„Ich habe mein altes Leben weggelegt“

Im Gespräch Der Netzaktivist padeluun hat 1976 seinen bürgerlichen Namen abgeschafft. Er sagt: Früher war es einfacher, seine Identität zu wechseln
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Foto: Alexander Klink

Der Freitag: Wie heißen Sie denn nun wirklich?

padeluun: Es sind verschiedene Vorschläge im Umlauf. Einer ist Karl Müller, den habe ich selbst in die Welt gesetzt. Andere denken, ich hieße Reinhardt Schätzner, dafür kann ich nichts. Wie ich aber als Kind hieß, dafür müsste ich erst meine Mutter fragen – und selbst die wird heute schon öfters als Frau padeluun angesprochen.

Sie treten wirklich nur als padeluun auf? Auch wenn Sie fliegen, wenn Sie auf Behörden gehen, wenn Sie Verträge abschließen?

Ja. Jemand von der Lufthansa hat mir mal erzählt, dass in meinen Kundendaten dort steht: Passagier besteht auf diesem Namen. Es gibt nur sehr wenige Situationen, in denen es wirklich notwendig ist, mit dem bürgerlichen Zwangsnamen aufzutreten.

Aber man braucht doch seinen Personalausweis immer wieder.

Das ist ein Irrtum, meistens genügt irgendein Lichtbildausweis. Und bei mir steht dort eben „padeluun“. Zum Beispiel auf dem Hausausweis, den ich als Sachverständiger für den Bundestag habe. Das haben einige nette Abgeordnete beim Bundestagspräsidenten so beantragt... und Norbert Lammert hat’s unterschrieben.

Aus welchem Grund verbergen Sie Ihren bürgerlichen Namen?

Ich habe mich mit 18 Jahren entschieden, mein altes Leben wegzulegen und neu anzufangen – als Künstler. Um diesen Neuanfang darzustellen, habe ich einen neuen Namen angenommen.

Sie sind also untergetaucht.

Im Gegenteil, der Name macht mich in der Öffentlichkeit viel präsenter. Wer mich finden will, der muss ihn nur bei Google eingeben.

Andere führen Künstlernamen neben dem echten Namen. Sie haben Ihren ersetzt.

Mir war wichtig, dass ich mich immer wieder für meinen Namen rechtfertigen muss. Das klappt so besser: Wenn ich mich irgendwo vorstelle, kommen sofort Rückfragen und ich bin beim Thema.

Und Ihr Thema ist...

Ich finde es gut, wenn Menschen hinter ihren Werken unsichtbar werden. So können wir zu einem breiteren Konsens kommen, wie wir unser Leben verbessern.

Aber so fallen Sie ja stärker auf.

Marketingmäßig macht mich das sichtbarer, ja. Aber als Mensch habe ich mich etwas verborgen. Ich will ja nicht meine Person transportieren. Im Grunde ist padeluun mein größtes Werk.

Wie eröffnet man ein Bankkonto auf einen ausgedachten Namen?

Ich bin 1976 zu allen Banken rund um den Marktplatz meiner Stadt gegangen und habe gesagt, dass ich ein Konto auf diesen Namen für meine künstlerische Arbeit brauche. Seither behandeln die das wie einen Firmennamen.

Über mehr als 30 Jahre stelle ich mir das im Alltag wahnsinnig umständlich vor.

Es ist manchmal etwas aufwändiger, aber nicht schlimm. Und es lohnt sich. Schließlich zeigt es, dass man für die meisten Sachen eben nicht mit seinem Zwangsnamen identifiziert werden muss, wie es immer heißt.

Machen Sie doch ein Beispiel.

Sie bezahlen und bekommen zum Beispiel eine vorläufige Bahncard. Dann schreibt einen der Service an, dass man seine Daten vervollständigen soll. Man schickt ein Fax zurück: Bitte tragen Sie das einfach so ein wie angegeben. Das geht dann noch zwei-, dreimal so hin und her – und dann hat man die Bahncard.

War es früher einfacher, seine Identität abzustreifen?

Ein bisschen, seither haben sich die Gesetze etwas verschärft.

Welche denn?

Zum Beispiel muss ich einen Ausweis vorlegen, wenn ich ein Handy haben will. Auch das Geldwäschegesetz zwingt die Leute heute bei Kontoeröffnung dazu, sich mit einem amtlichen Ausweis zu identifizieren. Die meisten Regeln sind aber leicht zu umgehen: Sie brauchen nur eine Vertrauensperson.

Würden Sie anderen empfehlen, ihren Namen so konsequent zu anonymisieren wie Sie?

Nur, wenn er oder sie einen Ruf dazu spürt. Auf keinen Fall sollte es darum gehen, sich in die Passivität zurückzuziehen. Ich empfehle – wenn möglich – mit offenem Visier zu arbeiten. Dazu muss man nicht mit seinem Namen vom Taufschein auftreten, aber doch mit einem Namen, mit dem man lebt und sich zeigen will.

padeluun ist Sachverständiger in der Internet-Enquete-Kommission des Bundestags und Mitgründer des Bürgerrechtsvereins Digitalcourage (ehemals Foebud), der erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung klagte

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