Wie Soziale Medien die Demokratie gefährden

Erstarkende Rechte Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben gezeigt, dass das Land tief gespaltet ist. Aber das weltweite Erstarken der Rechtspopulisten hat nicht nur politische Gründe

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Donald Trumps Twitterprofil
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Bild: twitter.com

Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben gezeigt, dass das Land tief gespaltet ist. Nur wenige Journalistinnen und Journalisten und Meinungsforscher haben für realistisch gehalten, was Realität wurde: Donald Trump wurde zum 45. US-Präsidenten gewählt.

Aber nicht nur die USA sind so gespalten, wie es das Wahlergebnis vermuten lässt. Das Erstarken national-populistischer Parteien ist ein weltweites Phänomen. Nach den US-Wahlergebnissen ist es nun auch möglich, dass auch Frankreich und Österreich rechte Staatsoberhäupter wählen. Dass Rechtspopulisten die aktuellen Debatten dominieren, hat – ohne Fragen – politische Gründe. Doch nicht nur. Facebook, Twitter & Co. haben unser Leben verändert. Das spüren wir jetzt so stark wie nie zuvor.

Viele Menschen, mir inklusive, belächelten Angela Merkel nach ihrer Aussage, dass das Internet für uns alle Neuland sei. Shame on me: Sie hatte Recht, denn Social-Media-Plattformen haben erheblichen Einfluss auf unser tägliches Leben erlangt. Doch wer kann schon sagen, wie sie die freien Gesellschaften weltweit beeinflussen? Diese Antworten zu finden, sichert nicht weniger als die Funktionstüchtigkeit unserer Demokratie.

Ich vergleiche das Internet immer mit einer Stadt. Die Seiten im Netz sind die Infrastruktur, die wir fast täglich nutzen. Wer einkaufen möchte, der geht ins Amazon-Kaufhaus, wer einen Flug buchen möchte geht ins Lufthansa-Reisebüro, wer Medikamente benötigt, geht in die Doc-Morris-Apotheke. Kurzum: Fast alles was wir offline tun können, ist auch online möglich. Insofern kann man von einer Verspiegelbildlichung unserer Gesellschaft zwischen On- und Offline sprechen.

Doch unser tägliches Leben definiert sich nicht nur durch Gebäude, sondern zuallererst über uns Menschen – also über das Soziale. Seitdem es Facebook gibt herrscht wahrnehmbares Leben in den Straßen dieser Stadt. Nähert man sich dieser Online-Gesellschaft als Außenstehender oder als digital immigrant, dann stellt man fest, die Funktionsweisen der Offline-Gesellschaft sind andere. In diesem Falle liegt keine Verspiegelbildlichung vor.

Soziale Medien wie Facebook können ein großer Zugewinn für unsere Gesellschaft sein. Vor allen Dingen auf der individuellen Ebene bringt es viele Vorteile. Weltweit bewegen wir uns mehr oder minder gekonnt in ihnen und nutzen vor allen Dingen Facebook und Twitter täglich. Ob auf dem PC, dem Handy oder dem Tablet: Facebook zählt weltweit zu den Standard-Apps. Eine große Anzahl der Menschen, die wir kennen, lässt sich auf Facebook finden. Es gibt Gruppen und Seiten für alle möglichen Belange: Heimatgruppen, Fußballvereine, Schulklassen. Die Menschen organisieren ihr Leben online. Facebook ist ein nützliches Werkzeug zur Rationalisierung unserer Freizeit.

Doch treffen Menschen online auf Menschen, dann gibt es hier keine erkennbaren Regeln sozialen Handelns: Offline grüßt man den Nachbarn selbstverständlich, online hat man ihn nicht einmal im Freundeskreis. Ein großer Unterschied besteht schon in der Selektivität der Menschen, die uns digital umgeben. Diese Selektivität führt dann zu Freundeslisten und Newsfeeds, die meinungsintensivierend wirken und eine Meinungshomogenität hervorbringen. Durch die fortwährende Bestätigung eigener Ansichten kommt es zur Bildung der eigenen Realität. Doch diese Realität ist online noch subjektiver als offline, da wir offline immerhin noch mit den Lebensrealitäten anderer Menschen konfrontiert werden, was die eigene Subjektivität mit einer Intersubjektivität in Berührung bringt.

Es ist also sinnvoll Freundeslisten heterogen zu halten & Personen nicht voreilig aus Freundeslisten zu entfernen. Doch das allein genügt nicht, um den Hass und die Lügen aus den Sozialen Medien zu nehmen, die das Klima für Demagogen begünstigen.

