Frauenquote und Energiepauschale: Wird die CDU unter Merz zur neuen Linken?

Meinung Der Beschluss einer Frauenquote in der CDU stellt für diese Partei ein beachtliches Modernisierungssignal dar. Und die Forderungen nach einer Energiepauschale und einem Preisdeckel hätte die Linkspartei nicht schöner formulieren können

Die häufigste Schlagzeile vom CDU-Parteitag am vergangenen Wochenende lautete: „CDU führt Frauenquote ein“. Echt jetzt? Die CDU, waren das nicht diejenigen, die immer meinten, gegen Diskriminierung helfe allein das tapfere Karrierestreben der Diskriminierten?

Ausgerechnet Parteichef Friedrich Merz, nach den ewigen Merkel-Zeiten jetzt der starke Mann der Konservativen, hat dieses Stück Modernisierung durchgesetzt. Nicht ohne – er kennt seine Partei – den Gegnerinnen und Gegnern der Quote zu versichern, es sei eigentlich keine: „Mit diesen Entscheidungen das Wort ,Quote‘ zu verbinden, trifft den Kern der Entscheidungen nur zum Teil“, schrieb er am Tag danach in einer Rundmail.

Ob Quote, Teilzeit- oder Beinahe-Quote: Der Beschluss stellt für diese Partei ein beachtliches Modernisierungssignal dar. Und er setzt ausgerechnet die Strategie der von Merz herzlich gehassten Angela Merkel fort: Wo es um Anpassung von Programm und Praxis an bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen geht, wird die Partei so gut es geht vom konservativen Ballast befreit.

Schon unter der Ex-Kanzlerin hat das durchaus zu einigen echten Verbesserungen geführt, etwa bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Super-Konservativen bekommen dafür in jeder Rede eine Passage, in der das Gendern als sicherer Weg zum Untergang Deutschlands angeprangert wird. „In der veröffentlichten Meinung“ werde „häufig der Eindruck erweckt“, die CDU „begäbe sich auf eine Art identitären Weg der Gleichstellung“, schrieb Merz und fügte zur Beruhigung der alten Konservativen wie der erstaunlich jungen und weiblichen Anti-Quoten-Fraktion hinzu: „Das ist definitiv nicht der Fall.“

Energie-Forderungen hätte Linkspartei nicht schöner formulieren können

So also endete die Gratwanderung in Sachen Gleichstellung (ja, auch dieses Wort gehört jetzt nach langen Auseinandersetzungen offiziell zum CDU-Wortschatz). Und diese Debatte war nur das meistbeachtete, aber keineswegs das einzige Beispiel für den Balanceakt, den Merz versucht.

Was beim Geschlechterthema die Quote, war in der Energiepolitik die soziale Frage, wenn auch interessanterweise ohne parteiinternen Protest: Die Forderungen nach 1.000 Euro Energiepauschale für das untere Einkommensdrittel statt 300 Euro für alle und nach einem Deckel für die Preise bei Strom und Gas hätte die Linkspartei nicht schöner formulieren können. Wer allerdings glaubt, die CDU sei über Nacht zur Rundum-Reformpartei geworden, irrt. Es geht nicht nur darum, mehr Wählerinnen zu gewinnen, was ja ein klar benanntes Motiv für die Einführung der Quasi-Quote war. Es geht auch darum, den Turbokapitalismus der vergangenen Jahrzehnte gerade so weit zu stabilisieren, dass niemand auf die Idee kommt, ihn grundlegend zu verändern.

Im energie- und wirtschaftspolitischen Beschluss wird neoliberalen Freihandelsabkommen wie dem Ceta-Vertrag mit Kanada begeistert das Wort geredet. Die bescheidene Erhöhung von Hartz IV auf ein Bürgergeld von 500 Euro wird als „Reduzierung“ von „Beschäftigungsanreizen“ verteufelt. Und natürlich „gefährdet“ die derzeitige Unternehmensbesteuerung „die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“.

Das ist der moderne Konservatismus der CDU: Manches darf anders werden, damit vieles so bleibt, wie es ist; das unerfüllbare und damit leere Versprechen, der „Zusammenhalt“ der Gesellschaft sei zu sichern, ohne dass sie etwas merkt.

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