Ein dreifaches Dankeschön

Gerechtigkeit Uli Hoeneß hat die Diskussion über Steuerbetrug vorangebracht. Wer das Gemeinwesen betrügt, kann sich in Zukunft womöglich nicht mehr freikaufen. Endlich!

Es soll in Deutschland eine kleine Minderheit geben, die Uli Hoeneß auch früher nicht für ein leuchtendes Vorbild hielt. Diese Minderheit wusste zwar die erfolgreiche Führungstätigkeit in einer Wurst- und einer Torfabrik zu würdigen, ebenso wie Hoeneß’ soziales Engagement. Andererseits fragten sich die vereinzelten Kritiker: Was ist so wahnsinnig vorbildlich daran, das Bekenntnis zum Steuerzahlen mit massiver Polemik gegen jede Steuererhöhung für Reiche zu verbinden?

Das hat sich erledigt, die Bekenntnisse des braven Steuerzahlers sind als Lüge entlarvt. Aber gerade deshalb ist es an der Zeit, dem Fleisch- und Fußballkönig zuzurufen: Uli, ein dreifaches Dankeschön!

"Oberschicht-Kriminalität"

Ja, dreifach. Uli Hoeneß hat uns erstens in Erinnerung gerufen, dass Wohltätigkeit sich mit einem Hang zur „Oberschicht-Kriminalität“ (Sigmar Gabriel) durchaus zu paaren vermag. Er hat zweitens einen unschätzbaren Beitrag zur Volksaufklärung geleistet, indem er seine Freunde zum Sprechen brachte – sie disqualifizieren sich nun regelmäßig in fast jeder Talkshow. Drittens hat er dafür gesorgt, dass es mit dem Amnestie-Privileg für Steuerhinterzieher wohl bald ein Ende haben wird.

Seit Tagen fragt sich das staunende Publikum, welcher Schizophrenie es bedarf, um, wie Hoeneß, öffentlich von Steuerehrlichkeit zu faseln und zugleich den Fiskus zu hintergehen. Könnte es nicht sein, dass die Erklärung dafür gerade in der privaten Wohltätigkeit des Delinquenten zu finden ist? Legen nicht die oft zu hörenden Hinweise auf diese Großherzigkeit die These nahe, dass Leute wie Hoeneß ihre Spendenbereitschaft als eine Art Kompensation wahrnehmen? Als Legitimation für das, was sie dem Staat durch Steuerverweigerung entziehen?

Abschaffung der "Zwangssteuern"?

Es war Peter Sloterdijk, der diese Denkart vor einiger Zeit auf die Spitze trieb. Der Haus- und Spaßphilosoph des Neoliberalismus regte im Sommer 2009 eine Diskussion über die „Abschaffung der Zwangssteuern“ an. Die „gebende Hand“ der Wohlhabenden solle besser freiwillige „Geschenke an die Allgemeinheit“ verteilen. Selbst Neoliberale wiesen seinerzeit darauf hin, dass zwischen der noch so gut gemeinten Willkür von Spendern einerseits und einer demokratisch legitimierten Steuerpolitik andererseits ein gravierender Unterschied bestehe.

Und dennoch dürfte Sloterdijk einem in besseren Kreisen verbreiteten antistaatlichen und damit anti-demokratischen Denken Ausdruck verliehen haben, das sich in dem Satz zusammenfassen lässt: Ich gebe gern, aber ich entscheide selbst, an wen.

Wer es nicht glaubt, mag sich den jüngsten Talk-Auftritt von Thomas Gottschalk in Erinnerung rufen: Bei mehr als 40 Prozent Steuerlast, dekretierte der Showmaster, höre bei ihm das Verständnis auf. Das war übrigens dieselbe Sendung, in der versucht wurde, den Millionenbetrug zu bagatellisieren durch Gleichsetzung mit den Umgehungsversuchen kleiner Steuerzahler, die dem Vorbild der Millionäre folgen und sich von ihrer längst eingezogenen Lohnsteuer ein paar Euro zurückzuholen versuchen.

Betrug am Gemeinwesen? Egal!

Nicht nur Gottschalk nutzte den Anlass zur Selbstentlarvung. Die Kanzlerin höchstpersönlich war „enttäuscht“, als hätte sie mit der Untätigkeit der Politik im Kampf gegen Steuerverweigerung nichts zu tun. Der allgegenwärtige CDU-Mann Wolfgang Bosbach riet metaphernsicher, „den Ball flachzuhalten“.

Was wiederum der Steuerflüchtling Franz Beckenbauer in einen so ansatz- wie hirnlosen Fehlpass verwandelte: „Der Uli ist so, er kämpft an allen Fronten, er macht zehn Dinge gleichzeitig, da vergisst er halt zwischendurch mal was.“ Selten hat man deutlicher gehört, wie egal unseren „Eliten“ der kriminelle Charakter des Betruges am Gemeinwesen ist.

Nun steht die bisherige Praxis der Amnestie bei einer Selbstanzeige infrage. Das ist, zumindest kurzfristig, das größte Verdienst des Uli Hoeneß: Weit über den Kreis der politisch Interessierten hinaus hat er eine Debatte ausgelöst, die die wahlkämpfenden Parteien zum Reagieren zwingt.

Sogar die FDP. Wäre dieser Druck nicht entstanden – nie und nimmer wäre die Partei der Steuerhasser und Umverteilungs-Verächter auf die Idee gekommen, ihrer Klientel diesen Schutz zu nehmen.

Gleiches gilt für Horst Seehofers CSU, die noch etwas schneller auf den Empörungszug sprang. Nur Angela Merkel hat sich zunächst als die Neoliberale erwiesen, die sie hinter der Maske der „Kanzlerin für alle“ ist: „Schnellschüsse“, so ihr Sprecher, lehne Angela Merkel ab.

Quer zum Rechtsempfinden

Es ist zu hoffen, dass mit dem erwartbaren Versiegen der Hoeneß-Debatte nicht auch der Druck zur Gesetzesänderung schwindet. Denn so ertragreich das System der Selbstanzeige ist, wenn wieder mal ein paar Verweigerer durch angekaufte Steuer-CDs in Panik geraten: Die Rechtslage steht absolut quer zu einem Rechtsempfinden, wie es in unserer Gesellschaft hoffentlich noch (oder wieder) mehrheitsfähig ist.

Auf keinem anderen Rechtsgebiet können Straftäter frei entscheiden, ob sie auf Nicht-Entdeckung setzen oder sich mit einem Teil ihres reichlich vorhandenen Geldes lieber freikaufen möchten.

Sollte dies bald ein Ende haben, dann gäbe es endgültig einen Grund, Herrn Hoeneß zuzurufen: Uli, wir danken Dir!

Stephan Hebel ist freier Publizist

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden