Fußball ist überall. Lothar Matthäus trainiert die Nichtfußballer von "Borussia Banana" auf RTL 2, Sat 1 startet eine neue Fußballserie mit dem Titel Bunte Liga, Gerhard Schröder eröffnet die Ausstellung Rundlederwelten in Berlin, und jeden Monat kommt ein neuer Fußballfilm in die Kinos. Schon seit einigen Jahren hat Fußball sein Proll-Image verloren und ist zum Pop aufgestiegen. So haben sich neben dem Kicker, dem Klassiker der gedruckten Fußballberichterstattung, auch eine Reihe von neuen Fußballmagazinen etabliert. Publikationen wie Bolzen, 11 Freunde, Rund oder Player blicken auf die bunte Welt rund um den Fußball.
Bolzen, das "Zentralorgan für Freizeitfußball", steht paradigmatisch für den neuen medialen Cool-Style des Fußballs. Gespielt wird dabei nicht in den Ligen des Deutschen Fußballbundes, sondern "mit Musik" und "lässigen Hallensprechern" in neuen "Soccer-Hallen". Die Spieler sind dabei mitunter "so bekifft", dass sie "Elfmeter mit der Hacke" schießen und "der fashionable Torwart achtet stets darauf, dass seine Handschuhe auch farblich bestens mit Hose und Trikot harmonieren". Der Prototyp des Bolzers ist kein Verlierer mehr, der nichts außer Fußball gelernt hat, sondern stilbewusst und beruflich erfolgreich, beispielsweise Rechtsanwalt oder Künstler, zu dessen Erlebnisstrategie es gehört, sich mit den schönen teuren Sachen ab und zu in den Schlamm zu schmeißen. Freizeitfußball wird in Bolzen als wild und rebellisch gefeiert, doch spätestens seitdem auf jeder Party ein Kicker-Tisch steht, könnte man sich fragen, was denn so alternativ daran ist.
Den alternativen Mainstream bedient auch 11 Freunde, das in Berlin produzierte "Magazin für Fußballkultur". Ähnlich wie bei Bolzen fallen hier zuerst die vielen guten Photos auf, bei 11 Freunde liegt zudem in jeder Ausgabe ein Stadionposter bei, auf denen aber nicht die neuen modernen Fußballarenen zu sehen sind, sondern die alten romantischen Stehplatzstadien von Vereinen wie Sankt Pauli, Kickers Offenbach oder Union Berlin. 11 Freunde sieht sich als Anwalt der Fußballfans und versucht, die hartgesottene aber ehrliche Stehplatz-Kultur gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs zu verteidigen. So wird am Beispiel von Austria Salzburg gezeigt, wie der neue Eigentümer Red Bull die traditionellen Mannschaftsfarben gegen die Firmenfarben eintauschte und so die Fans vergraulte. Die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe widmet sich unter dem Titel Ausverkauf. Wie Manchester United seine Seele verlor der feindlichen Übernahme des börsennotierten Fußballvereins Manchester United durch den amerikanischen Spekulanten Malcom Glazer. Die Reportage erzählt die Geschichte von Manchester-Fan Luc Zentar, der nun nach 17 Jahren seine Dauerkarte nicht mehr verlängerte und mit ebenso enttäuschten Mitstreitern in der zehnten englischen Liga den Verein FC United gründete. Andere Artikel widmen sich dem Problem der pinkelnden Fußballfans, dem Fußball im Ruhrgebiet oder blicken auf die DDR-Oberliga zurück. Fußball wird in Bolzen und 11 Freunde in eine Reihe mit anderen jugendkulturellen Versatzstücken wie Musik und Mode gestellt. So kommen die Werbeanzeigen unter anderem von MTV, der Popband "Wir sind Helden" oder Wrangler-Jeans, und unter den Kolumnisten befinden sich MTV-Moderatoren wie Markus Kavka. Die 11-Freunde-Redaktion veröffentlicht, ähnlich einer Rockband, sogar eigene Tourtagebücher. Darin kann man dann lesen, dass die Redakteure nach einer Lesung in Hamburg aus Versehen zum falschen Hotel fuhren und beim "Soundcheck" in Bielefeld ein Kabel fehlte.
In der Zeitschrift Rund, deren modernisierungskritische Fußball-Philosophie sehr der von 11 Freunde ähnelt, erfährt der Leser aus einem Interview zum ausufernden Markt der Fußballbücher über den Roman Fever Pitch von Nick Hornby, er habe "die Welt des Fußballs von ihrem dumpfen Unterschichtimage befreit und sie geöffnet für die Intellektuellen, die bis dahin mit schlechtem Gewissen zum Fußball gegangen sind."
Diese Fußball-Intellektuellen werden wohl nicht das im November gestartete Fußballmagazin Player lesen, dessen kommerzielles Hochglanz-Programm vor allem "spannend" und "exklusiv" sein soll. Fußball wird hier nicht als Gegenkultur präsentiert, sondern als Verkaufsstrategie benutzt. So heißt es über die neue HDTV-Technologie von Premiere: "Wer Fußball auf der Couch nicht nur gern guckt, sondern auch selbst spielt, sollte auf jeden Fall in die neue Technik investieren." Außerdem präsentiert eine Blondine mit Barbiegesicht die deutschen WM-Trikots. Um den Blick ganz auf die Trikots zu richten, hat sie erst gar keine Fußballhosen angezogen, und im letzten Bild hat sie dann auch noch ihr Trikot vergessen.
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