Durch die Politik gebilligte Ausbeutung

Lohndumping Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit aber keiner will´s bezahlen

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Durch die Politik gebilligte Ausbeutung

Bild: Adam Berry/Getty Images

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt Empfehlungen aus, die zur Senkung vertraglich festgeschriebener Stundenentgelte führen.

Entgegen rechtlicher Normen werden zusätzlich in öffentlichen und privaten Wirtschaftszweigen Vereinbarungen getroffen, die es zulassen, Arbeitszeit nur anteilig zu berechnen, welche in vielen Brachen zur Unterschreitung des Mindestlohnes führen.

Diese Sparpolitik senkt die Einnahmen aus Sozialabgaben und schmälert zukünftige Renten, wird aber von politischen Akteuren, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gedeckt.

Einer schriftlichen Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist zu entnehmen dass „(…)wenn der gesetzliche Mindestlohn für Bereitschaftszeiten zu zahlen ist, genügen Arbeitgeber auch nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ihrer Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes, wenn die monatlich ausgezahlte Bruttovergütung geteilt durch die geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Stunden, die im Rahmen von Bereitschaftsdiensten angefallen sind, die Mindestlohnhöhe nicht unterschreiten.“

Dieser Aussage stehen die tariflich- und vertraglich vereinbarten Stundenlöhne gegenüber, die mit dieser Empfehlung ausgehebelt werden. Die Absenkung der, von den Arbeitnehmer angenommen Vergütung, für außerhalb des Bereitschaftsdienstes erbrachte Arbeitszeit, wird billigend in Kauf genommen.

In Tarif- und Arbeitsverträge, auch auf Bund- Länder- Kommunalebene, werden Vereinbarungen getroffen, die erlauben Bereitschaftsdienst nur prozentual als Arbeitszeit anzurechnen und zu vergüten.

Der unterschiedlichen Handhabung des Bereitschaftsdienstes durch öffentliche Institutionen steht die Unabdingbarkeit des Mindestlohns entgegen. „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Der Zoll, Abteilung Schwarzarbeit, lässt auf dieser Rechtsgrundlage die „Pauschalisierungsklauseln“ bei seinen Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohnes nicht zu. Auch die Mindestlohhotline der Bundesregierung empfiehlt Arbeitgebern die Stunden des Bereitschafsdienstes voll als Arbeitszeit zu beachten, um nicht mit der Bundesbehörde in Konflikt zu geraten.

Diese Rechtsauslegung wird bei den Kostenverhandlungen im sozialen Bereich aber weiterhin ignoriert. Gerade im vollstationären Betreuungs- und Pflegebereich werden durch Pauschalisierungsklauseln, besonders bei Nachtstunden in Vollstationären Einrichtungen bis zu 75% eingespart.

Die beteiligten und befragten Akteure rechtfertigen die differenzierte Alltagsanwendung mit Übergangsregelungen. Die rechtliche Legitimierung, durch die diese gedeckt sind, wird aber in keiner Stellungnahme benannt.

Schon vor der Inklusion des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitszeit, durch die Arbeitszeitgesetznovellierung 2004, forderten soziale Dachverbände und einzelne Fraktionen eine öffentliche Stellungnahme der zuständigen politischen Organe zum zeitlichen und vergütungsrechtlichen Anspruch des Bereitschaftsdienstes.

Da bei der prozentualen Anrechnung von Arbeitszeit auch Urlaub und etwaige Zuschläge keine Beachtung finden ist fraglich ob diese Praktik schon vor Einführung des Mindestlohns als rechts- oder nur als sittenwidrig anzusehen war.

Die soziale Verantwortung, allen Bürgern gegenüber, darf nicht finanziellen Interessen untergeordnet werden, indem dieses Thema auf politischer Ebene weiterhin klein gehalten wird.

In Zeiten in denen, durch TTIP und CETA, über die EU Grenzen hinaus über gemeinsame Arbeitnehmerschutzvorschriften verhandelt wird, darf es nicht möglich sein, dass die Anrechnung und Definition von Arbeitszeit in Deutschland nicht einheitlich rechtskonform umgesetzt wird.

Weitere Informationen über Stefanie.Rauber@gmx.de

1. Rechtsempfehlung bzw. -einschätzung zum Umgang mit Bereitschaftsdienst des „Deutschen Paritätischen Dachverbandes“ an seine Mitglieder. Erklärt, kurz und einfach worum es geht.

2. Vollständige Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Thema Bereitschaftsdienst im Kontext zum Mindestlohn.

3. Stellungnahme der „SPD Bundestagsfraktion- AG Arbeit und Soziales“ zur Sache. Die ersten und bis jetzt einzigen, die auf die Problematik der Refinanzierung hinweisen und diese erläutern. Aber, „zu teuer“ darf hier als Begründung nicht geltend gemacht werden, wenn man bedenkt, wie viel Gelder in andere private Wirtschaftszweige fließen, wird diese Aussage zur Farce!

Traurig aber wahr: weder „ver.di“, noch die „Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft“ haben sich, bis heute, genau wie Kostenträger, Heimaufsicht…, zu meinen Vorwürfen näher geäußert :(

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