Mit den Ampeln ist das so eine Sache: Wenn alle Farben gleichzeitig leuchten, gibt es entweder Chaos oder Stillstand. Und auf jeden Fall gilt „rechts vor links“. An der politischen Kreuzung zwischen dem Weg zur sozial-ökologischen Transformation und der marktliberalen Sackgasse ist das nicht anders. Da muss es schon verwundern, wie zum Beispiel Grünen-Philosoph Robert Habeck von der politischen Ampel schwärmt, an der Rot, Gelb und Grün gemeinsam in die Zukunft leuchten sollen.
Wahrscheinlicher ist, dass eine Ampelkoalition mit der „großen“, die wir hinter uns haben, eine fatale Gemeinsamkeit aufweist: Die immerhin vorhandenen Reformansätze in der rot-grünen Programmatik dürften von vornherein in ein Kompromiss-Korsett mit der Ideologie der FDP gepresst werden, das – zusammen mit dem unausrottbaren Dogma der Koalitionstreue – die Räume für notwendige Veränderungen gefährlich einengt. Aber ist die Ampel nicht alternativlos, zumal die verbleibenden Alternativen Schwarz-Grün-Gelb oder Rot-Schwarz erst recht Blockade und Stillstand bedeuten würden? Das ist ein gutes Argument – allerdings nur, solange eine andere Möglichkeit ausgeschlossen wird: die Minderheitsregierung.
Diese Variante unterliegt in Deutschland einem seltsamen Tabu. Eine so große und wichtige Macht brauche „Stabilität“, also Mehrheitsregierungen, heißt es oft. Aber was ist das für eine Stabilität, wenn eine Regierung vier Jahre lang vor dem Parlament, das sie doch eigentlich kontrollieren sollte, sicher sein kann? Kleine Änderungen an diesem oder jenem Gesetz im Ausschuss, das geht noch. Aber im Prinzip ist Abnicken Pflicht.
Im Gegensatz dazu würde eine Minderheitsregierung natürlich mehr Unberechenbarkeit bedeuten. Sie müsste sich die Mehrheiten für Gesetze erst suchen, was zwar in diesem Land allgemein als unzumutbar gilt, aber eigentlich zu den Kernelementen parlamentarischer Demokratien gehört. Sie müsste Kompromisse machen, sicher. Aber eben nicht in Koalitionsverträgen, die geschrieben werden, bevor überhaupt der Kanzler gewählt ist. Sondern im jeweils konkreten Fall und je nach Inhalt mit unterschiedlichen Teilen der Opposition.
Das ist nicht einfach, und im neuen Bundestag würde es noch schwieriger. Denn für Rot-Grün, die am ehesten denkbare Minderheitsregierung, würden die Stimmen der geschwächten Linkspartei bei Themen wie Mindestlohn oder Mietendeckel auch nicht reichen.
Komplizierter, aber lebendiger
Das allerdings ist der Witz an Minderheitsregierungen: Wer eh schon Mehrheiten hat für eine gemeinsame Politik, kann auch gleich ein Regierungsbündnis schließen (was Olaf Scholz mit der Linkspartei nicht getan hätte, aber das ist ein anderes Thema). Oder umgekehrt: Die neue Unübersichtlichkeit des Parteiensystems, in dem kein „Lager“ mehr die Mehrheit hat, legt den Gedanken einer Minderheitsregierung erst richtig nahe. Ein Kanzler Olaf Scholz (der übrigens im dritten parlamentarischen Durchgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden könnte) müsste zwar den Kompromiss auch mit Teilen von FDP oder CDU/CSU suchen – aber eben nicht in einem vorher in Stein gemeißelten Koalitionsvertrag, sondern jeweils ganz konkret im Einzelfall. Was umso leichter fiele, als der Ausgangspunkt für diese Kompromisse die konsistente Programmatik einer aus „verwandten“ Parteien gebildeten Regierung wäre. Dieses Modell hat allerdings noch einen anderen, gewichtigen Vorteil: Das Stabilitäts-Argument der Kritikerinnen und Kritiker wendet sich gegen sie selbst.
Warum das? Weil die vermeintliche Stabilität von Mehrheitsregierungen in Wahrheit die Fundamente des parlamentarischen Systems auszuhöhlen droht. Ein Bundestag, der zwar heftig debattiert, allerdings meistens über Ergebnisse, die schon vorher feststehen – das ist eine Steilvorlage für alle, die an der Wirksamkeit demokratischer Kontrolle in diesem System zweifeln oder es (nicht selten begleitet von absurden Verschwörungsmythen) von vornherein verachten.
Der Parlamentarismus hat dringenden Bedarf, lebendiger zu werden. Er muss wieder lernen, Entscheidungen aufgrund offener Debatten statt nach Vorgaben einer von Lobbys und Interessen beeinflussten Exekutive zu fällen. Er muss sich die Aufgabe stellen, mit krisenhaften Entwicklungen oder Impulsen aus der Zivilgesellschaft ohne Angst vor „wechselnden Mehrheiten“ umzugehen. Er muss sich, kurz gesagt, demokratisieren. Geschieht das nicht und verharrt das politische Personal in einer als „Stabilität“ missverstandenen Bewegungslosigkeit, wird sich die jetzt schon klaffende „Repräsentationslücke“ vergrößern, und die Akzeptanz für parlamentarische Entscheidungen wird weiter schwinden – eine Steilvorlage für die rechtsextremen Kräfte, die genau das wollen.
Ja, Minderheitsregierungen sind kompliziert. Aber womöglich wären sie ein Meilenstein auf dem Weg zu einer wirklich stabilen, weil lebendigen Demokratie.
Kommentare 42
ach ja !
denk-bar ist sooo vieles, was weit von der umsetzung
in wirk-same realität ist...
warum sollte eine wacklige parlaments-koalition die
parlamente "lebendiger" machen?
warum sollte von "lebendigeren parlamenten"
die außer-parlamentarische demokratie gewinn haben?
wenn man die kirche "im dorf läßt", heißt das nicht,
daß damit die gut-gläubigen an einfluß gewinnen.
Bewegung ist immer gut. Nur die Richtung muss stimmen. Vieles in der Welt wird immer zeitkritischer. Stillstand deswegen zunehmend eine schlechte Sache.
Angst ist gefährlich. Deutsche scheinen viel davon zu haben. Gelähmt ist mindestens mehr als die Hälfte. Abwarten zaudernd.
Kollektiv den Kopf in den Sand stecken geht bald nicht mehr.
A. Der Sand wird knapp.
B. Und viel zu heiß.
Mach was Deutschland.
P.S. Die Gefahr kommt aus der Ecke des Kapitals, ähnlich wie in den USA immer stärkeren Einfluss auf die Forschung und die Naturwissenschaften auszuüben, um später einmal womöglich haupsächlich nur noch alternative, kapital-affines "Wissen" zu produzieren.
Ob wir endlich kollektiv merken werden, dass die Mitte neoliberal extremistisch besetzt gewesen ist und man sie sich erst zurückholen wird muss?
Wann endet die Durchsetzungsindeologie des Kapitals aka Neoliberalismus?
Lebendigkeit, sprich mehr Demokratie ist nicht gewünscht. Lieber Parteidisziplin, Koalitionszwang.
Es geht ja noch lebendiger. Man kann ja auch mal Umfragen mit aufnehmen, von Ideen der vielen Parteien, die nicht in das Parlament gekommen sind. Das sind über Millionen Stimmen. Und noch mal Millionen Stimmen der Nichtwähler. Fragt sie mal.
Mag schon sein. Lebendiger wär's vielleicht schon. Aber das ist erstmal auch nur eine "Farbvariante", nur eben eine, die nicht ein paar Jahre lang konstant ist, sondern "lebendig" lichtorgelt. Man müsste mal durchrechnen, ob etwa die sozialreformerischen Ansätze (getragen von einer entsprechenden Steuerpolitik), wie sie in den Wahlprogrammen von R, G und R nachzulesen sind, und die bspw. in einer Ampel 100pro an der FDP, an der Fraternisierungslust der Grünen und am Machtrausch der SPD scheitern werden, ob die also von Fall zu Fall Mehrheiten kriegen würden. da ist wohl Skepsis angebracht.
PS: Die jetzt überall rumgereichten Farbkombinationen machen keinen wirklichen Unterschied. Gelb und Schwarz werden sich in jeder Variante, an der sie beteiligt sind, mit ihrer Auffassung von Sozial- u. Steuerpolitik durchsetzen. Die Grünen mit Habeck mit Oberwasser werden Juniorpartner bleiben und Kröten fressen, eine nach der anderen. Und die Kröten werden ihnen sogar recht glatt den Rachen runterrutschen. Bei der SPD ist es ähnlich. Die Grünen könnten Arsch in der Hose zeigen, indem etwas tun, was die Lindner-FDP letztens vorgemacht hat: Sich einer Koalition verweigern, in der sie ihre Essentials aka Wahlversprechen nicht umsetzen können.
"Minderheitsregierung" mit "offener Debatte" und "Mehrheiten suchen" - das ist ziemlich naiver Quatsch. Jedes einzelne Gesetzesvorhaben, jeder parlamentarische Wahlakt würde dann zum Gegenstand eigener Verhandlungen nach dem Muster Geschäft und Gegengeschäft bis zur vollständigen Unbeweglichkeit aller Beteiligten. Und da muss sich keiner einbilden, dass die Presse mit am Tisch sitzt. Mit Koalitionsverträgen wird diese politische Börse zwar nicht gänzlich ausgeschaltet, aber doch zumindest eingeschränkt und in stabilen Bahnen gehalten.
Der Beitrag verstärkt bei mir den Eindruck, dass Wahlergebnis-partout-nicht-akzeptieren-Könner nicht ausschließlich im unionschristlichen Lager vorzufinden sind.
Gegen das anskizzierte Doch-noch-Rot-Grün-Rot-machen-dann-halt-eben-als-Minderheit lassen sich zwei, drei nicht von der Hand zu weisende Einwände vorbringen:
1. Was die Progressiven können, können die anderen auch. Eine halblinke Mehrheit hätte nicht nur die Klippe einer Kanzlerwahl zu meistern. Die Konstellation sähe sich aus dem Stand dem Widerstand ALLER DREI konservativen Parlamentsgruppen gegenüber. Union, FDP und AfD bräuchten nicht mal ein Bündnis; es genügte, via Stimm-Votum sämtliche Vorhaben der Regierung – Haushalte eingeschlossen – zur Hölle zu schicken. Darüber hinaus dürfte es schwierig sein, angesichts des die Wand gemalten »Volksfront«-Klimas Ergänzungsstimmen aus den konservativen und liberalen Reihen zu erhalten. Fazit: eine Milchmädchenrechnung, die allenfalls durch das Argument »In Skandinavien machen sie das doch auch« eine gewisse Scheinplausibilität erhält.
