Gebremste Enthüller

Spendenkampagne Wikileaks hat Geldsorgen, weil Visa, Mastercard und Paypal uns blockieren, sagt Julian Assange. Der wahre Grund für die Probleme der Plattform liegen allerdings woanders

Manche Wunder sind sehr traurig. Am Montag ist ein solches geschehen. Julian Assange – Wikileaks-Gründer, PR-Profi und stets angriffslustiger Kämpfer für Informationsfreiheit – gab das erste Mal zu, ein Versprechen nicht halten zu können. Seine Enthüllungsplattform lasse sich vielleicht doch zensieren, war die Botschaft, die er der Welt auf einer Pressekonferenz überbrachte. Die Organisation stecke inzwischen derart in Geldnot, dass Wikileaks womöglich Ende des Jahres für immer offline gehen müsse. Bis auf weiteres werde die Webseite keine Dokumente mehr veröffentlichen.

„Wie alles andere in der westlichen Welt wurde Zensur privatisiert“, steht seither auf der Webseite der neuen Spendenkampagne. Gemeint ist damit die Zahlsperre, die Finanzdienstleister wie Visa, Mastercard und Paypal seit Dezember 2010 über Wikileaks verhängt haben und die vorgeblich 95 Prozent des Spendenaufkommens abwürgt. Zugleich habe Julian Assanges Leben unter Hausarrest eine halbe Million Dollar an Zusatzkosten verursacht, die juristischen Auseinandersetzungen eine ganze Million, die in 40 Ländern aufgestellten Server der Organisation dagegen nur etwa 200.000 Dollar.

Auch wenn niemand diese Zahlen kontrollieren kann, man muss sie ernst nehmen. Nicht so sehr als Wahrheit über die Finanzlage von Wikileaks, sondern als Zeichen dafür, wie es um den Zustand des Leaking im Internet insgesamt bestellt ist. Und da gibt es kaum etwas zu beschönigen: die Lage ist prekär. Zwar wird Wikileaks so schnell nicht eingehen, doch die Hoffnung auf mehr gesellschaftliche Transparenz droht enttäuscht zu werden.

Über sieben Wege fänden Spenden immer noch ihr Ziel

Das ist nicht so sehr die Schuld der Banken. Gewiss, die Blockade von Spendenkonten ist eine Sauerei, die aufgelöst gehört – und sei es durch EU-Kartellwächter, worauf Wikileaks hofft. Allerdings: Wikileaks nennt selbst sieben Wegen, wie Spenden immer noch ihr Ziel, via Flattr etwa, über Handyzahlung oder schlicht und einfach per Überweisung.

Problematischer als das angebliche Zensurregime von Visa, Mastercard und Co. erweist sich nun, dass die engagiertesten Verfechter des Transparenz-Ideals einen wichtigen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verspielt haben. Sicher hat dazu im Sommer der Hahnenkampf zwischen Assange und seinem ehemaligen Mitstreiter und Openleaks-Chef Daniel Domscheit-Berg beigetragen, ebenso die Entdeckung einer im Internet zirkulierenden Datei mit unredigierten US-Botschaftsdepeschen aus dem Bestand von Wikileaks. Assange verstand diese Geschehnisse nicht als Warnsignal, dass Leaking-Seiten im Netz vor allem eines brauchen: Offenheit, was die eigenen Fortschritte, Finanzen und auch Fehler angeht. Er ist überzeugt, dass die Welt ohne seine Organisation nicht mehr zu denken ist. Solche Hybris sollte aber gerade im Netz schon mehr als genug bestraft worden sein.

Weil er so denkt, verschanzt sich Assange inzwischen lieber hinter immer neuen Vorwürfen gegenüber anderen. Die apokalyptisch eingeleitete Spendenkampagne aktualisiert das Freund-Feind-Schema ein weiteres Mal. Es ist eine bewährte Strategie, um die eigenen Sympathisanten hinter sich zu scharen. Ob sie diesmal aufgeht, ist zweifelhaft. Zu unklar ist noch, was das Geld bewirken wird. Seit Monaten schon hat Wikileaks keine Dokumente mehr veröffentlicht, selbst lang angekündigte Veröffentlichungen werden nun erneut zurückgestellt. Immerhin: Kaum beachtet kündigte Julian Assange auf der Pressekonferenz auch eine kleine Revolution an. Am 28. November will Wikileaks eine neue Einreich-Plattform präsentieren. Halten die Aktivisten dieses Versprechen, könnte man ihnen jedenfalls bald etwas wichtigeres geben als Geld.

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