Angela Merkel ist weder ein Mann noch eine Französin, und schon deshalb würde sie sich niemals so ausdrücken wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: „Wir sind im Krieg“, hat er seinen Landsleuten zugerufen, als er sie wegen des Coronavirus per Fernsehansprache nach Hause schickte.
Solch martialische Rhetorik mag in einem Land funktionieren, dessen Bürgerinnen und Bürger sich jedes Mal selbst „zu den Waffen“ rufen, wenn sie die Nationalhymne singen. In Deutschland wird sanfter gesprochen, und die deutsche Kanzlerin bemühte statt der Kriegsmetapher das gute alte, einst auf der Linken verortete Wort von der Solidarität: „Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“ Das war mittwochs, am Sonntag folgte dann noch so ein schöner Begriff: „Gemeinsinn“.
Keine Frage, das klingt besser als „Krieg“, aber macht es wirklich einen entscheidenden Unterschied? Was sagt die abweichende Rhetorik über die politische Statik Deutschlands in Zeiten der Krise aus? Und was über mögliche Konstellationen in der Zeit nach Corona? Was könnte Merkels „Solidarität“ über den Tag hinaus bedeuten?
Solidarität über alles
In vielen Bewertungen wurde das Gegensatzpaar „kriegerischer Macron, solidarische Merkel“ genüsslich ausgebreitet, vor allem nach dem Fernsehauftritt am Mittwoch vergangener Woche: „Ihre Worte sind groß, klingen dennoch nicht überzogen“, verneigte sich der Tagesspiegel. „Kein ,Krieg‘, nein, das sagen und denken andere, sondern die schwierigste Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Und Stephan Richter, Chefredakteur des US-Portals The Globalist, sah gleich so etwas wie eine Zeitenwende: „Der Kontrast innerhalb Europas, speziell zwischen Frankreich und Deutschland, könnte deutlicher nicht sein. In einem Rollentausch epischen Ausmaßes spricht Macron von Krieg, Merkel von Solidarität.“
Es stimmt, dass die deutsche Kanzlerin sich in der Corona-Krise des ruhigen Tons befleißigt. Dass in ihrer Ansprache das Wort „Kampf“ vorkam, war fast schon ein Ausreißer ins Dramatische. Aber etwas Neues ist die maßvoll mahnende Merkel-Rhetorik nun wirklich nicht. Viele Jahre lang hat die Kanzlerin damit das Land über ihre wenig solidarische Politik zu täuschen vermocht. Und so sinnvoll die rhetorische Zurückhaltung im Moment der schweren Krise sein mag, so sehr droht sie auch jetzt die politische Realität zu kaschieren.
Es stimmt schon, zumindest teilweise war der sanftere Ton dieses Mal durch die Praxis gedeckt. Was das Alltagsleben betrifft, hat die Politik in Deutschland so lange wie möglich auf gesellschaftliche Solidarität gesetzt, statt sie sofort durch staatliche Direktiven der strengsten Art erzwingen zu wollen.
Der Einzige, der so viel Zurückhaltung nicht ertragen mochte, war Markus Söder: Bayerns Ministerpräsident preschte erst bei den Schulschließungen und dann bei den Ausgangsverboten im Alleingang vor – vielleicht aus ernster Sorge, aber ganz sicher nicht ohne den Hintergedanken, sich vielleicht doch noch als künftiger Krisenkanzler zu profilieren. Es war schon ein besonderes Schauspiel, wie er in der Talkshow bei Anne Will jeden Hinweis auf seine Machtambitionen zurückwies, um sich im selben Atemzug mit seiner Vorreiterrolle zu brüsten. Da wirkte der CSU-Vorsitzende wie ein Angestellter im Meeting, der erst betont, es gehe ihm ausschließlich um die Sache, um dann in aller Bescheidenheit zu verkünden, er habe das ganze Projekt allerdings persönlich erfunden.
Ansonsten aber: weitgehende Einigkeit. Auch die Beschlüsse im ökonomischen und sozialen Bereich standen zwar im Widerspruch zur üblichen Herangehensweise, stießen aber so gut wie nirgends auf Widerspruch. Praktisch unbegrenzt werden finanzielle Mittel mobilisiert, um Unternehmen, Beschäftigte und kleine Selbstständige abzusichern. Womit erneut bewiesen wäre: Wenn es darum geht, das bestehende Wirtschaftssystem vor dem Kollaps zu retten, macht selbst die Ideologie vom Allheilmittel Markt und von der Schwarzen Null einmal Pause – das kennen wir schon von der Finanzkrise der Jahre 2008/2009.