2. Eine Koalition zuwegezubringen, bei der selbst im Fall einer numerischen Parlamentsmehrheit eine Partei ganz und eine zweite halb »Njet« sagen und den dritten, kleinsten Bündnispartner so verschmähen würde, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Bei einer Minderheitenregierung käme hinzu, dass die zwei größten Parteien im anskizzierten Wünsch-mir-was-Bündnis vor allem anderen machtbewußt agieren – und ein solches Abenteuer schon allein deswegen nie in Erwägung ziehen würden.
3. Ähnlich sähe die Akzeptanz in der Bevölkerung aus. Eine Minderheitsregierung mit einem Partner, der es lediglich via Sonderregeln ins Parlament geschafft hat, würde nicht nur eine Einheitsfront aus allen bürgerlichen Großmedien gegen sich aufbringen. Selbst wenn sie Wasser in Wein verwandeln würde, sähe es mit der bevölkerungsseitigen Akzeptanz eher bescheiden aus.
Die schlechte Nachricht: »Ampel« ist derzeit das höchste der Gefühle. Die gute: In Sachen Begrenztheit parlamentarischer Veränderungsmöglichkeiten haben Wahlen und Berliner Mieten-Volksentscheid eine eindeutige Lehre erteilt. Für die Linkspartei heißt dies: am eigenen Profil arbeiten, das eigene Profil schmieden. Für den Rest bedeutet der 26. September, dass Veränderungen letztlich nicht im Parlament stattfinden, sondern durch außerparlamentarische Bewegungen respektive deren Breite und Tiefe angestoßen werden.
Fazit so: Freuen wir uns, dass der Armin (allem menschlichen Ermessen nach) Vergangenheit ist und (aller Voraussicht nach) zum Obersten Hüter des Aachener Karlsdoms avancieren wird. Zum Rest: Die Rosen wachsen nicht zum Pflücken auf der Wiese.
So richtig das Argument ist, daß unter den gegebenen Verhältnissen eine Minderheitsregierung praktisch kaum möglich ist, so gibt es doch gute Gründe für eine Auflösung der besonders in D starken Denkblockade, ich habe das auch schon mal aussichtslos vorgeschlagen. 1. R, gr, ge sind zwar keine Komplementärfarben, aber mit drei Farben ist man additiv eher an weiß und subtraktiv eher an schwarz als an einer Farbe, richtungslos. 2. Die bürgerliche Demokratie wird immer unregierbarer, denn die Fliehkräfte der Gesellschaft werden immer größer. Der Kampf gegen den Kontrollverlust um eine integrative Mitte wird immer schwieriger, am Ende steht vielleicht eine Allparteienregierung, die aber auch nicht das Weiterso retten kann. 3. Das Ausbaldowern von faulen Kompromissen in den Hinterzimmern der Macht verstärkt die Entpolitisierungstendenzen, ist ganz im Sinn der Herrschenden. Eine Minderheitenregierung zwingt zu einer Auseinandersetzung, die öffentlich vertreten werden muß. Stabilisierend wären zB Absprachen von r-g mit der PdL über die Bereiche der Tolerierung, die zwar keine parlamentarische Mehrheit liefern, aber es richtig durchgeführt den anderen schwer machen, geschlossen dagegen zu stimmen, wenn doch, hätte es einen starken kritisch politisierenden Effekt, so lernte man mit Niederlagen zu gewinnen. Es liefe auf eine Polarisierung der Mitteparteien hinaus und würde die Alternativlosigkeit beenden, die instabile Regierung hätte eine Stabilisierung der Willensbildung zur Folge. So wäre es 4. eine Eigendynamik der Repolitisierung der Mitteparteien, die die Bürger vor die Frage stellt: Weiterso oder ein radikaler Richtungswechsel.
Meine Prognose: Nach dieser Mißgeburt der Ampel, in höchstens vier Jahren, ist es so weit, hoffentlich haben wir nicht zu viel Zeit verloren.
Lirumlarum. Es wird nicht dazu kommen, und es gibt gute Gründe dagegen, die hier schon einige ausgeführt haben.
Viel wichtiger wäre doch generell, den Fraktionszwang (bzw. Fraktionen ganz!) abzuschaffen. Parteien mögen noch eine Funktion haben zur Meinungsbildung, zum Diskurs und der generellen Verortung von Abgeordneten. Mehr aber nicht.
Dreamer. You're nothing but a dreamer. Oh, no.
Sicher gäbe es auch diese Variante. But: we live in germoney.
Minderheitsregierung: der ist gut. Nein, ist er nicht. Denn Gedankenspielchen dieser Güte lenken ab vom Machbaren, Herr Nachbaren. Das Ende vom Lied: alles bleibt, wie es ist. Nichts verändert sich. Nicht mal in homöopathischen Dosen.
Wer seine Wünsche, Träume, Utopien nur vor sich herschiebt - wie Schnee* mit einem Schneeschieber - braucht sich nicht zu wundern, wenn am Ende des Tages der Berg so hoch ist, dass man nur noch einen Tunnel durch bohren kann.
Auch für Utopien braucht es Realismus.
* Schnee, liebe Nachgeborenen, ist etwas Weißes (nein, nicht dieser Schnee), das früher im Winter vom Himmel fiel, manchmal sogar liegen blieb - und nach einiger Zeit häßlich gelb, grün, braun oder schwarz wurde, ehe es wegtaute.
Womit wir schon fast wieder bei der Politik wären.
Nachdem jeder Einzelne soviele Möglichkeiten hat ist das Herumschrauben an einer Regierungsform die z.Z. eh nicht möglich ist vielleicht müßig.
Das versucht man in Gedanken doch seit zig Jahren, erfolglos. Ist das nicht eine Verschwendung von Energie die einem anderswo fehlt? Braucht es immer Verbote von oben oder Regelungen an denen wir bald ersticken?
Stephan Hebel versucht, jedem seiner Auftraggeber das jeweils Gefällige einzureden: In der SPD-eigenen Frankfurter Rundschau erklärt er pflichtschuldigst Frau Wagenknecht zur Leibhaftigen. Hier wiederum hausiert der zeigefreudige Herr mit einer anderen schwülen Fantasie. Bei manchen Zeitgenossen baut die Pandemie offenbar einen unguten Druck auf...
MfS reloaded?
Wohl dem, der sich in die Niederungen der Inhalte hinablässt, statt Personen gegenüber herablassend zu schreiben ...
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann meinen Sie, die gesellschaftliche Integration ist nicht vom Parlament zu dekretieren, nicht mit guten Worten und nicht mit Verboten. Das stimmt zweifellos. In einer funktionierenden Demokratie herrscht nicht die Regierung über das Volk, sondern sie spiegelt das Volk und ist Katalysator für die kluge öffentliche Willensbildung.
»Stephan Hebel versucht, jedem seiner Auftraggeber das jeweils Gefällige einzureden: In der SPD-eigenen Frankfurter Rundschau (…)«
Dass Sahra Wagenknecht angesichts mancher ihrer – es mit der Wahrheit nicht zu genau nehmenden und bei Kritik an ihrem Idol schnell in persönliche Unterstellungen abgleitenden – Fans auch auf der politischen Linken nicht überall wohlgelitten ist, kann ich langsam nachvollziehen.
Zu den Fakten: Die FR ist nicht »SPD eigen«. Via Mehrheitsbeteiligung einen Fuß in der FR-Tür hatte die SPD vergleichsweise kurz – 2004 bis 2006. Wenig mit der SPD am Hut hatte auch der Medienmulti Dumont, der 2006 das Gros der SPD-Anteile aufkaufte. Das Gleiche gilt für die Gesellschafter, die nach der drohenden Inso 2013 das Blatt übernahmen (Frankfurter Societät GmbH: 55 %, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH: 35 %, Karl-Gerold-Stiftung: 10 %). Ebensowenig SPD-gesteuert ist vermutlich auch die Zeitungsholding Hessen, die 2018 die Anteile von Societät und FAZ-GmbH übernahm.
Auch im FR-Kommentar von Stephan Hebel kann ich wenig erblicken, dass auf Teufelsmalerei hinausliefe oder – wegen dem hier dargelegten Szenario, dass ich so übrigens nicht teile – eine »schwüle Fantasie« oder gar Pandemie-verursachte Vorgänge im Gehirn des Verfassers nahelegte. Die – mit allerlei Verschwörungstheorien hochgezogenen und selbst beim Griff in die Eugenik-Kiste bedenkenfreien – Frontbildungen mancher Wagenknecht-Anhänger nach dem Motto »hier unser Idol – da die restliche Linke« zeigen eher, dass diese spezielle Klientschaft auf einem Weg unterwegs ist, der mit klassischen linken Anliegen nur noch wenig zu tun hat.
Ich denke, Änderungen im Konsumverhalten oder Modifikationen eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems muß außerhalb des Parlaments initiiert werden. Die Politik ist gebunden an Verträge, Gesetze usw. Es tauchen juristische Probleme auf, Widerstand in der Bevölkerung, technische Umsetzungsprobleme.
Daß die Politik damit schon lange nicht mehr klarkommt ist deutlich zu sehen. Daher sollte man sich auf die wirklich von der Politik lösbaren Bereiche konzentrieren und ansonsten mit dem Bürger arbeiten, nicht gegen ihn.
Nehmen wir das Umweltthema. Da sind wir sehr schnell im Detailbereich der kaum durch eine Totalregelung zu erfassen ist. Man will etwas reduzieren das aber in geringem Umfang recht nützlich ist. Man könnte nur einen Regelungsmoloch einführen den keiner mehr durchschaut.
Besser wäre es die Kreativität der Bürger zu nutzen, Freiräume zu schaffen, Informationen anbieten und fördern.
Im Klartext: Verbrauchervereine fördern, Warentests unterstützen, behindernde Regelungen streichen, Abschied von der Vorstellung, ein Staat ist für alles zuständig.
Durch Entwicklungen in der Bevölkerung kann sich ein neues Staats- und Wirtschaftssystem ergeben das auch mitgetragen wird. Insofern ist der Einzelne wichtiger als die politische Verwaltung, weil er direkt am Detail ansetzen kann.
Jeder fällt laufend Entscheidungen über Käufe bzw Investitionen. Das hat direkten Einfluß auf die Produktion und Lenkungsmechanismen.
Im Bereich Konsum könnte man sich wieder wie früher eine Warentestsendung im TV vorstellen. Mit aufklärenden allgemeinen Informationen über Funktion und Materialbeschaffenheit incl. Umweltaspekte. Weshalb man diese vor langer Zeit eingestellt hat ist mir schleierhaft. Gut, sie war verstaubt und ähnelte eher einer Regierungserklärung.
>>...die Gesetzesvorschläge ihres Parlaments annimmt...<<
Oder Gesetzesvorschläge, die als Volksinitiative an sie herangetragen werden.
In einer repräsentativen Demokratie werden die Themen im Parlament diskutiert und die darin gewählten sind deshalb dort, weil sie bei einer Direktwahl vorher 'die Hosen herunter lassen mussten', was besagen soll, dass den WählerInnen bekannt war, vorfür jene stehen. So sollte es jedenfalls sein.
