Klaus Hurrelmann hat während seiner Laufbahn als Wissenschaftler mehrere Elternprogramme wissenschaftlich begleitet oder evaluiert. Nun fordert er, dass zumindest ein Teil des geplanten Betreuungsgeldes in Kurse für Erziehende investiert wird. Davon würden neben den Familien vor allem jene Organisationen profitieren, die heute schon solche Trainings anbieten. Auf dem Markt konkurrieren kommerzielle Anbieter mit den Angeboten von Verbänden. Die Schwerpunkte der Programme unterscheiden sich, allen ist jedoch gemein, dass sie nicht die Kinder selbst als Zielgruppe anpeilen, sondern deren Eltern.
Starke Eltern – starke Kinder
Im Jahr 2000 verankerte der Bundestag das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch. Zugleich forderte er die Träger der Jugendhilfe auf, Eltern dabei zu unterstützen, Konflikte in der Familie ohne Schläge zu lösen. Der Deutsche Kinder-schutzbund reagierte darauf, indem er das Kursprogramm Starke Eltern – starke Kinder auflegte. Ein Kurs beinhaltet acht bis zwölf Einheiten von jeweils zwei Stunden Länge. Jedes der wöchentlichen Seminare besteht aus einer kurzen theoretischen Ein-führung zu einem Motto, etwa „Achte auf die positiven Seiten deines Kindes“. Daran schließen sich praktische Übungen an, am Ende erhalten die Teil-nehmer eine Wochenaufgabe für zu Hause. Ziel des an der humanistischen Psychologie orientierten Programms istes, Erziehende zu „unterstützen, zu entlasten und dabei zu begleiten, den für sie und ihre Kinder passenden Erziehungsstil zu finden“. Mittlerweile hat der Kinderschutzbund 12.000 Elternkursleiter ausgebildet.
Family-Programm
Die ersten Elterngruppen des gemeinnützigen Buddy e.V. starteten im Februar 2012 in Berlin, Düsseldorf und dem Kreis Lippe. Die Kurse wollen „Eltern als Lernbegleiter ihrer Kinder unterstützen und Familien somit mehr Bildungschancen eröffnen“. Dafür treffen sich Eltern und ein Trainer zwölfmal, zunächst in einem zweiwöchigen, später dann vierwöchigen Rhythmus. Besprochen werden Unterstützungsstrategien beim Lernen, Mitwirkungsmöglichkeiten in der Schule und die Rolle gesunden Aufwachsens für den Lernerfolg. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf dem Übergang von der Kita zur Grundschule. Der Buddy e.V. wurde ursprünglich von der Vodafone-Stiftung initiiert. Das Bundesbildungsministerium finanziert die Begleitforschung des noch jungen Programms.
Triple-P positive Erziehung
Die Anfänge des kommerziellen Anbieters Triple-P liegen in Australien. In den achtziger Jahren entwickelte dort der Psychologe Matthew Sanders von der Universität Queensland das „Positive Parenting Program“, um Verhaltsauffälligkeiten vorzubeugen. Zentrales Ziel ist die Stärkung der Fähigkeit zur Selbstregu-lation von Gefühlen – bei Erwachsenen und Kindern. In Deutschland in den Neunzigern eingeführt, bietet Triple-P inzwischen in zahlreichen Städten Vorträge, Gruppen- und Einzelkurse an. In acht bis zehn Sitzungen sollen Eltern lernen, auf ihre Kinder direkt, konsequent und nachvollziehbar zu reagieren – ohne Schläge oder Drohungen. Obwohl zuweilen als direktive Methode kritisiert, legen viele Begleitstudien positive Effekte auf die Familienangehörigen nahe. Kinder von Kursbesuchern haben eine geringere Wahrscheinlichkeit, später Probleme zu entwickeln. Geschulte Eltern sind zufriedener und zeigen ein entspannteres Erziehungsverhalten als zuvor.
Step
Step steht für „Systematic Training for Effective Parenting“ und ist den USA eines der verbreitetsten Eltern-Programme. Auch in Deutschland bieten inzwischen zahlreiche zertifizierte Kursleiter die zehnwöchigen Gruppenseminare an. Unter anderem orientiert an Alfred Adlers Individualpsychologie wollen die Trainingskurse Einfühlungsvermögen und einen demokratischen Erziehungsstil fördern. Dafür kommen Vorträge, Videopräsentationen, Rollenspiele und Gruppendiskussionen zum Einsatz. Humor ist ein wichtiges Element des Trainings und wird auch als Mittel der Erziehung empfohlen. Studien haben gezeigt, dass Durchschnittsfamilien ebenso von dem Programm profitieren wie durch Krankheit oder Armut belastete Familien.
Familienkonferenz
Die „Familienkonferenz“ des US-amerikanischen Psychologen Thomas Gordon ist ein Modell zur Lösung von familiären Konflikten. Durch aktives Zuhören und Senden von Ich-Botschaften sollen sich die Beteiligten gegenseitig jene Probleme vermitteln, die zu ihrem Konflikt führen. Auf diesem Grundgedanken beruht auch das von Gordon ent-wickelte Familientraining. Es will Eltern zu kompetenten Gesprächspartnern machen, bei denen die Kinder gerne Rat suchen. Ziel ist ein Familienklima, das die Gefahr ver-mindert, dass Kinder später drogen- oder alkoholabhängig werden, selbstzerstörerisch handeln oder vorzeitig die Schule verlassen. Das Training gehört zu den weltweit am häufigsten evaluierten Elternprogrammen. Es betont die Gefahr von Strafen „und un-angenehmen – oft sogenannten logischen – Konsequenzen“ für unerwünschtes kindliches Verhalten.
In der Freitag-Serie „Herkunft: Bestimmt“ erscheinen Beiträge über die Gründe und Folgen der abnehmenden sozialen Mobilität in Deutschland – und was man dagegen tun kann. Zu den weiteren Beiträgen der Serie
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