Seid Internet zueinander

Mitbestimmung Hell, hübsch, halb offen: Der Bundestag hat eine neue Internet-Präsenz. Blöd nur, dass der Parlamentspräsident Demokratie im Netz eher nicht so toll findet

Irgendwie hat Norbert Lammert ja recht. Aber eben nur irgendwie. Und darin liegt für alle, die das Internet als Chance für mehr Demokratie begreifen, ein Grund zum Aufhorchen. Bei der Präsentation des neuen Web-Auftritts des Deutschen Bundestags sagte der Parlamentspräsident: "Ich finde es problematisch zu meinen, man könne an den elektronischen Petitionen erkennen, welche Themen in der deutschen Öffentlichkeit die größte Aufmerksamkeit finden."

Es stimmt: Noch gibt es nicht allzu viele Omas, die sich regelmäßig per Maus-Klick für die Abschaffung der Kaffeesteuer oder gegen das Verbot von Killerspielen aussprechen. Selbst erfolgreiche Online-Petitionen werden von den meisten Bürgern nur dann wahrgenommen, wenn sie den Sprung aus dem Netz heraus schaffen – in die Zeitungen, ins Radio, ins Fernsehen. Dennoch zeigt Lammerts Aussage auch, dass er sich offenbar schon in einem Rückzugsgefecht wähnt.

Denn dass der Inhalt einer Petition repräsentativ für die Meinung der deutschen Bevölkerung sein könnte, hat bisher selbst im heißesten Zensursula-Gefecht niemand ernsthaft behauptet - auch deshalb, weil Petitionen das gar nicht müssen, um ernst genommen zu werden. Wenn Lammert nun sagt, im Netz ließe sich Zustimmung ja "mit einem schlichten Klick" signalisieren, offenbart der Parlamentspräsident nicht nur mangelnde Sachkenntnis über das Petitions-Prozedere. Er zeigt auch, dass ihm die Einmischung der Bürger übers Netz langsam nicht mehr ganz geheuer erscheint.

Gut möglich, dass der neue Internet-Auftritt des Bundestags Lammerts Unbehagen noch verstärkt. Zu wünschen wäre es. Von nun an sind jedenfalls die aktuellen Online-Petitionen direkt auf der Start-Seite sicht- und anklickbar – was sowohl die Zahl der Petitionen als auch die der Mitzeichner erhöhen dürfte. Seit dem Relaunch präsentiert sich das Parlament online in einem gedeckten Weiß/Grau. Weniger erhaben soll die neue Seite so wirken, offener, aber genauso seriös wie der vormals blau gefärbte Auftritt. Ein blaues Wunder für die Verärchter der Netzdemokraten ist dennoch nicht ausgeschlossen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden