Einen Monat vor ihrem Bundesparteitag ist in der Piratenpartei ein heftiger Richtungskampf ausgebrochen – getarnt als Personalquerele. Am Montag richtete der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer seinem politischen Geschäftsführer via Spiegel Online aus: „Ich würde Johannes Ponader raten, mal zu arbeiten, anstatt Modelle vorzustellen, die die Berufstätigkeit umgehen.“ Ponader hatte im Sommer öffentlich seinen Verzicht auf Hartz IV erklärt und erwogen, künftig von Spenden zu leben – was innerparteilich teilweise scharf kritisiert wurde.
Mit seiner Äußerung eskaliert Schlömer den Streit, wie die Partei angesichts sinkender Umfragewerte für den Bundestagswahlkampf ausgerichtet werden soll. Derzeit streiten innerparteilich zwei Modelle um Hegemonie: Nach dem einen sollen die Piraten eine sozialliberale Bürgerrechtspartei werden und die Lücke schließen, die die wirtschaftsliberale Entwicklung der FDP seit den achtziger Jahren im Parteienspektrum gelassen hat. Das andere Modell versteht die Piraten als emanzipatorisches Projekt, das mit den Mitteln des Internetzeitalters die wirtschaftliche und politische Teilhabe der Bürger am Gemeinwesen stärken will.
Für das sozialliberale Modell treten neben Schlömer etwa der stellvertretende Bundesvorsitzende Sebastian Nerz und der langjährige Vorsitzende Jens Seipenbusch ein. Beide haben in den vergangenen Wochen öffentlich Ponader kritisiert, der aus seiner sozialpolitischen Ausrichtung keinen Hehl macht.
Das Liquid-Feedback-Interview des Freitag wurde unabhängig von dem Richtungsstreit geplant und begonnen. Gleichwohl werden es einige nun unweigerlich auf der Folie des aktuellen Konflikts lesen. Denn auch in der Frage, welche Rolle Liquid Feedback in der Partei spielen soll, sind die Gemüter uneins. Die Partei müsse vor allem die Kompetenz in ihren Kernthemen Internet, Urheberrecht und Bürgerrechte stärken, sagen die einen. Emanzipatorisch orientierten Piraten dagegen liegt eine Reform der Demokratie, auch mit Online-Werkzeugen, tendenziell stärker am Herzen.
Entsprechend fällt auch das Gewicht aus, das die Kontrahenten Liquid Feedback innerparteilich zubilligen. Während die einen darin nur eine Hilfssoftware für die Programmarbeit sehen, sind manche Piraten gerade wegen der Online-Beteiligungsmöglichkeiten in die Partei eingetreten. Für sie verbindet sich mit dem Gebrauch der Software auch die Hoffnung auf eine neue Kultur der politischen Beteiligung, die das gegenwärtige repräsentative System überwindet.
Liquid Feedback und der Zank bei den Piraten

Foto: Daniel Roland/AFP/Getty Images
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