Die doppelte Botschaft der Kanzlerin – Zurückhaltung des Staates bei Zwangsmaßnahmen einerseits, staatliche Intervention in die Wirtschaft andererseits – mag also die Sympathie erklären, auf die ihr Kurs auch bei großen Teilen der Opposition stieß. Die Begeisterung, mit der die Rhetorik der Solidarität teilweise aufgegriffen wurde, klang dann allerdings doch etwas übertrieben. Grünen-Chef Robert Habeck, der Merkels Verhalten kurz vor der Fernsehansprache noch „ganz in Ordnung“ gefunden hatte, konnte sich danach kaum noch halten: „Mir hat der Ton gefallen, er war unaufgeregt, er war präzise.“ Und dann: „Wir sind ja nicht nur Opposition. Und wenn wir Opposition sind, begreifen wir uns schon als Teil des gesamtstaatlichen Verantwortungsgefüges.“
Ich kenne keine Parteien mehr
Schon klar, so ist das. Wer sich erst einmal durch den Begriffsklumpen „Teil des gesamtstaatlichen Verantwortungsgefüges“ gekämpft hat, wird dieser grundsätzlichen Feststellung über die Rolle einer Oppositionspartei nicht widersprechen. Aber dass Habeck den konstruktiven Teil dieser Rolle so sehr in den Mittelpunkt stellt, fällt schon auf: Schulterschluss ist angesagt im Kampf gegen den ansteckenden Feind, ob man diesen Zustand nun „Krieg“ nennt oder „Solidarität“.
Noch deutlicher als sein Parteivorsitzender brachte das der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz auf den Punkt: „Man kann in dieser Krise einfach nur froh sein, eine Kanzlerin wie Angela Merkel zu haben“, twitterte er. „Und in den kommenden Monaten sollte kein Parteibuch, sondern nur politische Ernsthaftigkeit, demokratische Verantwortung und gesellschaftliche Solidarität eine Rolle spielen.“
Zwischenfrage: Warum sollte es im Widerspruch zu Ernsthaftigkeit, Verantwortung und Solidarität stehen, wenn in der Politik Parteibücher eine Rolle spielen? Ist die bewährte demokratische Praxis, die besten Lösungen auch auf dem Weg der Kontroverse über unterschiedliche Ansätze zu suchen, nur für gute Zeiten gedacht? Gilt im Moment der Krise neuerdings wieder das, was Kaiser Wilhelm II. zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 verkündete: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“? Wer will eigentlich in einem Land leben, in dem fast ausschließlich Markus Söder eine abweichende Meinung vertritt?
Hier droht die Rede von Solidarität und Gemeinsinn eine Stimmung zu erzeugen, in der es leicht geschehen kann, dass im öffentlichen Diskurs aus einer lebendigen, vielfältigen, unterschiedliche Interessen austragenden Gesellschaft eine vermeintlich geschlossene, von allen inneren Konflikten befreite Gemeinschaft wird. Das ist, neben der Seuche selbst, vielleicht der bedrohlichste Befund dieser Tage: Was wir erleben, ist die symbolische Verwandlung des politischen und gesellschaftlichen Lebens in eine nationale Anti-Viren-Front. Das gilt, allen unterschiedlichen Tonlagen und allen Differenzen bei der Einschränkung individueller Freiheiten zum Trotz, für Deutschland genauso wie für Frankreich.
Es gilt im Übrigen auch für die praktische Politik, soweit sie über die Frage der Ausgangssperren hinausgeht: Überall, selbst in der EU, werden die strengen Haushaltsregeln gelockert, um den ökonomischen Betrieb am Laufen zu halten oder wenigstens am totalen Kollaps zu hindern. Das mag in der Tat der einzige Weg sein, die ganz große Weltwirtschaftskrise noch zu vermeiden. Aber es ist, so gigantisch die Anstrengungen sein mögen, zunächst nicht mehr als die Reparatur eines Systems, dessen Schwächen ja gerade in der Krise besonders sichtbar werden.
