Männer in Sandkästen

Was läuft „National Treasure“ und „The Looming Tower“ zeigen die „man’s world“ auf ihre jeweils eigene Art. Spoiler-Anteil: 8 Prozent
Ausgabe 17/2018

Die Mini-Serie National Treasure ist von Channel 4 vor #metoo und nach der Operation Yewtree produziert worden. Operation Yewtree, das kurz zur Erinnerung, war jene postume Ermittlung gegen den BBC-Moderator Jimmy Savile, die ab 2012 immerhin zur Verurteilung einiger guter Kumpel aus Saviles Umfeld führte. Bekannt ist sie außerdem dafür, die Namen einiger Verdächtiger frühzeitig publiziert zu haben, was deren Ruf ziemlich gründlich beschädigt hat.

Die Geschichte über den Fall des Comedians Paul Finchley beginnt damit, dass eines Morgens, in Minute 13 der ersten Folge, zwei Polizeibeamte vor der Tür stehen und wissen wollen, ob Finchley sich zehn, 20, 30 Jahre zuvor der Vergewaltigung und Misshandlung von sehr jungen Frauen schuldig gemacht hat. Es gibt Beschuldigungen, mehr als nur eine oder zwei; und nachdem wenig später die Zeitungen informiert sind und Finchleys Gesicht auf fast jeder Titelseite erscheint, werden es noch einige mehr.

Im Prinzip bleibt dies der Status quo, über vier Folgen und eine Gerichtsverhandlung hinweg. Die Ermittlungen, die Anklage, die Tabloids. Die Celebrity, die auf einmal zu viel Aufmerksamkeit erhält. Die Ehefrau, die Tochter, der Comedy-Partner und beste Freund. Dazu eben Finchley, Publikumsliebling und heiliges Monster, von dem alle wissen, dass sein sexueller Appetit immer etwas ungezügelt gewesen ist, und den Channel 4 in einer klugen und zugleich naheliegenden Entscheidung in den Körper von Robbie Coltrane gesteckt hat.

Die Monstrosität Finchleys ist bekannt, ihr Ausmaß ist es nicht, auch weil nie jemand nachfragen wollte, was wann in welchen Hotelzimmern oder auf dem Set genau passiert ist. In National Treasure geht es folgerichtig nicht um Überraschungen, sondern um Wissen; um das Verhältnis von Wissen und Schweigen; um Komplizenschaft, die verzweifelt sein kann, aber auch infam, und: strukturell verankert; um Breaking Points, die vor und nach den Enthüllungen liegen; um Schaden, den alle genommen haben; um eine Geschichte, die nicht aufhört.

Die „man’s world“, durch die sich die Figuren von The Looming Tower bewegen, ist eine andere. Ebenso chauvinistisch wie die von National Treasure, ebenso von gestern und zugleich gegenwärtig. Aber auch: eine klandestine Welt, von Geheimdiensten und Geheimnisträgern bevölkert, in der die Ereignisse, über die niemand hinwegkommen kann, nicht in der Vergangenheit liegen, sondern in der Zukunft.

Die Zukunft ist hier der 11. September, 9/11. Der Plot der Serie verteilt sich auf die Jahre davor (und eine Anhörung danach), in denen Männer und ein paar Frauen in Anzügen damit befasst sind, einer Bedrohung zu begegnen, die auch für Spezialisten nicht mehr zu durchdringen ist. In der Geschichte des serienförmigen Counter-Terrorism ist das nichts Neues (siehe Homeland oder 24).

Allerdings sind die Desaster, die der Konkurrenz zwischen zwei Behörden entspringen, selten so genau nachgezeichnet worden wie in dem Bestseller von Lawrence Wright, dem die Serie ihren Titel entlehnt und aus dem sie vor allem jenen Teil übernimmt, der von der sehr effektiven Arbeit des CIA gegen den FBI erzählt.

Wie man eine Reihe von Anschlägen nicht verhindert: Das ist die Geschichte, die hier über zehn Folgen hinweg rekonstruiert wird. Ihre Dramaturgie entfaltet sich entlang eines Parcours aus Meetings, Telefonaten, Einsätzen. Ihr Schauwert sind die Männer in Anzügen, die diesmal nicht als „monstre sacré“ auftreten, sondern in Konstellationen, mit- und gegeneinander, in Gestalt von Jeff Daniels, Peter Sarsgaard, Tahar Rahim, Alec Baldwin oder Michael Stuhlbarg. (Keine Frau von vergleichbarer Prominenz; die umwerfende Schauspielerin Leslie Silva rangiert in den IMDB-Credits sehr weit unten.)

Der erste Effekt der Starbesetzung besteht in The Looming Tower darin, einen Konflikt zu personalisieren. Der zweite ist, dass die systemische Komplexität, die ein HBO-Klassiker wie The West Wing über seine Figuren erschließt, auf ein paar Sandkästen und eine Typologie reduziert wird. O’Neill vom FBI (Daniels), ein ganzer Kerl und ein guter Chef, gegen Schmidt vom CIA (Sarsgaard), der mit Drinks, Wutanfällen und Four-Letter-Words nicht viel am Hut hat. Im Hintergrund stehen die Twin Towers, noch für eine Weile, bis die Zeit knapp wird und irgendwann alle wissen wollen, wo O’Neill abgeblieben ist.

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden