Zeit für den New Deal für Sachsen-Anhalt

Nach den Landtagswahlen Die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt waren ein Schlag ins Gesicht der demokratischen Parteien. In einer möglichen Kenia-Koalition braucht es dringend neue Wege.

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Die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt waren ein Schlag ins Gesicht der demokratischen Parteien. Ausnahmslos jede bisher im Landtag vertretene Partei verlor angesichts der starken Zuwächse der rechtsradikalen AfD. Trotz dieser desaströsen Lage könnte man den Versuch unternehmen zwei Gewinner des Abends zu identifizieren. Bei geringen Verlusten bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt und wird weiterhin den Ministerpräsidenten stellen. Zudem können noch die Grünen genannt werden. Trotz starkem Gegenwind von rechts und trotz steigender Wahlbeteiligung ist es ihnen gelungen erneut aus eigener Kraft in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzuziehen.

Die großen Verlierer des Abends sind die SPD und die Linken. Katrin Budde und Wulf Gallert – beide wollten in die Staatskanzlei einziehen – konnten ihre Parteien zusammen nur auf annähernd 27 % der Wählerstimmen bringen. Insgesamt verloren sie fast 18 % der Wählerinnen und Wähler, die sie 2011 zuvor noch wählten.

SPD

Das Ergebnis der SPD kam nicht aus heiterem Himmel und muss für die Sozialdemokraten absehbar gewesen sein. Dies hat mehrere Gründe. So war Katrin Budde eben nicht das neue, frische Gesicht der SPD, die für einen anderen Kurs stand. Sie ist seit 1990 Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt, war kurzzeitig Wirtschaftsministerin im Kabinett Böhmer und wurde später Fraktionsvorsitzende. Für die Bürgerinnen und Bürgern war es daher auch nicht klar, warum es dann jetzt plötzlich „Zeit für Katrin Budde“ sein sollte.

Hinzu kam der jahrelange Intimstreit zwischen Bullerjahn und Budde, der den Riss innerhalb der SPD noch betonte. Eine denkbar schlechte Ausgangslage für eine Spitzenkandidatin, wenn nur die Hälfte der Mitglieder hinter ihr steht. Wie soll man unter diesen Voraussetzungen Andere von sich überzeugen, wenn man nicht mal von sich selbst überzeugt ist?

Ferner hatten die Sozialdemokraten noch die Last aus den langen Jahren der Großen Koalition zu tragen. Die SPD gilt vielen als Partei der Umfaller – als vielleicht zum eventuell. Sie hat es nie geschafft sich gegen den großen Regierungspartner zu behaupten, was zur Folge hatte, das das Profil der Partei immer mehr verschwommen ist. „Warum heute noch SPD wählen“, fragten sich da nicht nur die Wählerinnen und Wähler, sondern auch viele Mitglieder. Kann denn immer weniger Geld für Bildung, Soziales und Kultur SPD Politik sein? Die SPD weiß, sie muss etwas tun, um auch im Osten so etwas zu bleiben wie eine Volkspartei. Doch egal welchen Weg sie beschreitet: Sie befindet sich immer zwischen CDU, Linken und Grünen, was es ihr nicht leichter machen wird ihren Weg zu finden.

Die Linke

Gerade im Osten lässt sich die Linke als Sozialdemokratische Partei bezeichnen – wenn nicht sogar die Sozialdemokratische Partei. Doch auch die Linke hat in der Landtagswahl herbe Verluste einfahren müssen. Aber warum, hat sie doch mit Wulf Gallert stets eine gute Oppositionsarbeit geleistet? Um diesen Umstand zu verstehen, muss man auf den Erfolg der AfD blicken.

AfD

Die AfD hat mit circa 25 % ein historisches Ergebnis in Sachsen-Anhalt einfahren können. Ein Ergebnis, das auf die Flüchtlingsherausforderung zurück zu führen ist? Nicht nur. Die AfD ist eine männerdominierte Partei der unteren bis mittleren Unternehmerschicht mittlerer Bildung und geringem Interesse an Kultur. Ihr Interesse an sozialen Themen und Armutsbekämpfung ist eher geringer Natur. Umso beeindruckender, dass diese völkisch-nationalistisch & neoliberal aufgestellte Partei so viele Protestwählerinnen und Protestwähler erreichen konnte.