Verschwiegene Missstände
Wenn Mieterinnen und Mieter vor Zwangsräumung geschützt werden, ist das gut. Aber dahinter wird erst sichtbar, wie oft Menschen vertrieben werden: 5.000 Räumungsaufträge für Wohnungen erhalten allein die Berliner Gerichtsvollzieher pro Jahr, also knapp 100 pro Woche.
Wenn Krankenhäuser Geld bekommen, um sich auf Corona-Intensivpflege vorzubereiten, ist das gut. Aber daran, dass Kliniken in den vergangenen Jahrzehnten zu Profitmaschinen umgebaut worden sind – nicht zuletzt auch auf Kosten des mies bezahlten Pflegepersonals –, ändert es nichts. Ob der Staat sich wohl sein Geld irgendwann aus den früheren Gewinnen der privaten Betreiber zurückholen wird? Dass freischaffende Künstlerinnen und Künstler unterstützt werden sollen, ist gut. Aber dahinter kommt die skandalöse Tatsache zum Vorschein, dass viele von ihnen in „normalen“ Zeiten für die Zerstreuung des bürgerlichen Publikums mit Einkommen an der Armutsgrenze bezahlen.
Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen, und sie alle zeigen: Dauerhaft sinnvoll wären all die Kriseninterventionen der Politik erst dann, wenn mehr daraus würde als ein vorübergehendes Abweichen vom Dogma der Schwarzen Null; wenn also aus der Krise die Chance gemacht würde, den notwendigen Neuaufbau nach ökologischen und sozialen Kriterien zu gestalten. Dass das geschieht, darf nach 15 Jahren Merkelismus und nach allen Erfahrungen mit europäischer „Rettungspolitik“ nach der Finanzkrise bezweifelt werden. Da sollte Robert Habeck und seiner Partei schon mehr einfallen als schwarz-grün eingefärbte Ergebenheitsadressen.
Und noch etwas kommt hinzu: Wer jetzt glaubt, sich wieder vertrauensselig hinter Merkel scharen zu müssen wie in ihren besten Zeiten, sollte erst einmal nachschauen, was die Kanzlerin sonst so unter „Solidarität“ versteht. Sie hat den Begriff ja nicht nur in Sachen Corona gebraucht, sondern – die Pandemie breitete sich bereits aus – auch in Zusammenhang mit der Tragödie der Geflüchteten an der türkisch-griechischen Grenze.
Als Athen das Asylrecht in die Tonne trat und die Menschen mit Gewalt am Grenzübertritt hinderte, sagte Angela Merkel: „Mit der Ersthilfe für Asylsuchende und dem Schutz der europäischen Außengrenze nimmt das Land eine große Verantwortung für ganz Europa wahr. Dafür … verdient es unsere volle Solidarität und unsere volle Unterstützung.“ Ob mit Ersthilfe die über Zäune schwebenden Tränengasschwaden gemeint waren, sagte die Kanzlerin nicht, aber was sie unter Schutz der Außengrenzen versteht, wurde an diesem Beispiel so deutlich wie selten zuvor.
Hat der Vorsitzende der Grünen, die sich damals mit Recht empörten, dazu nichts mehr zu sagen? Und die SPD, deren immer noch neues Führungsduo in beinahe Olaf-Scholz-hafter Koalitionsdisziplin schon jetzt fast unsichtbar zu werden droht?
Es mag schwerfallen, mitten in diesem Ausnahmezustand über das Versagen der Merkel-Regierungen im politischen Alltag zu sinnieren. Es mag leichter sein, sich jetzt auf die ganz konkrete Solidarität mit den Menschen zu konzentrieren, die vom Virus gesundheitlich oder in ihrer materiellen Existenz bedroht sind. Aber wer jetzt nicht nachdenkt über eine solidarische Daseinsvorsorge, wird die Chance nicht nutzen können, die das Aufbrechen ideologischer Blockaden in der Krise womöglich für die Zukunft bietet.
Kommentare 17
stephan hebel - allein zu haus(?).
gehen ihm die argumente aus?
nein! nach ellen-langen mäkeleien über märkels rede-stil
kommts:
die dominierende gemein-sinns-schwemme(incl. dem versöhnler habeck!)
verdeckt nur den skandal,
daß "freischaffende künstler + künstlerinnen"(dazu: journalisten?)
an der armuts-grenze vegetieren und aus miet-verhältnissen gekanntet
werden!
jetzt muß eine solidarische daseinsvorsorge("begriffsklumpen"?)
her, die den zwangs-verpflichtet-unterhaltenden zerstreuern des volks
einen standes-gemäßen unterhalt zahlt!
virus mal beiseite!
