhr ich gemütlich auf der A5 irgendwo zwischen Darmstadt und Frankfurt und was höre ich da im Radio? Thorsten Schäfer-Gümbel, dem schon gefühlte 5000 mal die gleiche Frage gestellt wurde, ob er mit der Linken eine Koalition bilden möchte nach der Wahl, falls es für Rot-Grün nicht reichen sollte, lehnt besagte Koalition ab. Immer wieder kam dieselbe Antwort. Es werde für Rot-Grün reichen, denn die Linke schaffe es nicht in den Landtag. Doch dieses mal platzte ihm wohl der Kragen und er antworte ganz salopp, wenn die Linke es packen sollte, dann werde die schwarz-gelbe Landesregierung geschäftsführend weiter regieren. Und zack sitzt er in der Ypsilantifalle! Noch mal zur Erinnerung. Andrea Ypsilanti, anno 2008 Spitzenkandidatin der SPD hatte vor der Wahl eine Tolerierung und Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen, doch dann wollte sie doch, aber vier Abweichler der Sozialdemokraten verweigerten ihr die Gefolgschaft. Ein Jahr später kam es zu Neuwahlen, die SPD wurde ganz brutal abgestraft, Schwarz-Gelb bedankte sich und die CDU regierte fünf Jahre weiter.

Hessische Verhältnisse reloaded

Genau in diesen fünf Jahren hat TSG (Thorsten Schäfer-Gümbel für alle Nichthessen) das Vertrauen bei der hessischen Bevölkerung für die SPD wieder zurückgeholt. In Umfragen lag sie teilweise gleichauf mit der CDU. Rot-Grün lag mal vorn, dann mal wieder nicht. Das wichtigste aber, die Sozialdemokraten waren wieder glaubwürdig. Und nun das. Auch wenn er formell eine Koalition nicht ausgeschlossen hat, denn es könnte ja möglicherweise irgendwann in den nächsten Monaten zu Verhandlungen kommen. Trotz allem, mit dieser Aussage könnte er viel Zenit bei den Bürgerinnen und Bürgern verspielt haben. Wieso geht TSG diesen riskanten Weg? Warum macht er den gleichen Fehler wie damals Andrea Ypsilanti? Hat er etwa Angst, dass die CDU die rote Socke aus ihrem Repertoire herausholt? Ich erinnere mich noch an dieses Plakat, welches ich in der Form eher aus den Geschichtsbüchern zu Zeiten der Weimarer Republik kannte. Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen! Ja, das war die Roland Koch-CDU. Naja, einfach keine Koalitionen ausschließen, wie die Grünen oder Hannelore Kraft. Das wäre der einfachste Weg gewesen. Wenn es für Rot-Grün nicht gereicht hätte wäre der Weg frei gewesen für ein linkes Dreierbündnis oder eine Minderheitsregierung mit Tolerierung der Linken. Dann vielleicht die Hannelore machen, Neuwahlen, satte rot-grüne Mehrheit holen und der Tropf wäre gelutscht. Aber nein, man möchte ja lieber die hessischen Verhältnisse beibehalten.

Ein ebenso gravierender Fehler ist die zu große Verlässlichkeit auf Umfragen. Die Berater von TSG hätten ihn lieber mal vorwarnen sollen und ihm ins Ohr flüstern können, dass bei allen Umfragen eine Fehlertolernz von plus/minus 2-4 % vorliegt. Also ist die Möglichkeit vorhanden, dass die Linke zum dritten Mal in Folge in den hessischen Landtag einzieht. Auch besteht die Wahrscheinlichkeit,dass Rot-Grün die Wahl gewinnt oder Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Es ist vieles möglich, doch mit diesem sich selbst hingelegten Stolperstein verunsichert TSG Wählerinnen und Wähler der SPD, der Grünen und der Linken.

Die hessische rechtsaußen CDU, sowie ihr rechtsaußen Partner der FDP reiben sich die Hände. Immer wieder schaffen es die Genossen es ihren Gegner so leicht zu machen. Über das Ausschließen mit der Linken muss man gar nicht weiter eingehen. Viel mehr stört dieses arrogante Auftreten von TSG und das knapp zwei Wochen vor der Wahl. Vielleicht geht sein Plan auch auf und es reicht am Ende für Rot-Grün. Sollte das nicht passieren dürfte seine Karriere schnell vorbei sein und Hessen muss sich weitere fünf Jahre mit dieser Regierung herumplagen. Schaut man sich die Lage in Hessen an, die extreme Wohnungsnot im Rhein-Main-Gebiet, vor allem in Frankfurt und Darmstadt, das Problem mit dem Fluglärm etc. Da ärgert man sich umso mehr über dieses Statement. Die Hoffnung ist groß, dass diese Regierung endlich abgewählt wird, aber die Unsicherheit ist eben so vorhanden. Wähle ich die Linke oder SPD? Ist es wirklich eine verschenkte Stimme, wenn ich die Linke wähle? Was passiert, wenn ich die SPD wähle und am Ende gewinnt Schwarz-Gelb? Diese Fragen hätte TSG den potenziellen Wählerinnen und Wählern ersparen können. Eines scheint aber sicher zu sein wie die Faust aufs Auge. Sollte Schwarz-Gelb gewinnen werden die Studiengebühren wieder eingeführt. Die Wohnungsnot spitzt sich weiter zu und ein dritter Terminal wird gebaut. Na denn, ein Gude auf die hessischen Verhältnisse.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Simon

Journalist in Süd-Ost-Niedersachsen, kommt aber eigentlich aus Süd-Hessen. Schreibt jetzt wöchentlich über politische und gesellschaftliche Themen.

Stefan Simon

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden