Verstörend still

Innere Sicherheit Weitgehend unbemerkt hat Deutschland die Forderung einer europaweiten Datei für Globalisierungsgegner in den EU-Aktionsplan zur Inneren Sicherheit geschmuggelt

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Deutschland die Forderung nach einer europaweiten Datei für "gewaltbereite Störer" in den kürzlich präsentierten EU-Aktionsplan zur Umsetzung des so genannten Stockholm-Programms geschmuggelt. Eine solche Datei könnte schnell zu einem recht vollständigen Register europäischer Globalisierungskritiker werden, auf dessen Grundlage sich Aktivisten bei politischen Großereignissen präventiv an innereuropäischen Grenzen festsetzen ließen.

Als EU-Kommissarin Vivian Reding den Aktionsplan vorstellte, betonte sie, dass der Plan die Datenschutz-Standards in der Union verbessern, Bürokratie abbauen und Rechtsunsicherheiten für Unternehmen wie Bürger beseitigen werde. Alles in allem: für die EU-Bürger werde alles super. Super sicher. Und zugleich blieben sie super frei. Es wäre übertrieben von Reding zu erwarten, alle 170 Vorhaben des Programms zur gemeinsamen Innen- und Sicherheitspolitik bei einer Pressekonferenz aufzuzählen - inklusive der politisch heiklen womöglich.

Ohne nennenswerten Widerhall in der deutschen Presse (Ausnahmen hier und hier) weist die Bürgerrechtsorganisation Statewatch jedoch darauf hin, dass sich auf Seite 31 des Plans die Forderung findet, die Europäische Kommission möge bis zum Jahr 2012 beraten, wie der Datenaustausch über "violent travelling offenders" zwischen den Mitgliedsstaaten und mit der Polizeibehörde Europol verbessert werden könne. Laut Statewatch führen bisher lediglich Deutschland und Dänemark eine Liste über so genannte "International agierende gewaltbereite Störer" (IgaSt). Schon 2009 habe eine deutsche Delegation vorgeschlagen, dass EU-Recht so zu ändern, dass Mitgliedstaaten selbst dann Verdächtige in eine EU-Datenbank eintragen dürften, wenn die nationalen Gesetze keine solche Datei vorsähen.

Sollte sich Deutschland durchsetzen und eine Datei nach Vorbild der IgaSt auf EU-Ebene einführen, könnte sich auch viele Globalisierungskritiker schnell in der neuen Datei wiederfinden. Zumindest, wenn auch die deutschen Kriterien für eine Aufnahme in die Datei übernommen werden. Nach Auskunft der Bundesregierung werden in der IgaSt-Datei nämlich nicht nur verurteilte Straftäter vermerkt, sondern schon Personen, die ihren Personalausweis bei einer Demonstration zeigen mussten, auf der es zu Ausschreitungen gekommen ist. Einmal in der Datei gespeichert, kann dem Betroffenen bei Großereignissen wie etwa einem Regierungsgipfel kurzfristig die Einreise selbst in Schengen-Staaten verweigert werden.

Bisher scheint es noch eine Front von Gegnern einer solchen Datei innerhalb der EU-Staaten zu geben - etwa Belgien, Litauen, Schweden und die Slowakei. Dennoch sollte sich niemand allein auf die Präferenzen einzelner Regierungen verlassen, zumal auf die von kleinen Staaten. Wollen die Bürgerrechtler Europas effektiv wirken, werden sie nicht umhin kommen, sich auch auf europäischer Ebene öffentlich sichtbar zu machen.

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