Falsche Freunde, wahre Feinde

Datenschutz Die FDP hat bei den Koalitionsverhandlungen in Sachen Bürgerrechte das bekommen, wovon die CDU sich leicht trennen konnte. Interessant: Die Internetsperren gehören dazu

Die Nachrichten aus den Koalitionsverhandlungen klingen gut für Datenschützer. Und trotzdem überwiegt im Internet bisher die Kritik, so etwa bei netzpolitik.org, blog.fefe.de oder der Piratenpartei, nicht aber bei blog.odem.org. Dabei haben sich FDP und CDU in den Koalitionsvereinbarungen geeinigt, erst einmal keine Stoppschilder vor Internetseiten zu setzen und den Zugriff auf vorsorglich gespeicherte Telekommunikationsdaten sowie die Online-Durchsuchung von Computern zu erschweren.

Was also ist dran am angeblichen Erfolg der Liberalen?

In der Tat wird die neue Regierung die Vorratsdatenspeicherung nicht "stoppen", wie einige Medien gemeldet haben. Die Daten werden weiter gespeichert wie bisher. Allein der Zugriff auf sie soll erschwert werden. Künftig sollen die Behörden nur noch zur Aufklärung von schweren Straftaten auf sie zugreifen dürfen. Das allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch schon so bestimmt – zumindest so lange bis es endgültig über die Klage entscheidet, die unter anderem der FDP-Politiker Rainer Brüderle gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht haben.

Einen ähnlichen Scheinerfolg gibt es bei der Online-Durchsuchung: Künftig soll nur der Generalbundesanwalt ein Antrag darauf stellen können. Diese bürokratische Hürde wird wohl sicherstellen, dass es auch in Zukunft keine flächendeckende Überwachung von Computern geben wird. Dennoch stellt sich die Frage, warum die FDP das Instrument Online-Durchsuchung nicht ganz kippte. Argumente dafür gebe es ja. Zum Beispiel: Seit der Einführung des so genannten Bundes-Trojaners hat das Bundeskriminalamt (BKA) keinen einzigen Computer durchsucht. Auch wenn es BKA-Vertreter immer wieder betonen, ganz so notwendig scheint diese Ermittlungsmethode nun doch nicht zu sein.

Bei den Internetsperren scheint die FDP dagegen wirklich etwas geschafft zu haben, wenn auch mit einer abenteuerlichen rechtlichen Konstruktion: Das noch vom alten Bundestag verabschiedete Internetsperren-Gesetz soll zwar in Kraft treten, der Vollzug der Paragraphen zu den Internetsperren aber mittels einer Dienstanweisung des Innenministers an das BKA ausgesetzt werden. "Wir haben uns geeinigt, dass das BKA keine Sperrlisten erstellt", sagte die innenpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Piltz, dem Freitag. Auch nicht auf Grundlage der Verträge der Bundesregierung mit den Internetprovidern.

Stattdessen solle das Amt verdächtige Seite bei dem Serverbetreiber melden, auf dem sie hinterlegt ist und der dann entscheidet, ob er die Daten löscht. Das Kalkül dahinter: Da die Serverbetreiber bei einer fälschlichen Löschung auf Schadensersatz verklagt werden können, werden sie nur eindeutig illegale Inhalte vom Netz abklemmen, Zensur sei bei diesem Vorgehen nicht zu fürchten. Nach einem Jahr dann wollen die Koalitionspartner entscheiden, ob es das Internetsperren-Gesetz überhaupt noch braucht oder komplett wieder abgeschafft gehört.

Nun muss es einen Demokraten wohl bedenklich stimmen, wenn eine Regierung ein vom Parlament beschlossenes Gesetz nach Gutdünken nur teilweise umsetzt. Auf jeden Fall ist es jedoch gut möglich, dass die Internetsperren auf diese Weise wirklich gekippt werden. "Das wäre ein großer Erfolg für alle, die sich dafür eingesetzt haben", sagte Franziska Heine, Initiatorin der breit unterstützten Petition der Zensurgegner.

Also doch ein Grund zum Jubel für die Datenschützer? Nicht unbedingt. Denn wer sich ansieht, wie schnell sich die CDU wieder vom Internetsperrengesetz verabschiedet, kann sich eines Eindrucks nicht erwehren: Es ging Ursula von der Leyen bei dem von ihr forcierten Gesetzvorhaben nur vordergründig um den Kinderschutz. Vielmehr diente das Gesetz dem Wahlkampf. Es gefiel dem eigenen Lager, während es die politischen Gegner spaltete. Diesen Zweck hat das Gesetz in den Augen der CDU nun erfüllt, jetzt wird es nicht mehr so dringend benötigt - nicht unwahrscheinlich, dass das Gleiche für die Datenschutz-Aktivisten selbst gilt.

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