Macht und Geschwindigkeit

Netzneutralität Das Geld will im Netz Vorfahrt haben. Jetzt hat sich der rot-rot-grüne Nachwuchs des Themas Netzneutralität angenommen - und probt schon einmal für künftige Koalitionen

Wenn es nicht um die Freiheit im Netz ginge, könnte man den Telekommunikations­firmen für ihre Durchtriebenheit durchaus Respekt zollen: Sie versprechen ihren Kunden immer mehr und immer aufwändigere Netz-Angebote wie Filme und Spiele – und das alles soll in Echtzeit funktionieren. Andererseits investieren sie aber zu wenig Geld in neue Datenleitungen, die diesen ganzen Verkehr zügig transportieren können. So könnte das Internet in nicht allzu ferner Zukunft an seine Kapazitätsgrenze stoßen. Betriebswirtschaftlich kann ein solcher Stau auf der Datenautobahn für die Provider dennoch sinnvoll sein. Ein Vertragskunde bringt objektiv auch dann noch Geld, wenn ihn die Ladegeschwindigkeiten subjektiv schon lange nerven. Vor allem aber ermöglicht ein Dauerstau auch neue Geschäftsmodelle.

Inzwischen ist es technisch möglich, Datenpakete mit einer Art virtuellem Blaulicht zu versehen. Sie flitzen dann wie Feuerwehrautos auf einer echten Autobahn an den anderen, wartenden Datenpaketen vorbei. Warum also, fragt Telekom-Chef René Obermann, sollte „Premium-Übertragungsqualität“ keinen Extra-Obulus kosten, zum Beispiel, wenn ein Film im Internet ruckelfrei laufen soll? Sollte man jemanden, der seine E-Mails innerhalb von Minuten beim Empfänger ankommen lassen will, dafür nicht extra zahlen lassen? Und warum nicht auch die Aktivisten, die sich mittels des Netzes organisieren und die zwar wenig Geld haben, aber auf eine schnelle Übertragung ihrer Daten angewiesen sind? Oder die Blogger und Medien, die wollen, dass sich ihre Webseiten nicht gähnend langsam aufbauen?

Ärger und Gefahr

Es ist ärgerlich, wenn ein Mangel von seinen Verursachern genutzt wird, um Cash zu scheffeln. Wirklich gefährlich aber ist: Sollten bestimmte Daten im Internet gegen Geld bevorzugt werden, wird sich die Markt- und Meinungsmacht schnell bei den finanzstarken Akteuren konzentrieren. Wie leicht ein bestimmter Inhalt zugänglich ist, würde dann nämlich der Geldbeutel bestimmen, die Angebote finanzschwacher Sender blieben im Stau stecken.

Es ist unter anderem dieser Zusammenhang zwischen der finanziellen Potenz des Einzelnen und seiner Teilhabe am Kommunikationsraum Internet, die einige aufstrebende Mitglieder der drei großen linksorientierten Parteien nun zur Online-Unterschriftenaktion ­pro-netzneutralitaet.de motiviert hat. Die inzwischen mehr als 8.000 Unterzeichner fordern ein Garantiegesetz, das Internetfirmen verpflichtet, alle Daten – unabhängig von Herkunft, Art und Inhalt – mit demselben Tempo weiter­zuleiten, das Netz also als neutrales Medium zu erhalten.

Probe für künftige Koalitionen

Auf Anfrage ist selbst Initiator Björn Böhning, dem Sprecher des SPD-Gesprächskreises Netzpolitik, noch unklar, was mit den Unterschriften später geschehen soll. Auch bis wann die Unterstützerliste online ausliegt, steht noch nicht fest. Einige parteienskeptisch eingestellte Internet-Aktivisten mögen die Zusammenarbeit als machtpolitisch motivierte Klüngelei bezeichnen. Manche Parteistrategen wiederum mögen Netzpolitik immer noch als sekundäres Politikfeld abtun.

Aber das greift zu kurz: Die Netzpolitik, in der parteipolitische Fronten bisher nur schwammig definiert sind, dient dem rot-rot-grünen Nachwuchs als Anknüpfungsfeld, auf dem sich nicht nur inhaltliche Gemeinsamkeiten finden, sondern sich auch ausprobieren lässt, wie die Zusammenarbeit über Partei­grenzen hinweg praktisch und menschlich funktioniert.

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