Randgänge

Comic Sinnsucher ...

Sinnsucher

Rich Koslowskis Figuren sind Getriebene, auf der Flucht vor finanziellen Sorgen und zerbrochenen Familien. Ihr Leben bietet keinen Halt, was die diversen Süchte nicht vergessen machen können. Das ändert sich, als 2005 in Las Vegas ein Sänger auftaucht, der sich unbescheiden "The King" nennt. Im festen Glauben, Elvis Presley weile immer noch (oder wieder) unter den Lebenden, strömen Hunderte von Fans in die Stadt. Der abgehalfterte Gonzo-Journalist Paul Erfurt soll dem Mythos im Auftrag des Time Magazine auf den Grund gehen. Erfurt, bekannt für halbfiktionale Reportagen, steckt in einer ernsten Sinnkrise und hat seit Jahren nichts mehr veröffentlicht. Zwischen dem skeptischen Journalisten, dem King und seinem zwielichtigen Gefolge beginnt ein Kräftemessen. Dabei wird deutlich: Ihre gemeinsame Triebfeder ist die Angst vor der Leere. Wären sie auf sich selbst zurück geworfen, stünden sie vor einer Existenz, die ihnen sinnlos erschiene. Daher akzeptieren sie eine Charade, bei der quasi-religiöse Verehrung und Geschäft Hand in Hand gehen. Ob der King tatsächlich glaubt, er sei Elvis, kann Erfurt nicht ergründen - und will es am Ende gar nicht. Koslowski schildert im charakteristischen Underground-Stil ebenso amüsant wie reflektiert die Sinnsuche in einer orientierungslosen Gesellschaft.

Rich Koslowski The King. Edition 52, Wuppertal 2008, 264 S., 17 EUR

Schicksalsboten

Eine allegorische Erzählung um Abschied und Tod präsentiert Cyril Pedrosa. Joachim lebt mit seinen Eltern irgendwo auf dem Land. Ihr Glück ist ungetrübt, bis eines Tages drei Schatten auf der nahen Hügelkuppe stehen und die Familie in Unruhe versetzen. Die Mutter begreift als erste, sie erkennt in den Schemen Todesboten, die ihren Sohn mit sich nehmen wollen. Dieses Schicksal will Joachims Vater unter keinen Umständen akzeptieren. Er flieht mit dem Kind zu einem unbestimmten Ziel - um am Ende doch loslassen zu müssen. Pedrosa zeigt den Tod als Bestandteil des Lebens und rührt damit an einem der ältesten, weil mit Furcht belegten, gesellschaftlichen Tabus. Seine Erzählung ist anrührend, gerade weil der gelernte Disney-Zeichner keine Angst vor Überzeichnung und Pathos hat. Er nimmt sich viel Zeit für seine Figuren, die ihren Gefühlen von stürmischer Freude über verhaltene Trauer bis grenzenloser Wut freien Lauf lassen dürfen. Dies alles fängt er in einem expressiven und variantenreichen, erkennbar am Trickfilm geschulten grafischen Stil ein. Weil er nicht an Witz und an liebevollen Szenarios spart, gelingt es Pedrosa, einer Geschichte um Kindstod lichte, sogar idyllische Momente abzutrotzen.

Cyril Pedrosa: Drei Schatten. Reprodukt, Berlin 2008, 272 S., 20 EUR

Stahlgolem

Ängste, traumatische Erlebnisse und verdrängte Wünsche bilden den roten Faden in den Episoden von Hendrik Dorgathen. In einer surreal anmutenden Sequenz zeigt er, wie Terrorismus und militärische Gewalt einander bedingen und die eine Gewalttat im Schoß der anderen entsteht. Eindrücklicher noch ist seine Darstellung des Gefühls von Unbehaustheit in einer Shopping Mall im Ruhrgebiet, die sich auf der Brache einer abgerissenen Industrieanlage erhebt. Die Rache des alten "Pott" visualisiert Dorgarthen in Form eines Stahlgolems, der die Dienstleistungshölle dem Erdboden gleichmacht.

Stilistisch pendelt Dorgathen zwischen Illustrationskunst und Comic, dessen formalen Rahmen er oft erweitert oder in produktiver Weise sprengt. Seine manchmal drastischen Darstellungen sind reich an Verweisen auf alte Mythen wie auf die Alltags- und Popkultur: Die bei Disney unerträglich brave Micky Maus etwa lebt sich bei Dorgathen als diabolische Karikatur aus. Grafisch ist das oft hoch originell, wobei die Alltagsepisoden mehr überzeugen als die zuweilen etwas vordergründige Gesellschaftskritik.

Hendrik Dorgathen Slow. Edition Moderne, Zürich 2008, 96 S., 29,80 EUR

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