Entschuldigen Sie sich, Herr Petzold!

Ehe für Alle Der CDU-Abgeordnete Ulrich Petzold hat in seiner persönlichen Erklärung zur Ehe für Alle die Ehe für Alle mit der Beziehung zwischen Blinden und ihren Hunden verglichen.

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Ihre Freitag-Redaktion

Sehr geehrter Herr Petzold,

ich habe heute auf Queer.de Ihre persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten zur Ehe für Alle gelesen – mehrfach. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mir als Blogger, der ich aus Sachsen-Anhalt stamme, die Mühe mache auf Ihre Erklärung einzugehen.

Ich möchte kurz Ihre Worte aufgreifen. Sie schreiben, dass nur das eine Ehe ist, was auf die Fortpflanzung von Menschen abzielt. Wenn aus einer Ehe keine Kinder hervorgehen, handele es sich Ihrer Auffassung nach, um eine Beistandsgemeinschaft.

Herzlichen Glückwünsch, Herr Petzold, schon der erste Absatz hat gesessen. Sie haben damit viele kinderlose Eheleute beleidigt, die sich ein Kind wünschen, aber aus Gründen keines bekommen können, oder sich bewusst gegen Kinder entschieden haben. Teilweise diskreditieren Sie damit sogar Ihre eigene Wählerschaft. Lassen Sie mich anmerken: Ich kenne die Motive der Kinderlosigkeit der Bundeskanzlerin und Ihres Ehemannes Herrn Sauer nicht – und es geht mich auch nichts an – aber für mich befinden sich die beiden in einer Ehe. Sollten Sie das anders empfinden, steht es Ihnen frei Ihre persönliche Erklärung gerne auch an die Kanzlerin zu richten.

Diese Interpretation trieb mir schon die Falten auf die Stirn. Doch als ich weiter las, fiel mir vollends der Kopf ins Essen. Was genau eine sogenannte Beistandsgemeinschaft für sie ausmacht schildern sie wie folgt.

Sie schreiben: „Eine Beistandsgemeinschaft ist zum Beispiel auch, wenn eine Mutter ihr behindertes Kind bis zum Lebensende pflegt. Doch niemand würde auf die Idee kommen, dieses als Ehe zu bezeichnen. Eine Beistandsgemeinschaft besteht auch zwischen einem Blindenhund und dem Hilfsbedürftigen.“

Auch diese Passage musste ich mehrfach lesen. Nicht weil sie schwer verständlich geschrieben ist, nein, sondern weil ich versucht habe Sie zu verstehen; welches Menschenbild Sie haben. Je häufiger ich las, desto schlechter wurde mir. Sie führen behinderte Kinder und ihre pflegenden Mütter sowie Blinde & ihre Blindenhunde als Beispiele an & setzen sie mit der kinderlosen Ehe und der Ehe für Alle gleich.

Es fällt auf, dass sie homosexuelle Menschen mit Menschen gleichstellen, die leider Hilfe brauchen, um durchs Leben zu kommen. Meinen Sie etwa Schwule und Lesben sind Menschen, die Hilfe brauchen statt der Ehe? Wenn ja, was soll das für Hilfe sein, Herr Petzold? Und wenn nicht, warum dann sollte die Ehe für Alle eine Beistandsgemeinschaft sein? Und generell: Gibt es für Sie nur das eine gute Leben?

Herr Petzold, ich bin 30 und sie werden 66 Jahre. Vielleicht liegt es am Altersunterschied, dass Sie aus meiner Sicht ein tradiertes Menschenbild haben. Und halten Sie mich nicht für intolerant. Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe kein Problem damit, dass es Menschen gab, die sich gegen die Ehe für Alle ausgesprochen haben. Viele Abgeordnete haben lange nachgedacht und sind zur selben Entscheidung gekommen wie Sie. Was ich aber nicht toleriere, akzeptiere oder respektiere sind Ihre Beweggründe. Das was Sie schreiben ist menschenverachtend und verletzend und einem Christen in keiner Weise würdig.

Alle Menschen sind einzigartig und gleich an Rechten! Das sollte das Credo einer modernen, weltoffenen, europäischen Gesellschaft wie unserer sein. Und so ähnlich steht es auch im Grundgesetz! Schade, dass man Sie an unsere Verfassung erinnern muss. Und wenn Sie jetzt auf Artikel 6 des Grundgesetzes verweisen wollen: Lassen Sie es. Es unterscheidet klar in Ehe und Familie. Not more, not less.

Ich spreche vielleicht nur für mich, vielleicht aber aus den Herzen vieler:

Entschuldigen Sie sich, Herr Abgeordneter. Ihre Äußerungen sind weder der Gesellschaft, dem Bundestag noch Ihrer Religion würdig. Und haben Sie Respekt vor der Einzigartigkeit von Menschen, ich selbst habe den auch vor Ihnen, wenn Sie ihn für andere aufbringen.

Auf eine Entschuldigung wartend,

Ihr Stefan Krabbes

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Krabbes

Blogger & Speaker zu Digitalisierung & Demokratie.twitter: @stefankrabbes

Stefan Krabbes

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