Bodo Hombach liebt die Solistenrolle, die Selbstinszenierung, die Macht und die Intrige, die das Machtmittel dessen ist, der der Macht nahesteht. Immer wieder erinnert er an Jago: Nicht weniger tüchtig als sein Chef, sondern sogar aktiver, intelligenter und flinker als dieser - aber dennoch fliegen Interesse, Beachtung und die erste Rolle nahezu natürlich dem andern zu. Am Ende des zweiten Jahrtausends ist es kein zur Tragik fähiger Othello mehr, der den Zwiespalt zwischen Schein und Sein nicht kennt, sondern ein sunny boy, der vielen glaubhaft verkörpert, er sei die Synthese von Anspruch und Sein. Jago, seinerzeit in NRW ständig mit Cassio Clement konfrontiert, muß sich seit der Verteilung der Ministerämter in Bonn auch an keinem Cassio in der Kampa mehr reiben. Er ist nun ganz auf die Beziehung zu seinem Herrn konzentriert.
Bodo Hombach, geboren 1952 im Ruhrgebiet, zweiter Bildungsweg wie Gerhard Schröder, machte wie der Niedersachse rasch Karriere in der SPD, aber nicht als einer der Juso-Stars, sondern als Sherpa: erst persönlicher Referent des DGB-Landesbezirksvorsitzenden, dann seit 1980 Wahlkampfleiter Johannes Raus, der 1985 die absolute Mehrheit in NRW erreichte. Mitentscheidend für diesen Erfolg war die Strategie Hombachs, auf landesweite corporate identity und Personalisierung zu setzen: »Wir in NRW«, »SPD-NRW«, »Zur Wahl stehe ja nicht die SPD, sondern die SPD unter der Führung von Johannes Rau«. Anders als Schröder, der ihn schließlich als Kanzleramtschef installierte, hielt Rau seinen Wahlhelfer auf Distanz. 1990 sicherte Hombach sich selbst ein Landtagsmandat, 1991 ging er als Marketingberater in die Wirtschaft (Salzgitter Stahl AG/ Preussag/(Atom-)Energiekonzern Veba), blieb aber immer von amerikanischen Wahlkampfstrategien begeisterter Kampagnenberater wechselnder Herren. Gleichzeitig dienstbarer Geist eines andern und vom Wunsch besessen, sich selbst als Zukunftspolitiker ins rechte Licht zu rücken, ist die Sherpa-Rolle, die für diesen Zwitter offensichtlich schwerer zu ertragen, als sie es für die früheren Kohl-Berater Horst Teltschik oder Joachim Bitterlich war.
Hombach - eloquent, aber kein charming guy - leidet an der Rolle des hervorgehobenen Dieners und reagiert sich auf zwei Arten ab: durch Intrigen und durch Illoyalität. Während der Wahlkämpfe Johannes Raus kokettierte er noch damit, der eigentlich helle Kopf zu sein. Inzwischen Mitte 40 und in seinem Selbstverständnis der eigentliche politische Leader der Modernisierung lanciert Hombach sich selbst seit etwa zwei Jahren als Kanzlermacher und den ehemaligen Kanzlerkandidaten und heutigen Kanzler rotzfrech als seinen Golem. Als der writer, der kein ghost sein will, im Frühsommer 1997 im Spiegel über das »Gestrüpp organisierter Interessen und der vielen Zuständigkeiten der Institutionen und unzähligen Kommissionen« klagte, die jeden mit einer »unkonventionellen Idee« schnell erlegten, beschrieb er ein Stück Hombach'scher Lebensgeschichte, um dann fortzufahren: »Ich gebe dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftspolitiker Bodo Hombach recht,...«.
Hombachs eitle Selbstbezogenheit wird politisch bedenklich. Er spielt gern Vabanque und guckt, wie weit er gehen kann. Daß er sich während des Bundestagswahlkampfs multimedial als derjenige präsentierte, der dem Kandidaten die Formulierungen schrieb, mit denen Schröder zitiert und identifiziert wurde, übertraf Vorhergegangenes an Dreistigkeit: Der Kanzlerkandidat wurde damit als bloß publikumswirksamer Interpret geoutet, der zum play back eines anderen die Lippen bewegte. So bloßgestellt wurde vor Schröder kein Kanzler.
Wie wichtig ist Hombach tatsächlich für Rotgrün? Im Kanzleramt sind Ideen, Koordinationsfähigkeit und Durchsetzungskraft gefragt. Ein wirklich originärer Kopf, ein Ideengeber ist Hombach nicht. Begeistert propagiert er benchmarking, eindimensionales Nachahmen von Erfolgskonzepten. Das zeugt nicht von Kreativität. Vor allem wäre von einem »Vordenker« zu erwarten, daß er vernetzter und weiter in die Zukunft dächte.