Wie Volksentscheide nun nicht unbedingt für Qualität garantieren, sowenig führen die Ergebnisse der im Parlament gewählten zu besseren Ergebnissen, wenn jene ständig in den Rückspiegel der Wählermeinungen schauen und ihre Politik ausschließlich daran bemessen/ausrichten sollen.
Das mag auf den 1ten Blick wie ein Widerspruch demokratischer Prinzipien klingen, muss es aber nicht, wenn die Parlamentarierer jenseits von Parteizwängen der Sache nach zu ihrer freien Willensbildung gelangen können, wobei auch gerade eine Minderheitsregierung den Input liefern könnte. Wenn, ja wenn da nicht die AfD wäre, die man nicht unbedingt auf der eigenen Seite haben möchte.
Aber auch diese ist aus der Willensbildung der WählerInnen dahin gekommen, wie es auch die Linke noch geschafft hat, die wohl immer noch für einige Konservative ein 'rotes Tuch' ist und sei es auch nur, um eine entsprechende Koalition zu verhindern/tabuisieren.
Eine "funktionierende" Demokratie bemisst sich nun woran? An einer Politik des 'weiter so', die im Zweifel immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, da bekanntlich vor allem der Deutsche keine Experimente liebt, vor allem dann, wenn es auch noch etwas kosten sollte? So zeigt sich aber doch gerade eine gute Politik darin, Menschen davon überzeugen zu können, das es eben mit dem 'weiter so' nicht mehr gehen kann, allerdings die Lasten, die daraus entstehen, auch gemäß der 'breiten Schultern' fair verteilt. Das wiederum gelingt sicher nicht mit dieser FDP, wobei ich auch bei SPD und Grünen meine Zweifel habe.
Eine Regierung ist immer eine, die dafür gewählt wurde, einen Rechtsraum zu gestalten, in der die Freiräume der Menschen derart gestaltet sind, das sich die gegenseitigen Interessenwidersprüche in vernünftigen/friedlichen Kompromissen wiederfinden können, wie auch die ethischen Grenzlinien zu ziehen, also solche, wo das Leben/Natur gefährdet wird und/oder die Gesellschaft im Ganzen bedroht ist.
Wenn nun aber 'angeschoben' werden muss, was die Klimakrise/Ökologie unbedingt erfordert, dann kann es durchaus sein, dass entweder diese Erkenntnis bei den WählerInnen weiter fortgeschritten ist, wie es auch umgekehrt bei den Parlamentariern sein kann. Nun bedarf es halt eines Prozesses, wie sich diese Differenz zügig verkleinern lässt und dazu gehört zwingend eine vernünftige/transparente Informationspolitik der Verantwortlichen. Und das wäre im Idealfall keine Einbahnstraße und sollte durch Entscheide wie zurzeit in Berlin befördert werden (können). Allerdings dann auch mit entsprechender Umsetzung.
Eine (eher linke) Minderheitsregierung, die für ihre Vorhaben zwingend auf Unterstützung aus dem Konservativen Lager angewiesen ist, wird nicht funktionieren. Etwas anderes wäre es, wenn die Linke genug Stimmen, d.h. Sitze, bekommen hätte, um eine bürgerlich, konservative und rechte Blockadehaltung durchbrechen zu können.
Die "Grünen" werden sich - da bin ich mir sicher - viel zu billig verkaufen...die Macht hat halt auch a Gschmäckle. Und was dann noch von der sozial-ökologischen Transformation übrigbleibt - nach vielen Feigenblattkompromissen - könnte auch für die Grünen den Satz Lindner`s von vor vier Jahren geeignet erscheinen lassen..."Lieber nicht regieren, als falsch zu regieren". Aber weil Macht und Money..."germoney" in dieser sogenannten Marionettendemokratie von neoliberalen Wirtschaftsinteressen wachstumsorientiert gepflegt wird, bräuchte es schon eine starke, wagenknechtorientierte Linke, um die Finanz -und Wirtschaftsmafia einigermaßen an die Kandare zu nehmen. Ich wünsche mir in Goethe`s Sinne mehr Ungehorsamkeit..."Ungehorsam ist für jeden, der die Geschichte kennt, die eigentliche Tugend des Menschen. Durch Ungehorsam entstand der Fortschritt, durch Ungehorsam und Aufsässigkeit". Aber für faule Kompromisse taugt Ungehorsamkeit nicht. Da würden dann die Grünen ihre bürgerlich-grüne Wohlstandsklientel verlieren, die vom "grünen Wachstum" reden als wäre es resourcenneutral. Mal sehen also, was die vollmundigen Wahlkampftöne der Grünen/SPD noch wert sind, wenn sie auf die neoliberale Betonmauer treffen.
Im Prinzip vollkommen d‘accord. Ich sprach von der idealen Demokratie als Repräsentationsinstanz und als Katalysator der vernünftigen Meinungsbildung. Politiker sollten schon Semiprofessionelle sein, auch das politische Geschäft ist ein Ergebnis der Arbeitsteilung bzw der Komplexität der Gesellschaft.
In der konkreten Situation, in der sich, auch wenn das Personal dazu nicht fähig ist, eine Minderheitenregierung (mit oder ohne die Linken) anböte, wäre die AfD (ein Teil von jener Kraft, die stets …) ein Geschenk des Himmels, die Oppositionsparteien müßten sich ständig überlegen, ob sie wirklich mit dieser Opposition stimmen wollen, das würde nur in den seltensten Fällen klappen, ohne total das Gesicht zu verlieren. Hatten wir nicht in Thüringen das beste Anschauungsmaterial eines CDU-Debakels.
