Müssen Frauen Billy bauen?

Männersache Es soll Männer geben, die sagen, sie könnten qua Männlichkeit objektiv nicht putzen. Und es gibt Frauen, die sagen, Regalaufbau sei Männersache. Haben sie recht?

Es soll sie ja geben, diese Männer, die von sich behaupten, dass sie einfach nicht so gut putzen können. Oder die Spülmaschine einräumen. Oder Wäsche waschen. Gemeint sind damit nicht etwa jene Typen, die vorgeben, sie würden all das nicht schaffen, weil sie abends zu müde, tagsüber zu beschäftigt oder morgens zu faul sind – und lieber eine Haushaltshilfe bezahlen, als das Zeug selbst zu machen. Solche Männer kenne ich natürlich, einen davon sehe ich jeden Tag, wenn ich in den Spiegel schaue.

Nein, hier ist die Rede von Männern, die sagen, dass sie objektiv schlechter sauber machen als eine Frau. So häufig wie solche Männer in Erzählungen und in Zeitungen auftauchen, muss es sie wirklich geben. Vielen meiner weiblichen Bekannten sind solche Exemplare schon begegnet. Ich selbst kann an deren Existenz nur glauben, persönlich kenne ich niemanden, der so etwas laut ausspricht.

Bezeugen kann ich dagegen, dass es Frauen gibt, die ganz ungeniert von sich behaupten, kein Billy-Regal zusammenbauen zu können. Manche dieser Frauen sagen: „Man muss ja nicht alles können.“ Oder: „Wenn ein Typ das gern macht, dann muss ich den doch davon nicht abhalten.“ Damit haben sie natürlich vollkommen recht. Und wenn ich gut drauf bin, diskutiere ich das nicht weiter. Allerdings weiß ich auch: Mit so einer könnte ich nie zusammen sein. Die traut sich nicht mal an ein Ikea-Regal ran.

"Jetzt ist es fest, Papa"

Ich gebe zu: Mir war es wichtig, dass meine zwei Jahre alte Tochter einen Spielzeug-Akkuschrauber geschenkt bekommen hat. Der wird mit zwei Batterien betrieben und ist eine detailgetreue Miniatur des Geräts, das in unserem Werkzeugkasten liegt. Manche Hersteller von Elektrowerkzeugen bieten ja inzwischen Kinderversionen ihrer Produkte an. Klar, das ist kapitalistisches Schweine-Marketing, aber bei uns ist der Schrauber stets ein Renner, wenn andere Kinder zu Besuch kommen.

Interessanterweise versuchen die meisten Jungen und Mädchen damit zunächst, ihren Bauchnabel abzuschrauben. Auch meine Kleine hat das so gemacht, als sie ihn zum ersten Mal in der Hand hatte. Heute aber zeigt sie ihrem Besuch schnell, was man mit dem Schrauber alles „raparieren“ kann: den Kinderstuhl, die Türen und das Knie von diversen Papas zum Beispiel.

Sollte meine Tochter später Männer attraktiver finden als Frauen, wird auch sie mit ihnen die Alltagskonflikte der Geschlechter aushandeln. Man kennt das: Frau und Mann sitzen sich in der gemeinsamen Wohnung gegenüber und sprechen über den geschlechter­gerechten Gebrauch von Putz- und Werkzeug. Doch statt die Sauberkeit oder den Regalraum der Wohnung zu vergrößern, lassen solche Gespräche oft schnell kleine Mauern zwischen den Partnern wachsen.

Das ist nicht weiter schlimm, solange beide es schaffen, ihre Positionen irgendwie flexibel und humorvoll zu halten. Das aber kann gar nicht funktionieren, wenn einer der beiden Unvermögen als Argument ins Feld führt. Wer etwas nicht können will, um damit den anderen zum Handeln aufzufordern, beendet das Gespräch auf Augenhöhe. Er behauptet, der andere verlange etwas Unmögliches – und er macht sich selbst zum Opfer.

Ich wünsche meiner Tochter einen Mann, der so etwas nicht nötig hat. Und ich wünsche ihr, dass sie später weder vor Selbstbauregalen noch vor Waschmaschinen zurückschrecken muss. Bisher ist sie auf einem guten Weg, denke ich. Kürzlich hat sie jedenfalls mit ihrem Spielzeughammer und mit voller Kraft Dellen in die Beschichtung unseres Billy-Regals gedengelt. Als ich nachsehen kam, sagte sie: „Jetzt ist es endlich fest, Papa.“ Ich habe ihr dann einen Kuss gegeben.

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