Ist die Zentrale der Exekutive der rechte Platz für einen Marketingexperten? Für einen, der häufiger Schlüsselfigur politischer Intrigen war? Nicht Matthiesen, sondern Hombach habe in NRW Johannes Rau über die Medien aus dem Ministerpräsidentenamt gestoßen, erklärt detailgenau eine Person aus dem näheren Umfeld, die kein Interesse an der einen oder anderen Version hat. Gezielte Indiskretionen werden Hombach auch bei Lafontaines Rücktritt unterstellt. Roland Appel, Fraktionssprecher der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, verkündete Ende Mai beglückt, die Zahl der Intrigen in NRW habe mit dem Weggang Hombachs aus der Landeshauptstadt signifikant abgenommen - in Bonn allerdings sei sie rapide im Steigen begriffen. »Mensch ärgere dich nicht«, das Prinzip, voranzukommen, indem man Mitspieler aus dem Rennen wirft, bezeichnete Hombach gerade in der Rentendiskussion als erfolgversprechende Strategie.
Mit Intrigen kann man jedoch nur einige Gegner ausschalten, nicht aber konstruktiv Politik gestalten. Dafür braucht man Mitspieler. Zur zielorientierten Durchsetzung politischer Projekte fehle Hombach, so mehrere Bonner SPD-Promis, aber ohnehin das Zeug: Der Marketing-Mann könne Personen verkaufen, aber nicht Konzepte in einem Kräftefeld durchsetzen. Wenn Kritik laut wird, ruft Hombach Gesprächsrunden ein - eben die Interessenvertreter, die er 1997 im Spiegel geißelte - und kommt dort vom Hölzchen aufs Stöckchen. Produktwerbung kann und muß man immer wieder neu auf die Stimmung der Käufer abstimmen und verändern, Gesetze aber in einer einmal beschlossenen Konzeption durchsetzen. Die 630-Mark-Jobs, die Rentenreform - der Werbemann zerredet die rotgrünen Reformprojekte. Da das Kanzleramt in alle Ressortprojekte eingreifen kann, wird der sich selbst als Chefmodernisierer und geborener Mediator inszenierende Hombach auch aus diesem Grund zur Belastung für Schröder werden.
Unklar ist darüberhinaus, wie unabhängig Hombach ist. 1998 geriet der Luxusfan in den Verdacht, seine 1,5-Millionen-Villa in Mülheim sei teilweise von Veba finanziert worden. Hombach gestand ein »Ich war blank«. Eine von Ministerpräsident Clement in Auftrag gegebene zweitägige Finanzprüfung auf der Basis nur der von Hombach zur Verfügung gestellten Unterlagen konnte »in der Kürze der Zeit« nichts feststellen. Hombach erklärte, alles selbst bezahlt zu haben. Unterstellt, er habe damit die Wahrheit gesagt, wird jedoch die andere Selbstaussage Hombachs zu diesem Skandal unverständlich: »Es waren die schrecklichsten zwei Tage in meinem Leben.« Verständlich wird sie jedoch, angesichts des am Mittwoch dieser Woche in Bochum stattfindenden Meineidsprozesses: Der ehemalige Veba-Mitarbeiter Hans Heber hat inzwischen in U-Haft seine frühere Erklärung, an Hombachs Bau sei alles rechtens gewesen, widerrufen und gestanden, daß ein sechsstelliger Betrag über die Veba abgerechnet wurde. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ronald Pofalla, der eine Kleine Anfrage zu Hombach gestellt hatte, hält denn auch die Antwort der Bundesregierung für »bewußte Irreführung«. In welchem Licht diese Antwort nach dem Urteil im Meineidsprozeß gegen Hebers steht, bleibt abzuwarten. Auf die Frage, ob Hombach als verantwortlicher Bundesminister für den Bundesnachrichtendienst erpreßbar geworden sei, kam als Antwort ein schlichtes »Nein«, und auf die Frage, ob er weiter an den Energiekonsensgesprächen teilnehmen solle, an denen auch die Veba beteiligt ist, antwortete die Regierung mit »Ja«. - Neben diesem Bauskandal harrt auch die Frage, weshalb Hombach im Mai 1998 bei seinem Ausstieg aus der Salzgitter AG eine halbe Million mit auf den politischen Weg erhielt, nach wie vor einer plausiblen Erklärung.
Es könnten also weitere »schrecklichste Tage« im Leben des Bodo Hombach folgen. Einem solchen Mann das inzwischen mächtigste Bonner Haus, die Konsensgespräche und die Nachrichtendienste anzuvertrauen, zeugt entweder von blinder Unbekümmertheit oder von Abhängigkeit eines ansonsten doch so um Seriosität bemühten Kanzlers.
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