Politische Marktschreierei

Politische Kultur? GRÖSSER, SCHNELLER, BESSER, BILLIGER! Die Geiz-ist-Geil-Mentalität ist endlich auch in der politischen Debatte angelangt. Man übertrumpft sich mit prägnanten Slogans...

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GRÖSSER, SCHNELLER, BESSER, BILLIGER! Die Geiz-ist-Geil-Mentalität ist endlich auch in der politischen Debatte angelangt. Man übertrumpft sich mit prägnanten Slogans wie schon lange nicht mehr. „Das Boot ist voll“ ist das neue „Ich bin doch nicht blöd“. Man will den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes das Denken nicht zumuten und ihnen die Entscheidung einfach gleich abnehmen. Hier gilt: Je einfacher die Parole, desto mehr Zustimmung. Egal wie komplex die Themen sind: Einfache Antworten in einer Parole verpackt haben Hochkonjunktur. Es ist ein bitterer Umstand, dass sich die politische Debatte derzeit in politischer Marktschreierei erschöpft.

Das was die CSU über die Jahre hinweg erprobt hat, verfeinerten AfD & Pegida und wird nun teilweise sogar von Sozialdemokraten, Linken wie Lafontaine und Wagenknecht oder dem Grünen Boris Palmer übernommen. Politische Marktschreierei scheint ein interparteilicher Exportschlager zu sein. Wenn Wagenknecht Lob von Gauland bekommt und die Katrin Göring-Eckardt den Kurs von Angela Merkel verteidigen muss – dann stimmt etwas nicht.

Das Problem an der aktuellen Debattenkultur scheint mir, dass die AfD ihre Wählerschaft und Sympathisanten über deren Gefühle erreicht. Gefühle sind irrational und aber stark; Argumente klingen bei ihnen vielleicht noch rational, sind aber in der Debatte schwach. Der persönliche Eindruck überwiegt. Wenn eine Seite mit subjektiven Emotionen und die andere mit intersubjektiven Fakten argumentiert, dann steht die Frage im Raum: Haben wir überhaupt noch das gleiche gesamtgesellschaftliche Debattenfundament?

Die AfD versucht ihre Anhängerschaft über deren Furcht und ihre Ängste zu ihrem eignen Vorteil zu instrumentalisieren. Dafür bemühen sie ein Gefühl, dass gerade in konservativeren Kreisen immer schon beliebt war: Heimat.

Heimat, das ist für viele all das was sie kennen. Das sind Vertrautheit, Kontinuität, Werte, Wiege von Erinnerungen, Kindheit und Eigentum.

Die Deutschen können sich glücklich schätzen schließlich hat die Politik der Bundeskanzlerin seit 10 Jahren den Bürgerinnen und Bürgern noch nie etwas abverlangt. Lieb gewordener Stillstand wurde zur Vertrautheit und – wie paradox – zur Kontinuität. Die Deutschen und ihr Heimatgefühl konnten 10 Jahre lang in trauter Zweisamkeit vor sich hin dösen. Bis zur Flüchtlingskrise – plötzlich ploppte etwas auf, dass Deutschland zum Handeln zwang und der eigenen Bevölkerung auch etwas abverlangte, denn plötzlich kamen Menschen aus anderen Ländern. Konservative sind Morgenmuffel, die aus ihrem Dornröschenschlaf erwachten, weil sie durch Zuwanderung geweckt wurden.

Zuwanderung ist den Konservativen ein Dorn im Auge, denn der Zuwanderer ist nicht vertraut, durchbricht die Kontinuität, hat andere Werte, ist nicht Teil von Erinnerungen und Kindheit und hat kein Eigentum. Er bedroht im Denken der Konservativen, das was sie Heimat nennen. Dies wiederum ist ein dankbares Thema für rechts-populistische Kräfte wie AfD und Pegida.

Das erfordert natürlich Antworten der linken Parteien und Bewegungen des Landes. Die gesellschaftliche Linke muss weiterhin mit einer sachlichen Debattenkultur gegen die Marktschreierei vorgehen. Gleichzeitig muss sie aber auch ein starkes und weltoffenes Gegenangebot zur Heimat unterbreiten, das emotional bei der Bevölkerung ankommt. Der schlechteste aller Wege für linke Politik wär der von Wagenknecht & Lafontaine. Denn auch dies wäre nur ein Marktschreier, in der Hoffnung auf ein paar Kunden, der brüllt: "Ich bin billiger.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Krabbes

Blogger & Speaker zu Digitalisierung & Demokratie.twitter: @stefankrabbes

Stefan Krabbes

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