Was waren sie immer schön, die Sonntagabende mit den Krauses! Im Polizeiruf spielte Krause (Horst) den Polizeiwachtmeister Horst Krause: rund, mit Motorrad und Hund, immer gemütlich, aber keineswegs dumm. Das fiktive Bild des Brandenburger Landlebens, mit dem die ARD uns versorgte, ist untrennbar mit diesem Mann verbunden.
Vor dem Polizeiruf und danach, in der Tagesschau und in den Tagesthemen, spielte ein anderer Krause den Europakorrespondenten Rolf-Dieter Krause. Er ist ebenfalls rund, wenn auch nicht ganz so rund wie Horst, und keineswegs auf den Mund gefallen. Das Bild des Brüsseler Politikgeschehens, mit dem die ARD uns manchmal versorgt, ist untrennbar mit Rolf-Dieter Krause verbunden.
Horst ist weg, leider, aber Rolf-Dieter ist immer noch da. Textsicher und unverwechselbar spielt er seine Rolle. Sie sieht einen Journalisten vor, der „uns Finanzpolitik-Amateuren geduldig erklären (muss), was gerade wieder falsch gelaufen ist, wer es verbockt hat und warum und überhaupt“, wie das Hamburger Abendblatt lobte.
Gelegentlich kommt es vor, dass selbst Experten Krauses Rolle mit der Wirklichkeit verwechseln. So glaubte eine Jury des Medium Magazins im Jahre 2012, es handele sich bei dem Mann im Fernsehen tatsächlich um den kritischen, nur der Wahrheit verpflichteten Journalisten, den er darstellt. Er „kämpft für eine freie, unbeeinflusste Berichterstattung und gegen EU-PR. Sein unermüdliches Bemühen um mehr europäische Transparenz, gepaart mit notwendiger Skepsis und herausragender Sachkompetenz, hilft entscheidend, die Probleme Europas besser zu verstehen“, verkündeten die Juroren – und erklärten Rolf-Dieter Krause zum „Journalisten des Jahres“. Das ist ungefähr so, als hätte der Innenminister den Schauspieler Horst Krause mit einem echten Polizisten verwechselt und für die Aufklärung mehrerer Straftaten geehrt.
Nein, Rolf-Dieter Krause ist nicht der Ausbund an Objektivität und Seriosität, den er in den Nachrichtensendungen des Ersten darstellt. Er vermittelt uns Abend für Abend, verpackt im Rollenprofil vermeintlicher Neutralität, eine ganz bestimmte Botschaft. Und genau das ist das Problem. Rolf-Dieter Krause ist nicht der einzige, aber ein besonders profilierter Vertreter der in Europa herrschenden Lehre. Er ist der Prototyp eines Korrespondenten, „der nach langen Jahren in Brüssel an einer Art Stockholm-Syndrom leidet“ und „nur noch in der stahlblauen Rationalität der Macht denkt“, wie Georg Diez auf Spiegel Online schrieb.
Leider regt die Netzgemeinde sich meistens nur dann auf, wenn Rolf-Dieter Krause aus der Rolle fällt und seine Meinung offen sagt, statt sie dem Publikum in der Verkleidung des Berichterstatters unterzuschieben. Als er vergangene Woche bei Frank Plasbergs Hart aber fair auftrat, da war es mal wieder so weit. Die „Jungs von Syriza“, wie Krause sie nannte, hatten wenige Tage zuvor überraschend das Referendum über die Forderungen der EU-Institutionen angesetzt. Wer so handele wie sie, verkündete der Halstuch-Mann, „ist so was von verantwortungslos, der gehört zum Teufel gejagt“. Um allerdings in aller Bescheidenheit hinzuzufügen: „Aber die Griechen müssen das machen. Nicht ich.“ Na immerhin: Krause verjagt die Bösen nicht selbst, er ist ja nicht der Horst.
Der Ausfall beherrschte am Tag danach die Fernsehkritiken, und viele Kommentatoren im Netz sahen sich bestätigt. Schon im vergangenen Jahr hatte es eine Protestwelle gegeben. Damals, im September, verkündete Krause in einem Kommentar zur Ukraine-Krise, Wladimir Putin sei für den Westen „kein Partner mehr, er ist Gegner“, gegen den man sich militärisch rüsten müsse. Damals gab es sogar eine Petition für Krauses Entlassung, die den Kommentar unter anderem mit dem Straftatbestand „Vorbereitung eines Angriffskrieges“ in Verbindung brachte.
Das geht selbstverständlich zu weit: Medienkritik, die sich ja in der Regel der Verteidigung der Meinungsfreiheit verschreibt, muss Forderungen nach Entlassung oder gar Zensur unterlassen. Das gilt auch für Kollegen, deren Horizont über die Interessen der Regierenden nicht hinauszureichen scheint.
Die berechtigte Kritik an Journalisten wie Rolf-Dieter Krause sollte sich dennoch nicht auf die spektakulären Momente konzentrieren, in denen er die Rolle des neutralen Berichterstatters verlässt und seine Meinung ausnahmsweise offen ausspricht. Diese Momente sind zwar ärgerlich. Aber sie sind immer noch viel erträglicher als jene wesentlich häufigeren Momente, in denen er seine Ideologie hinter der Maske des seriösen Berichterstatters verbirgt.
Hier nämlich ist die Manipulationsgefahr viel größer. Da fragt ein Moderator, selbst schon frei von jeder Neutralität: „Warum tut sich die griechische Regierung Tsipras eigentlich so schwer mit Reformvorschlägen, die nachhaltig sind? Ist diese Regierung der Sache überhaupt gewachsen?“ Und Krause sagt nicht einfach, was er genau wie seine regierenden Vorbilder denkt, nämlich „Nein“. Er sagt stattdessen: „Ob sie da gewachsen ist, müssen die griechischen Wähler entscheiden.“ Die Botschaft ist klar, aber die Wertung steckt im Unausgesprochenen. Das ist die Manipulation, die Krause vor allem vorzuwerfen ist.
Wenn die Regierung dann tatsächlich die Wähler entscheiden lässt, ist es auch nicht recht. Und wenn sie das Falsche entscheiden, dann waren sie eben zu blöd: „Es war vielen Griechen wohl nicht bewusst, welche Tragweite ihre Entscheidung hat.“
Der Satz stammt übrigens von Peter Dalheimer, ARD-Korrespondent in Athen. Rolf-Dieter Krause ist nicht allein. Nur: Wo ist Horst?
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