Ein Klimagipfel nach dem anderen scheitert. Die Weltgemeinschaft scheint überfordert, die Probleme des Klimawandels zu lösen. Wissenschaftler raten daher zu den Methoden des Climate Engineering – und warnen gleichzeitig davor. Michael Zürn ist Konfliktforscher. Er fordert eine Agentur für Climate Engineering bei den Vereinten Nationen
Der Freitag: Warum kommt Climate Engineering gerade jetzt auf die politische Agenda?
Michael Zürn: Zum einen zeichnet sich ab, dass die Staaten ihren CO2-Ausstoß nicht schnell genug senken werden, um die Erwärmung des Weltklimas auf zwei Grad zu begrenzen. Die Folgen einer zwei Grad höheren Durchschnittstemperatur wären noch einigermaßen beherrschbar. Inzwischen erscheint das aber als kaum mehr erreichbare
inigermaßen beherrschbar. Inzwischen erscheint das aber als kaum mehr erreichbares Ziel. Also beginnt die Suche nach Alternativen. Zum anderen haben sich die Technologien so weit entwickelt, dass in den kommenden Jahren vermehrt Freilandexperimente anstehen. Deshalb müssen wir nun regeln: Was dürfen Forscher tun, was nicht?Was macht Climate Engineering so attraktiv?Befürworter verstehen Climate Engineering als Plan B, falls die Strategie der CO2-Reduktion nicht zum Erfolg führt. Sie argumentieren außerdem, dass der Einsatz dieser Technologien volkswirtschaftlich billiger ist als Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen. Ein weiterer Punkt: Mit einem technischen Lösungsansatz verknüpft sich immer auch die Hoffnung, dass einige Vorreiterstaaten den Klimawandel im Alleingang stoppen können. Bisher müssen die Staaten der Weltgemeinschaft ja alles mühsam in Konsensverfahren aushandeln.Sind die Hoffnungen berechtigt?Wer sich die diskutierten Ideen genauer ansieht, bemerkt schnell: Einige Technologien würden so viel kosten, dass sie nicht zu verwirklichen sind – Spiegel in den Weltraum stellen etwa, um die Sonneneinstrahlung auf die Erde zu verringern. Andere Maßnahmen sind günstiger, haben aber nur dann spürbare Effekte auf das Klima, wenn viele Länder mitmachen: die weltweite Aufforstung von Wäldern zum Beispiel oder die Düngung der Ozeane. Dabei haben wir politisch aber wieder die gleiche Herausforderung wie bei der CO2-Reduktion: Mehrere Länder müssen sich einigen.Also ist es eh klar, dass sich Climate Engineering nicht etablieren wird?Es gibt zwei Maßnahmen, die sowohl einigermaßen effektiv, als auch von einzelnen Staaten durchführbar sind: Das Versprühen von Staubpartikeln in der Atmosphäre und die Aufhellung der Wolken über den Ozeanen. Beides würde die Intensität der Sonnenstrahlung auf der Erde verringern. Allerdings sind das genau die Techniken, die weltweit die größten Konflikte verursachen werden.Was befürchten Sie?Wir reden hier über Großtechnologien, die mit enormen Risiken verbunden sind. Niemand kann genau absehen, welche Folgen es weltweit hat, wenn wir zum Beispiel einen Staubschleier um die Erde legen. In einigen Ländern – nicht nur in Deutschland – würde die Bevölkerung da sicher auf die Barrikaden gehen. Außerdem hat jede der Technologien ja ganz konkrete Effekte in einzelnen Ländern. Es wird Staaten geben, die profitieren, andere werden Nachteile haben. Wir wissen allerdings nicht genau, wer wie betroffen sein wird. Umso unklarer aber die Verteilung von Schaden und Nutzen, desto größer werden die Widerstände sein, wenn zum Beispiel die USA und Großbritannien einfach mal ihre Flugzeuge aufsteigen lassen. Dann denken alle: Die spritzen und sprühen eben so, dass es ihnen selbst hilft.Könnte es zu Klima-Kriegen kommen?Klassische, zwischenstaatliche Kriege halte ich für unwahrscheinlich.Aus welchem Grund?Sollte sich eine Gruppe von Ländern zum Climate Engineering entschließen, wären in jedem Fall die USA Teil dieser Gruppe. Und nicht viele Staaten haben das Potenzial, die USA militärisch herauszufordern. Allerdings nimmt der Widerstand gegen den globalen Einfluss auf einzelne Gesellschaften inzwischen ganz andere Formen an: Wir müssen da nicht mal an Terrorismus denken. Ich halte es zum Beispiel für möglich, dass einige Länder dann aus Protest den ganzen Klimakonventionsprozess den Bach runter gehen lassen. Dann hätte der Versuch, das Klimaproblem technisch zu lösen, sogar das Gegenteil erreicht.Warum lassen wir nicht schlicht die Finger davon?So einfach können wir es uns auch nicht machen. Stellen Sie sich vor, wir bekommen auch in den nächsten Jahren kein vernünftiges Klimaabkommen zustande und der Golfstrom reißt ab. Das würde zu einem drastischen Klima-Umschwung in kurzer Zeit führen. In dieser Situation hilft es nicht mehr, Treibhausgase einzusparen. Es wäre gut, dann eine Alternative in der Schublade zu haben. Andererseits ist es naiv zu glauben, dass eine solche Technologie nicht eingesetzt wird, wenn sie einmal erforscht ist. Die Gefahr ist groß, dass Länder ihre Bemühungen aufgeben, den Kohlendioxid-Ausstoß zu verringern und stattdessen auf Climate Engineering setzen.Was schlagen Sie also vor?Ich denke, die Staaten sollten sich zunächst verpflichten, die möglichen Folgen von Climate Engineering erst grundlegend zu erforschen, bevor sie es einsetzen. Langfristig können die Gefahren meines Erachtens aber nur dadurch reduziert werden, wenn alle betroffenen Staaten an Erforschung, Einsatz und Überwachung beteiligt werden.Wie soll das gehen?Eine internationale Organisation – eine Art Climate-Engineering-Agentur der Vereinten Nationen – könnte die Forschung in diesem Bereich koordinieren und kontrollieren. Das haben Wissenschaftler und Politiker schon in den Fünfzigern für die Atomtechnologie gefordert. Es scheiterte damals am Ost-West-Konflikt. Aber heute leben wir in einer anderen Welt.