Es ist Paradox, dass die AfD es geschafft hat 101.000 zuvor Nichtwählende sowie 48.000 ehemalige Wählende von Linke (28.000) und von SPD (20.000) für sich zu gewinnen. Gerade die Linke hatte es in den letzten Jahren geschafft den Protest bei den Wahlen für sich zu gewinnen. Nun aber wählten die, die mehr soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft fordern, ausgerechnet die Partei mit dem asozialsten Wahlprogramm. Eine gefährliche Mischung, wenn man bedenkt, dass es eine Minderheit eines Landesverbandes von 350 Personen es schafft mit einem inhumanen und asozialen Wahlprogramm fast 150.000 aus dem Nichtwählerlager bzw. linken Lager zu ziehen. Das Wählerklientel der AfD setzt sich kurz gesagt aus zwei Gruppen zusammen: Aus einem völkisch-nationalistischem und eher einem sozialistischem. Hierin liegt eine große Gefahr für unsere Demokratie, denn hier verbindet sich erneut was sich nicht verbinden darf. Gemein ist beiden Gruppen der Wunsch nach einem (über)starken Staat, der die persönlichen Freiheitsrechte dem Staat unterordnet.

Gerade also die Linke wie auch die SPD haben an die AfD verloren, da das völkisch-nationalistische Denken der AfD dem Denken von ressourcen-schwachen Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt im Sinne von sozialer Gerechtigkeit in Hinblick auf eine gefühlte Benachteiligung in der Flüchtlingspolitik entgegen kam. Das Programm der AfD war hierbei nicht relevant, wie auch aus Wahlnacherhebungen der Demoskopen hervorgeht.

Kenia-Koalition

Die Lage in Sachsen-Anhalt lässt nicht wenige Menschen in und außerhalb von Sachsen-Anhalt mit Fragenzeichen zurück. Die Regierungsbildung ist schwer wie lange nicht. Sachsen-Anhalt prägt erneut ein neues Magdeburger Modell, in dem es dieses Mal eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen hervorbringt.

Die Ausgangslage hierfür ist alles andere als erfreulich. Sollten diese Verhandlungen scheitern, so ist immer noch eine Koalition von CDU und Linken denkbar. Das mag für viele noch unmöglich klingen, aber wer die Linke im Osten kennt, weiß, dass es sich bei ihnen noch eher um eine Ost-SPD handelt.

Doch es sieht, trotz der hitzigen Neuaufstellung der SPD in Sachsen-Anhalt, bisher gut aus für die Kenia-Koalition. Doch wer aus dem Wahlergebnis gelernt hat, der weiß, dass es mit den Grünen an Board keine ökologisiertes „weiter so“ geben kann. Die schwarz-rote Politik der Großen Koalition der letzten Jahre hat gezeigt, wohin ein Land steuert, dass die schwarze Null zum Alleinigen Ziel guter Politik macht. Die schwarze Null bei der Neuverschuldung mag ein hehrer Anspruch sein, denn gerade bei den Deutschen gilt Schulden machen als verpönt. Doch muss man verstehen: Wenn der Staat spart, dann spart er bei seinen Bürgerinnen und Bürgern. Er schließt Schulen, lässt Unterricht ausfallen, kürzt in der Theater- und Kulturlandschaft, erhöht Kita-Gebühren, lässt Streetworker in Jugendclubs mit unangebrachten Personalschlüsseln alleine, schließt Bahnhaltepunkte im ländlichen Raum & spart bei der Instandhaltung von Straßen. Das kann nicht die Erzählung für Sachsen-Anhalt sein. Mit den Grünen muss es ein Umsteuern in dieser Politik geben.

Zeit für den New Deal für Sachsen-Anhalt

Unser Land braucht endlich eine positive Erzählung und einen echten New Deal für Sachsen-Anhalt. Dieses Land darf nicht länger das Land von rechtsradikalen Ergebnissen bei Landtagswahlen und Ausländerfeinden sein. Sachsen-Anhalt muss in Zukunft sozial, ökologische und wirtschaftliche Veränderung vorantreiben. Dafür braucht es eine Politik für alle in diesem Lande. Und dafür braucht es Geld. Sachsen-Anhalt darf nicht länger nur der schwarzen Null hinterher rennen, denn damit bereiten wir den Rechten den Weg. Dieses Land braucht eine Grüne Null. Eine Haushaltspolitik, die dort investiert wo es nötig ist. Zunächst müssen Mittel umgeschichtet werden, wenn das nicht genügt, dann sind im Zweifel auch weitere Kredite aufzunehmen. Die Grüne Null muss für eine nachhaltige Haushaltspolitik stehen, die an den richtigen Stellen ausgibt und an den richtigen Stellen spart.

Doch es geht nicht um blindes Geld ausgeben. Es geht um neue Wege für Sachsen-Anhalt. Gerade der ländliche Raum wird immer mehr im Hinblick auf den ÖPNV abgekoppelt. Nun wäre es vermessen Menschen leere und populistische Versprechungen zu machen, die wir nicht halten können. Doch es braucht neue Ideen für Sachsen-Anhalt. Gerade im ländlichen Raum hat Individualverkehr einen hohen Stellenwert. Warum also fördern wir nicht in Zukunft Modellprojekte wie das Car Sharing auf dem Lande? Das Dorfauto wäre eine Antwort auf die Ausdünnung des öffentlichen Personennahverkehrs – generell muss auch die Frage aufgeworfen werden, ob Sachsen-Anhalt eine ÖPNV-Flat-Rate einführt.