Wenn die Rettungsboote ins Wasser gelassen werden, sollte man dem Kapitän zurufen: "Wir sehen uns an Land. Dann richten wir über dich!".
Nunja – der wahre Grund für die (von einigen wie Habeck in der Tat mit unnötigen Wortgirlanden versehene) Aussetzung substanzieller Opposition lässt sich nicht schwer erraten. Es ergibt einfach keinen Sinn, quasi aus Prinzipgründen in Opposition zu machen. Opposition ergibt dann Sinn, wenn konträre Richtungsentscheidungen zur Disposition stehen. Das aktuelle Krisenmanagement gibt das allenfalls in einem Punkt her: die Stärke oder Schwäche der derzeitigen Shutdown-Restriktionen.
Sicher sind die aufgeworfenen Fragen bezüglich der Ursachen richtig; in diesem Forum wird da auch niemand widersprechen. Vakant werden sie allerdings erst dann, wenns ans Bezahlen geht. Darüber hinaus zeichnet sich ein Linienkampf zwischen den Prioritäten Gesundheit und Wirtschaft durchaus bereits ab. Ich bin mir darüber hinaus sicher, dass die übliche politische Szenerie mit ihren »Fronten« sehr bald wieder auf ähnliche Weise in Erscheinung tritt wie sonst immer – spätestens dann, wenn zu entscheiden ist, auf welche Weise der Trümmerhaufen, welchen Corona angerichtet hat, wieder aufgebaut werden soll.
Den Einstieg übers »Wording« halte ich übrigens für nicht sehr gelungen: Macrons Kriegs-Metapher ist sachlich gesehen durchaus angebracht. Ansonsten: Die in Deutschland übliche »sanfte Rede« ist historisch bekanntlich eher ein Ding, wo aller Grund besteht, die Beine untern Arm zu nehmen und zu rennen. Insofern sollte man Erscheinungsweise (Redestil wie in einer Selbsterfahrungsgruppe) und Praxis (neoliberales Sparen, Druck-Ausüben und Sozialdumpen, bis der Arzt kommt) nicht vorschnell in Eins setzen.
Wenn selbst führende Virologen wie Univ. Prof. Christian Drosten und Ärzteverbände sagen, sie sehen nicht, wo der Zusatznutzen von rigiden Ausgangssperren liegt, wenn die anderen Maßnahmen konsequent gemacht werden, besteht sehr wohl ein Diskussionbedarf über dieses autoritäre Vorgehen der Politiker, die sich VÖLLIG über den Fachdiskurs hinweg setzen! Auf der anderen Seite müssen die Arbeitssklaven weiter zur Arbeit, wo das Risiko wesentlich größer ist als beim Spazieren gehen - selbst auch in losen Gruppen - VIEL GEFÄHRLICHER ist! Südkorea und Singapur schaffen die Kontrolle der Epedemie auch anders.
"Das Unmögliche zu verlangen verhindert oft, das Mögliche zu erhalten"
Das klingt doch sehr nach der heruntergewirtschafteten SPD.
Demokratie funktioniert nicht ohne loyale Opposition. Das hat nichts mit permanentem "Burgfrieden" oder (en francais) "union sacrée" zu tun, sondern damit, dass man sich bei Bedarf auch mal auf etwas einigen kann.
Zitat: "Was sagt die abweichende Rhetorik über die politische Statik Deutschlands in Zeiten der Krise aus? Und was über mögliche Konstellationen in der Zeit nach Corona? Was könnte Merkels „Solidarität“ über den Tag hinaus bedeuten?"
Sprache ist Macht und zugleich verräterisch. Man muss allerdings erkennen (können), was mit einzelnen Wörtern und bestimmten Worten bzw. Phrasen tatsächlich damit gemeint ist.