Unsere Gesellschaft funktioniert, weil wir Institutionen bilden. Ob soziale Institutionen wie das tägliche Grüßen oder ganz bürokratische Institutionen: Sie regeln unser Leben.

Offline haben wir dafür Vereine, Unternehmen, Parteien und Regierungen. Doch Online gibt es diese Institutionen noch zu wenig. Dabei kommt den Institutionen der Online-Gesellschaft, wollen wir die Verspiegelbildlichung erreichen, eine ordnende Funktion zu, denn eine Gesellschaft ohne Institutionen organisiert sich selbst – es gilt das Recht des Stärkeren und des Lauteren. Eine digitale Anarchie, kann unsere Demokratie in Bedrängnis bringen, wenn sie dazu führt, dass sich Teile unserer Gesellschaft segregieren und offline eine Gegengesellschaft organisieren. Das spielt Populisten weltweit in die Karten.

Die Menschen in den Gegengesellschaften vertrauen dann den Parteiungen die eher an der eigenen Lebenswahrnehmung sind, was letztlich durch ihre Homogenität meinungsverstärkend wirkt (siehe oben). Intensiviert wird dieser Umstand dadurch, dass es eine Vielzahl an Meinungsseiten gibt, deren Meldungen fälschlicherweise mit unabhängigen Nachrichten gleichgesetzt werden. Jeder – mir inklusive – kann heute Nachrichten produzieren. Das macht es für die Menschen unübersichtlicher und kann Verwirrung stiften.

Die Stadt Internet braucht neben Unternehmen, Menschen und Nachrichten endlich auch Institutionen, die das Leben in ihr regeln und auf die sich die Bürgerinnen und Bürger berufen. Noch immer werden Online und Offline als zwei Welten betrachtet, die miteinander nichts zu tun haben. Doch wenn wir nicht ernst nehmen, dass die soziale Digitalisierung politisch begleitet werden muss, dann verzichten wir darauf diese Gesellschaft zu zäumen, die aktuell näher an Thomas Hobbes Naturzustand ist als es uns lieb sein kann.

„Für den Menschen im Naturzustand entwickelt er folgendes Argument: Der Mensch, sofern ihn keine Wirtschaft oder Autorität in kulturell bedingte Schranken verweist, ist in erster Linie an der Sicherung der eigenen Bedürfnisse interessiert. Dies kann zu Interessenkonflikten zwischen einzelnen Menschen führen, zum Beispiel, wenn zwei das Gleiche besitzen möchten. Doch wessen Konkurrenz hat ein Mensch zu befürchten? Prinzipiell, so Hobbes, die Konkurrenz aller einzelnen Mitmenschen. Denn alle sind gleich in ihrer Fähigkeit, den anderen zu besiegen. Ebenso ähneln sich die Bedürfnisse aller Menschen, eben weil alle Menschen gleich sind. Wie jedoch kann ich meine Bedürfnisbefriedigung sichern, wenn ich prinzipiell fürchten muss, auf Schritt und Tritt anderen zu begegnen, die mich betrügen, angreifen und besiegen oder sonstwie aus eigenem Interesse benachteiligen?“ - Quelle: Blog.Zeit.de

Was es nicht online gibt, existiert nicht: Die digitale Abstinenz vieler staatlicher Institutionen wirkt sich negativ auf das Institutionsvertrauen der Menschen aus, wie man an den weltweiten Erfolgen der Rechtspopulisten sehen kann. Die Frage, die Politik und Verwaltung sich stellen müssen, ist es also: Wie schaffen wir es die Menschen online in ihren spezialisierten Lebensrealitäten zu erreichen und ihnen das Rüstzeug an die Hand zu geben, das sie befähigt, nicht den Demagogen anheim zu fallen?

Die soziale Digitalisierung hält Einzug in unsere Gesellschaft. Sie kann ähnlich intensive Veränderungen für unsere Gesellschaft mit sich bringen, wie es die Industrialisierung tat. Die soziale Digitalisierung ist die Erweiterung unserer gesamten Gesellschaft in einen sozialen Raum, in dem eine weitgehende Anarchie herrscht. Hier sind die Staaten in der Pflicht diese Anarchie zu ordnen, um geltende Rechte und Pflichten online und offline durchzusetzen und zu garantieren. Der Kampf um die Demokratie wird heute online ausgetragen. Wir dürfen nicht zu lassen, dass Populisten oder Social Bots den noch zu gestaltenden sozialen Raum vor den Demokraten gestalten.

Das ist unser Auftrag.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Krabbes

Blogger & Speaker zu Digitalisierung & Demokratie.twitter: @stefankrabbes

Stefan Krabbes

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