Nicht alle Bildungsangebote müssen in der Schule erfolgen. Warum stärkt man nicht auch die Rolle von Vereinen, in dem man deren Engagement in der Schulpolitik involviert? Jemand der sich in einem Verein engagiert, ein Praktikum in einem Unternehmen absolviert oder auch einfach nur gerne an seinem Moped bastelt oder eine App programmiert: Sie alle sollten für individuelles Engagement schulische Anerkennung finden. Fächer wie Technik, Hauswirtschaft, Sport & Co. (je nachdem in welchem Bereich man sich ohnehin engagiert) sollten durch diese individuelle Möglichkeit der Entfaltung ersetzt werden. Die individuelle Rolle eines Menschen in einer solidarischen Gemeinschaft zu gestalten, das wird auf lange Sicht mehr Daniel Düsentriebs für Sachsen-Anhalt hervorbringen und dem Innovationsgeist des Landes gut tun. Ein Land, dass auf die Stärken seiner Bürgerinnen und Bürger (auch der jüngsten) vertraut, ist zu großem fähig. Bürger, Vereine, Wirtschaft und Schulen profitierten hiervon.

Aber auch in der Wirtschaftspolitik könnten neue Wege beschritten werden. Eine Idee wäre das Wirtschafts-BAföG. Ähnlich wie beim Bildungs-BAföG sollten Mittel aus der Wirtschaftsförderung partiell rückzahlungspflichtig werden. Je nachdem ob gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen worden sind, die über dem ortsüblichen Lohnniveau liegen, oder ökologische Standards in einem Betrieb geschaffen worden sind, müsste dann entsprechend nur ein gewisser Betrag an den Staat zurück erstattet werden. Aber auch in der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollten fortan gute Arbeitsbedingungen der Auftragsnehmenden eine wichtigere Rolle spielen. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in allen Ehren, aber gerade die öffentlichen Auftraggeber haben eine besondere Verantwortung und hervorgehobene Möglichkeiten für gute Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es darf nicht länger möglich sein, dass Auftragnehmer weitere Dritte ins Boot holen, die dann über Scheinselbstständigkeiten für das Land Sachsen-Anhalt arbeiten.

Im Bereich der Wirtschaft aber lohnt es sich auch das Thema Tourismus weiter auf neue Beine zu stellen. Tourismusdestinationen haben nicht den gleichen Zuschnitt wie Landkreise. Tourismus das sind kleine und mittlere Unternehmende, die so wichtig für die Kommunen sind, da sie (auch wenn es keinen großen Arbeitgeber in der Region gibt) Menschen beschäftigen, in der Region halten und gleichzeitig Botschafter unseres Bundeslandes sind. Tourismus darf also gerade in Sachsen-Anhalt nicht unterschätzt werden; gerade der Wassertourismus bietet große Potentiale. Das Land muss darauf achten Destinationen besser zu vermarkten und ihre Alleinstellungsmerkmale zu erhalten (z.B. keinen Elbausbau) und mehr für Weltoffenheit zu werben.

Konkret werden, Beteiligung schaffen

Es mag bisweilen sehr kleinteilig klingen und ist natürlich noch unvollständig. Doch wir brauchen eben nun keine großen Worte mehr, sondern ganz konkrete und kleinteilige Lösungen für die bestehenden Probleme in unserem Lande. Der New Deal für Sachsen-Anhalt hat das Große im Blick und setzt im Kleinen an. Bei Bürgerinnen und Bürgern, bei Vereinen, Unternehmen. Unser Land braucht nun von der neuen Landesregierung organisierte Regionalkonferenzen, die auf Dialog ausgelegt sind, um die konkreten Bedarfe und Wünsche der engagierten Bürgerinnen und Bürger zu erfassen. Diese Beteiligungsprozesse mögen einen nicht unerheblichen Kraftakt für die Landesverwaltung darstellen, aber sind letztlich ein relevanter Bestandteil im Erhalt des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft.

Als basisdemokratisch organisierte Partei wissen die Grünen darum, dass es wichtig ist die Beteiligung der engagierten sicherzustellen. Gerade in Zeiten, in der die Gesellschaft auseinanderzubrechen droht, braucht es den Dialog der Demokraten in der gesamten Gesellschaft. Der Populismus ist nur dann erfolgreich, wenn konkrete Erfolge der Demokraten ausbleiben. Ändern wir das also wieder.

Erzählen wir endlich eine positive Geschichte von unserem Land – vom New Deal für Sachsen-Anhalt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Krabbes

Blogger & Speaker zu Digitalisierung & Demokratie.twitter: @stefankrabbes

Stefan Krabbes

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