Warum fällt mir jetzt die Abkürzung "INSM" ein? Diese vier Buchstaben stehen offiziell für "(I)nitiative (N)eue (S)oziale (M)arktwirtschaft". Kling doch super oder etwa nicht? Wer sich so etwas ausdenkt, der ist nicht dumm. Wenn man allerdings genauer hinschaut, trifft "(I)nitiative (N)eoliberale (S)ozialdarwinistische (M)arktwirtschaft" die Ziele dieser Lobbyvereinigung großer Arbeitgeber und hyperreicher Mitbürger aber viel besser, denn die Interessen kleiner Gewerbetreibender, Freiberufler, Landwirte und der großen Masse an Arbeitnehmern in Deutschland gehen den Vertreter der "INSM" bei Lichte betrachtet am Arsch vorbei. Von Arbeitslosen, Armutsrentnern und Obdachlosen ganz zu schweigen. Den Erfolg dieser jahrelangen neoliberalen Gehirnwäsche für die Interessen der oberen Zahntausend und gegen die Interessen der breiten Mehrheit der Bevölkerung muss man neidlos anerkennen.
Der folgende Absatz stammt aus dem blog neusprech.org :
„Was jemand willentlich verbergen will, sei es nur vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: die Sprache bringt es an den Tag.“ Den Satz schrieb Victor Klemperer, der in seinem Notizbuch eines Philologen die LTI, die Lingua Tertii Imperii oder Sprache des Nationalsozialismus erforscht und an ihr dessen Ziele offengelegt hat. George Orwell propagierte in seinem Buch 1984 gar die Möglichkeit, durch „Neusprech“, durch gezielte Wortschöpfungen, das Denken selbst zu beeinflussen."
Sehr aufschlussreich sind in dieser Hinsicht auch die Seiten unwortdesjahres.net oder bildblog. Vielleicht gibt es noch andere Webseiten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen.
Nur am Rande: Das Wort "Anstand" war eines der Lieblingswörter Heinrich Himmlers. Allerdings verstand dieser unter Anstand den Umstand, dass Mann in der Lage war, kleinen jüdischen Mädchen und Jungen die Pistole an den Kopf zu halten und sie zu erschiessen, ohne sich anschließend übergeben zu müssen. Offenkundig ist es für viele Menschen gar nicht so einfach, ihren Antisemitismus und Rassismus, den sie bewusst oder unbewusst im Kopf oder Hinterkopf haben, auch in die Tat umzusetzen. Wenn Mitbürger das Wort "Anstand" verwenden, sollte man daher immer sehr vorsichtig sein und sich fragen, was tatsächlich damit gemeint ist.
Der Artikel wirft - m.E. dankenswerterweise weil gerade unpopulär - die richtigen Fragen auf. Bis auf eine: Wie konnte es eigentlich im 21. Jhdt. passieren, dass die Regierung (habe mir gerade noch das Wort Führung verkniffen) eines herrschenden imperialistischen Staats offenbar keinen Plan hat, welche Maßnahmen im Fall einer Virusepidemie zu ergreifen sind? Das war erschreckenderweise alles Learning by Doing!
Eine Wachstumskurve verläuft exponentiell ... Huch! Wie überraschend! Damit kann der Gesundheitsminister schon glänzen! Die Krankenhäuser sind für Besonderheiten nicht ausgelegt ... ach wirklich? Es gibt keine europäische Gesundheitspolitik. Ja Mensch. Echt? Just-In-Time-Produktion ist für besondere, wenn auch absehbare Anforderungen völlig ungeeignet. Keller zum Einlagern hat das Prekariat nicht ... usw.
Jetzt tun alle so, als wären Expert*en gefragt. Sonst aber werden eben die konsequent ignoriert, weil sich die notwendigen Konsequenzen nicht rentieren. Der Kürze halber nur ein Beispiel: Düngemittel-Verordnung - seit 1991 ignoriert.
@Lacrima
Zitat: "Also, was ist vernünftige Politik? Meines erachtens eine, die das Beste, was unter realen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen möglich ist, unternimmt und sich nicht im Versuch erschöpft, das Unmögliche zu realisieren ..."
Einspruch werter Frau/Herr (oder ?) "vernunftgesteuerter Realist"!
1. Schon der alte Kant sagte: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ -
Wenn das auf die Mehrheit der Bürger in Deutschland, Europa und der Welt zutreffen würde, müssten die Verhältnisse nicht nur in Deutschland anders aussehen als sie tatsächlich sind. Auf diesem Planeten ersaufen einige Damen und Herrschaften in den Milliarden und beklagen sich darüber, dass Rolex-Uhren ausverkauft sind, während zur gleichen Zeit jeden Tag ein paar Tausend Menschen verrecken, weil sie nichts zum Saufen und Fressen haben. Ist das "Vernunft"?