Entschuldigung, eine Frage muß mit ? abgeschlossen werden.
Ich meinte definitiv die Partei die Linke. Linke Positionen in Parteien wie der CDU/CSU, der FDP oder gar der AfD halte ich für sehr überschaubar und im Bundestag für grundsätzlich nicht gestalterisch aktivierbar.
Hatten wir, auch ohne Fragezeichen. :-)
Na, bei Einigen hier kann man offenbar recht leicht in ein Wespennest stechen.
Der Kollege Bartleby zieht mir ein MfS-Kleid an, und Ihre Durchlaucht fiebert was von Eugenik. Irgend ein Diktaturvergleich muss wohl sein, um dem Samstag Struktur zu geben...
So what: Beide hatten immerhin schicke Uniformen (und Lemmy Kilmister konnte bekanntlich nicht irren). :-D
Eigentlich hatte ich ein »Sorry« erwartet wegen der FR-Fakenews, die Sie eingestellt haben und von mir richtiggestellt wurden. Der Logikbrüche in Ihrer Argumentation sind noch einige mehr – aber wahrscheinlich fällt die Anwendung logischer Schlüsse im Wagenknecht-Lager generell unter die Rubrik »Gotteslästerung«. Das erkärt rundweg auch den übergriffigen, aufs ad personam zielenden Ton, mit dem Sie Meinungskontrahenten regelmäßig angehen.
Als ernstzunehmender Diskussionskontrahent haben Sie sich mittels ihrer Beiträge in diesem Thread jedenfalls selbst auf den Mond geschossen.
Nun denn - da Sie offenbar so sehr darauf erpicht sind:
Den Punkt mit der FR gebe ich Ihnen - Glückwunsch.
Aufrichtig beneiden muss ich Sie zudem um die alleinige Deutungshoheit über Logik, ihre zu sanktionierenden Brüche (besondere Schwere der Schuld: ad personam) sowie über das Ernstnehmen anderer Meinungen. Nochmal Glückwunsch.
By the way, es gibt so Einiges, was ich an Sahra Wagenknecht kritisch sehe: Ihr Buch hält manche (über-)pointierte Spitze bereit, die man auch anders hätte formulieren können. Ich sehe das gebundene Werk eher als Reaktion auf - Achtung! - ad-personam-Anwürfe ihrer "Parteifreunde" in sozialen wie asozialen Medien. Der Sportinteressierte könnte auch sagen: Revanchefoul. Zudem hätte der NRW-Wahlkampf sich durchaus etwas abheben können von dem insgesamt ziemilich altbackenen Niveau. Keineswegs freisprechen will ich Frau Wagenknecht von der Verantwortung aller 16 Landeslisten-Anführenden. Also, ja: Ein Sechzehntel Schuld.
Für diesen Kommentar borge ich aus der Ethologie den Begriff Übersprung- oder Ausweichhandlung, um die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl zu beleuchten.
Kurz zusammengefasst bedeutet er in der Evolutionsgenese eine (zunächst) nicht erklärbare Verhaltensweise, die durch die Konfrontation mit widersprüchlichen Reizen (Gefühlen) entsteht. (Wie ich sehe, wird dafür gegenwärtig in Deutschland auch gerne der Begriff „Paradoxon“ benutzt).
Werden die widersprüchlichen Reize nicht rational aufgelöst, kommt es u.U. zu einer 'Patt-Situation', die den Status Quo erhalten mag, auch wenn dies dem Subjekt tendenziell zum Schaden gereicht.
Offensichtlich haben viele politische Akteure und weite Teile der Bevölkerung immer noch nicht die Tragweite und wahrscheinlichen Konsequenzen des globalen Klimawechsels rational und reflektiert erfasst.
Sehr klar erkennbar ist dies, wenn in einer sogenannten Sondierung zwischen Parteien ein Tempolimit 130 auf Autobahnen als ) „Knackpunkt“(!) erscheint.
Völlig, völlig unangemessen im Vergleich zur Dimension des Notwendigen.
Im Jahr 2021 ist das Tempolimit 130 auf Autobahnen ein „Knackpunkt“ in der deutschen Politik. Unglaublich (!)
Diese Verständnislücke konstruktiv zu schließen, ist die wichtigste politische Aufgabe in den nächsten zwei Jahren, gleichgültig, ob in einer Oppositions- oder Regierungspartei, oder in den Medien.
Wenn sich das öffentliche, rationale Verständnis nicht erheblich verbessert, bleiben praktisch nur noch ad hoc Reaktionen auf Wetter-und Klimaereignisse, und eventuelle ‚Naturkatastrophen‘, übrig.
Während einer solchen landesweiten „Neu-Induktionsphase“ hätte – außer der Aufrechterhaltung des normalen Geschäftsbetriebs – nur der qualitative und quantitative Ausbau des lokalen, angepassten Frühwarnsystems und des Katastrophenschutzes wirkliche Relevanz für die Entscheidungsprozesse.
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Referenz:
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbersprungbewegung
https://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese
Hilfestellung auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sein_und_Zeit
Sie haben recht, Linksman:
Stephan Hebel hat in der Frankfurter Rundschau nach der Wahl gegen Sahra Wagenknecht gehetzt wie der schlimmste Gartenzwerg-Parteisoldat. So krass hetzte nach der Wahl kein anderer Journalist. Stephan Hebel zu folgen, heißt, die Linkspartei, die er nicht mag, beim nächsten Mal auf 3% zu drücken.
Was ist von Hebels Idee einer Minderheitsregierung zu halten?