2. Die "realen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen" fallen nicht einfach so und irgendwie vom Himmel. Sie werden von Menschen gemacht und sind die Folge menschlicher Entscheidungen der Vergangenheit.
3. Die unbehaarten Affen und die vielen Lämmer auf diesem Planeten brauchen Idealisten und Utopisten. Einer der ersten dokumentierten Idealisten und Utopisten in der Geschichte der Menschheit war ein Mann mit dem Namen Jesus Christus. (Die Antwort auf die religiöse Frage, ob er der Sohn Gottes war, lassen wir an dieser Stelle einmal unbeantwortet.)
Historisch, politisch und soziologisch betrachtet war er zweifelsohne ein äußerst charismatischer, rhetorisch talentierter und pazifistischer Gutmensch, der schon vor 2000 Jahren den übermäßigen Reichtum anprangerte und sich für Arme, Kranke, Behinderte, Obdachlose usw. einsetzte. "Denn eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." (Lukas 18, 25)
Persönlich ist dieser gute Mann zu Lebzeiten zweifelsohne gescheitert, weil er selbst ans Kreuz genagelt wurde. Bei der Entstehung der Dokumentation, die als "Neues Testament" bekannt ist, wurden auch Mythen dazugedichtet, von der späteren Rolle der (katholischen) Kirche und der Inquisition, den Kreuzzügen usw. ganz zu schweigen. Und dennoch glauben Menschen seit rund 2000 Jahren an diesen "Idealisten" und daran, dass ein Miteinander besser für Alle wäre als der sozialdarwinistische und nationalistische Wettbewerb gegeneinander.
Manche geben sich auch nur den Anschein, denn die "reale Vernunft" sieht anders aus: Parteien und Politiker, die sich selbst als "christliche Mitte" bezeichnen, schieben den Hyperreichen in diesem Lande noch ein paar Milliarden hinten rein, "sparen" bei den Hartz 4-Empfängern und Obdachlosen und beklagen sich dann darüber, dass es Bürger gibt, die rechts oder links. Ist das dann Vernunft oder Heuchelei oder was ist das?
Manche sog. Christenmenschen versuchen auch die Amtsstuben mit billigen Kruzifixen aus Plastik zu tapezieren und nennen das dann "christlich". Warum fällt mir jetzt der Name Markus Söder ein? - In den 70er Jahren gab es mal ein Poster der Satirezeitschrift "Titanic" mit einem Kruzifix, an dem ein 10 Mark-Schein hängt. Oha, das gibt es immer noch, siehe hier: titanic-magazin (Das sollte mal aktualisiert werden. Wer bitte glaubt denn heute noch an 10 Mark bzw. 5-Euro? Und die Tapete, mon dieu!)
Auch die meisten Väter und Mütter des Grundgesetzes waren mit Sicherheit Idealisten. Sie glaubten 1949 daran, dass die Deutschen etwas aus dem Niedergang der Weimarer Republik lernen würden. Adolf Hitler, der Zweite Welkrieg, der Holocaust usw. sind nicht vom Himmel gefallen. Wenn man sieht, wenn man denn sehen kann und will, wie dieses vielgepriesene Grundgesetz in den letzten Jahrzehnten verzerrt und vor allem der Sozialstaat (Art. 20 GG) als das Übel auf dem neoliberalen Weg zum ökonomischen Paradies ans Kreuz genagelt wurde, dann kann man das als empathischer und vernunftgesteuerter Realist tatsächlich nur noch im Suff ertragen. (Was das Problem auch nicht löst, aber auf Dauer die eigene Leber schädigt.)
Wer im Jahre 2020 argumentiert: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." (Art 14, 2 GG) ist vermutlich tatsächlich ein Idealist und linker Spinner.
Das Gesagte gilt z. B. auch für Martin Luther King und "I have a dream".
Aber nur durch Idealisten werden aus unbehaarten Affen zivilisierte und kultivierte Menschen. Ob die Zeit ausreichen wird, diesen Planeten zu retten, weiß ich auch nicht. Der jüngst verstorbene Physiker Stephen Hawking sagt nein.
A votre santé und fröhliche Ostern!