Gibt es in diesem Bundestag eine Partei, von der vorstellbar ist, dass sie Rot-Grün für so unterstützenswert hält, sodass sie eine rot-grüne Regierung toleriert? Sollte das für die FDP gelten und warum?
1.) Hier ist der bekannte Fall aus Schweden. Aber darum kümmert sich Hebel nicht:
Die Sozialdemokraten und die Grünen stellen in Schweden die Regierung und werden von der Linkspartei und den liberalen Parteien toleriert.
2.) Beispiele in Deutschland: Länger bestehende Minderheitsregierungen in Bundesländern gab es 7 mal seit Gründung der Bundesrepublik:
In Sachsen-Anhalt regierte die SPD in den Neunzigerjahren sogar acht Jahre lang erfolgreich und sehr bewusst ohne sichere parlamentarische Mehrheit.
Interessiert sich Hebel, unter welchen Bedingungen Minderheitenregierung zustande kommen, welche Interessen die Beteiligten verfolgen, wie sie funktionieren und wem sie nützen?
Nein, Stephan Hebel baut sein Luftschloss, indem er schreibt: ... "müsste zwar den Kompromiss auch mit Teilen von FDP oder CDU/CSU suchen ... jeweils ganz konkret im Einzelfall".
Olaf Scholz braucht die FDP schon allein darum, weil er dann eine Ausrede hat seine sozialen Wahlkampfversprechen nicht zu halten.
Geld wird da sein für wahnwitzige grün-atlantische Aufrüstung, aber Entlastung für Geringverdiener ?
Aber HAuptsache: die Interessen der Konzerne werden bedient.
Spintisiererei, nichts weiter. Besser wäre wenn Deutschland endlich erwachsen würde und mit Frankreich Führung für Europa übernehmen würde. Als Massengesellschaft mitten in Europa, bar jeglicher natürlicher Ressourcen, ist Deutschland hoffnungslos auf technologisch werthaltige Produktion angewiesen und darum zugleich auf eine starke europäische militärische und politische Verteidigung. Selbstverständlich gehört der Schutz von Umwelt und Lebensqualität dazu, aber neben Verzicht auch und vor allem durch Anwendung von umweltbewahrender (nicht nur umweltschonender) Technologie.
"das Korrektiv der Bürger" - nein, die werden keineswegs vergessen, aber die sind eben keine Abgeordnete. Die sind einfach nicht auf dem Spielfeld. Sie vergessen, dass Parlament und Regierung auch alltäglich arbeiten müssen. Und was den "Fraktionszwang" angeht, so steht es jedem frei, seine Fraktion zu verlassen. Aber solange man dabei ist, muss man den Mehrheitsentscheidungen der Fraktion eben folgen. Die Erfahrung zeigt, dass man ohne Fraktionszugehörigkeit fast jeden Einfluß verliert. Ich bin mal gespannt, welcher Fraktion sich der neugewählte Abgeordnete des SSW anschließen wird, bzw. welche Fraktion bereit ist, ihn aufzunehmen.
"Olaf Scholz braucht die FDP schon allein darum, weil er dann eine Ausrede hat seine sozialen Wahlkampfversprechen nicht zu halten."
Genau so ist das. Bisher jammerte die sPD immer "Wir wollen ja so sozial sein, aber mit der Union ist das ja so schwiiieeerig" (was trocken von Susanne Neumann selig an Gabriel damals gekontert wurde: "Warum geht ihr dann immer mit die Schwatten zusammen?"). Bei einer Ampel können sie dann mit den oliv-Grünen zusammen singen: "Wir wollen ja so sozial und umweltfreundlich sein, aber mit der FDP ist das ja so schwiiieeerig." Rot-Grün allein lässt bereits ein ungutes Gefühl aufkommen - jedenfalls wenn man alt genug ist, sich noch an diese Koalition zu erinnern. Das ganze wiederholt und nun unter einem nicht weniger rechten "Genossen der Bosse" - und dann noch PLUS FDP grenzt schon an eine Horrorvorstellung.
Eine Minderheitsregierung wäre eine Option in einem Parlament, in welchem die ein oder andere Kleinpartei Sitze gewonnen hätte. Im niederländischen Parlament sitzen über 10 Parteien, da machen Minderheitsregierungen Sinn, weil Parteien mit ein paar Sitzen nicht unbedingt ein Ministeramt beanspruchen und Mehrheiten je nach Thema möglich sind, wobei das tendenziell auch auf Kuhhandel herauslaufen kann.
Im deutschen Parlament sitzen relativ wenige eher große Fraktionen von eher etablierten Parteien. Die FDP würde sich auf eine Minderheitsregierung nicht einlassen, die wollen Ministerämter und einen Koalitionsvertrag. Die AfD wird auch gegen rot-grün stimmen. Da müsste schon die Union überzeugt werden sich zumindest teilweise zu enthalten. Warum sollten sie das tun? Halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Wer eine Minderheitsregierung preferiert, sollte für eine Kleinpartei stimmen. Newcomer wollen kein Ministeramt, für sie ist eine Minderheitsregierung sehr interessant, weil sie sich thematisch einbringen und mitbestimmen könnten. Da die Wählerinnen kaum Kleinparteien unterstützen, noch nicht mal bei Direktkandidatinnen, zumindest bei Bundes- und Landtagswahlen, kann man davon ausgehen, dass das Thema Minderheitsregierung sie auf dieser Ebene eher nicht interessiert.
"Und was den "Fraktionszwang" angeht, so steht es jedem frei, seine Fraktion zu verlassen. Aber solange man dabei ist, muss man den Mehrheitsentscheidungen der Fraktion eben folgen."