"Verschwiegene Missstände"
Wg. Corona-Kriese wurde eine Pressekonferenz kürzlich abgesagt, wo Herr Seehofer über die Kriminalität 2019 hätte berichten müssen. Das passt so gut für ihn, dass die ausfiel. Denn im Vergleich zum Vorjahr ist die Kinderpornographie um mehr als ca. 50-60% gestiegen, wie ein Pressevertreter berichtete. Und das hätte Herr Seehofer erklären müssen.
Nach Ansicht des Verfassers, ist so etwas (diese negative Entwicklung) ein wichtiger Grund, damit der Innenminister sein Amt endlich niederlegt.
Demo in Mitte trotz Corona-Krise
Unter dem Motto „Grundrechte verteidigen - Sag Nein zur Diktatur!“ haben sich Teilnehmer einer Kundgebung getroffen. Anders als geplant sei dabei aber auf Redebeiträge verzichtet worden, sagte Mitinitiator Anselm Lenz Aufgerufen zu der „Hygienedemonstration für Verfassung, Grundrechte & transparente Gestaltung der neuen Wirtschaftsregeln“ am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte hatte die Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand, ein Verein in Gründung. Eine Polizeisprecherin sagte am Samstag, die Polizei habe die Teilnehmer darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung nicht erlaubt sei und habe von einigen die Personalien aufgenommen.
Informationen, wie viele Menschen daran teilnahmen, lagen der Polizeisprecherin nicht vor. Anselm Lenz zufolge war ein Ziel der Kundgebung, angesichts der Corona-Krise auf die Bedeutung der ersten 20 Artikel des Grundgesetzes aufmerksam zu machen. Deshalb seien bei der Veranstaltung zahlreiche Exemplare des Grundgesetzes verteilt worden.
Wegen der Corona-Pandemie ist das Recht auf Demonstrationen derzeit eingeschränkt. Ausnahmen kann es nach Angaben der Polizei vom Montag in besonderen Ausnahmefällen für Demonstrationen mit bis zu 20 Teilnehmern geben.
https://www.morgenpost.de/berlin/article228790017/Coronavirus-Berlin-aktuell-Covid-19-Newsblog-Newsticker-Zahlen.html
Man sollte nicht vergessen, warum das Grundgesetz in Deutschland eingeführt wurde!
ich setze 10 rollen vier-lagiges dagegen!
Danke für den Link!
"Einer der ersten dokumentierten Idealisten und Utopisten in der Geschichte der Menschheit war ein Mann mit dem Namen Jesus Christus."
Der war laut Bibel ja auch im engsten Kreis umstritten. Die intrigante Taktik seines Intimfreunds Judas Iskariot mag man verwerfen, der christliche Gedanke der Erlösung durch Aufopferung muss aber im Sinne von Jesus selbst als gescheitert gelten. Der nämlich war der Ansicht das Reich Gottes käme dann bald. Nach nunmehr 2000 weiteren Jahren der Ausbeutung und hinlänglich bekannten Verbrechen und propagandistischen Umdeutungen durch die Kirchen kann man wohlwollend annehmen, dass Jesus seinen Fehler einsehen würde. Ob Judas' Ansatz - nämlich Streben nach materieller Macht - erfolgreicher gewesen wäre, sei dahin gestellt. Ich jedenfalls zitiere dazu gerne Monty Python: Das Monster wird sich nicht verwirren lassen, indem wir etwas weiter weg laufen.
Long story short: Der christliche Idealismus ist Teil des Problems, nicht der Lösung.
Johns Hopkins?
Die bekommen ihre Daten von einem niederländischen Institut in Tilburg; und die beziehen die Daten wiederum von der "Berliner Morgenpost". Unfaßbar, aber echt!
1.000 milliarden euro hat die regierung in der letzten woche ausgegeben bzw. zugesichert.
die bankenrettung 2009 sieht schon jetzt aus, wie ein kleiner testlauf für die jetzt stattfindende umverteilung. solange die krise währt, wird es nachschläge geben. hinzu kommen die finanziellen streicheleinheiten der ezb. eine angst, erfunden oder ganz real, verwandelt die menge der parlamentarier in eine homogen abnickende herde. jahrelange debatten um ein paar millionen hier, eine milliarde da schnurren zusammen zu dieser einen woche, in der das haushaltspolitische mantra der letzten dekade begraben und mal aber richtig an der schuldenuhr gedreht wird.
"ich setze 10 rollen vier-lagiges dagegen!"
:-D staubtrocken