Auch für Sie ist offenbar Artikel 38 GG Neuland. Nie gehört, nie gelesen, nie verstanden, stimmt's? Klar kann man seine Fraktion verlassen - genau EIN MAL, und danach hat sich auch die Abgeordneten-Karriere erledigt, es sei denn man holt das Direktmandat. Aber irgendeinen Zwang? NIEMALS!!! Gibt's doch gar nicht.
"Die Erfahrung zeigt, dass man ohne Fraktionszugehörigkeit fast jeden Einfluß verliert."
Welchen Einfluss hat ein Abgeordneter, der sein Gewissen in Richtung Fraktionszwang(!) verbiegt?
Ihr habt nur noch nicht gemerkt, dass Ihr SCHLAND bekommt, Schwarz-Rot-FDP-Gelb. Und die Grünen stehen ratlos herum.
Es ist müßig über ein rot-grüne Minderheitsregierung zu spekulieren. DAX wird nie kommen. Es gab (zum Glück) noch nie in D. eine Minderheitsregierung im Bund.
Blöde automatische Schreibkorrektur. DAX = Das
Warum so aufgeregt über Fraktionen diskutieren? Fraktionen gibt es dehalb, damit sie sich durch interne Debatte auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten verbindlich festlegen können. Gewissensfragen sind nur ganz selten dabei. Der Zusammenschluß als Fraktion erlaubt auf diese Weise effiziente Arbeitsteilung und Kooperation der Abgeordneten. Das Gerede vom "Fraktionszwang" ist antiparlamentarische Polemik.
Der Koalitionsvertrag, der bekanntlich selbst die Zukunft nicht "kennt", erscheint stets wie und was er ist: Eine die Vertragsschließenden nicht verpflichtende Absichtserklärung. Wer hat die von der GroKo beschlossenen, aber nie umgesetzten Koalitions-Deals je gezählt?
Brandt machte es 1969 ja ganz anders. Nachdem SPD und FDP so viele unterschiedlichen Politikansätze hatten, schlossen sie gleich gar keinen (!) Koalitionsvertrag, wählten Brandt zum Kanzler, der am 28.10.1969 seine bekannte Rede hielt.
Heute könnten Rot und Grün dem nacheifern, und Scholz im Sinne Hebels Brandt nachahmen, gleich bei der konstituierenden Sitzung des BT:
"Wir wollen mehr Nachhaltigkeit wagen."
Wie weiland 1970 könnte die FDP sich dann ihrer Umweltgrundsätze in den Freiburger Thesen erinnern und ihren Kurz ändern, wie schon heute auf ihrer Website verankert.
Statt ohne einen auf Umweltthemen spezialisierten Fachpolitiker in die laufenden Sondierungsgespräche zu gehen.
Im Grunde schlägt Hebel mit seiner Anregung vor:
Themenbezogen darf und soll jedeR in den Bundestag gewählte Volksvertreter beim jeweils anstehenden Gesetz sich entscheiden, ob er den regelmäßig aus der Regierungs-Feder stammenden Gesetzesentwurf unterstützt oder ablehnt. Insoweit liegt es also an den Verfechtern des fraglichen Gesetzesentwurfs (z.B. Mindestlohn 12-13 EUR), das einzelne MdB inhaltlich zu überzeugen.
Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG erlebte eine Wiedergeburt. Und die neu gewählten - jungen - Vertreter erlebten Partei übergreifend jenseits des "Fraktions-Zwangs" eine eigene Wirkmächtigkeit.
Das vorher in Merkels Jahren "abgekartete Spiel" der ´marktkonformen Demokratie` könnte schrittweise zu Grabe getragen werden.
Vor allem wenn dadurch schrittweise die angesprochene Transformation für Bürger und Unternehmen in einer für alle angemessenen Weise aufs Gleis gebracht würde.
Nun aber steht zu befürchten, dass der von der FDP eingebrachte, einzubringende neoliberale "Input" zu einem weiteren "Zeitverlust" von vier Jahren führt.
Was sich die junge Generation aber nicht bieten lassen dürfte. Mit der Variante der Herausbildung einer neuen bundesweiten Partei sozial-öko-zentrierter Ausrichtung mit Auswirkungen in alle Parteien ...
Wo ist der "Fraktionszwang" geregelt? Und wie sehen Sie das Spannungsfeld zum "freien Abgeordneten" iSd Art. 38 GG?
Mit Ihrer "Polemik" können Sie das GG nicht wegwischen.
Da der Begriff "Fraktionszwang" aus dem Arsenal der polemischen Parlamentskritik stammt, können Sie schwerlich eine formale Regelung erwarten. Materiell werden Sie fündig in der Geschäftsordnung des Bundestages bzw. jeden anderen Parlaments, wo die Rechte von Fraktionen geklärt werden (u.a. Ansprüche auf Finanzmittel), insbesondere aber in den Geschäftsordnungen bzw. Satzungen, die sich jede einzelne Fraktion gibt und die die Pflichten des Fraktionsmitgliedes regelt (u.a. die Beschlüsse der Fraktion umzusetzen in der parlamentarischen Arbeit). Zur Freiheit des Abgeordneten zählt eben auch, sich einer Fraktion anzuschließen, so wie jeder Bürger auch die Koalitionsfreiheit genießt.
Im Falle von Rot-Grün wäre das wohl kein Demokratiegewinn für Deutschland. Wenn es hier nicht den Ausgleich durch Gelb geben würde/ wird, fürchte ich eher eine rot-grüne Diktatur. Diese hätte schlimme Auswirkungen auf Deutschland und würde das Land noch weiter herunterbringen.