Saubermann Schäuble

Geld Die Panama Papers haben Wichtiges enthüllt. Schlimm ist aber, dass wir uns an die Missstände schon fast gewöhnt haben
Ausgabe 15/2016
Dem Kapital wird ein Schlupfloch gelassen, auch bei Schäubles Zehn-Punkte-Plan
Dem Kapital wird ein Schlupfloch gelassen, auch bei Schäubles Zehn-Punkte-Plan

Foto: Ipon/Imago

Der arme Janosch. Sollte sich der 85-Jährige auf seinem Alterssitz in Teneriffa mit Nachrichten beschäftigen, wird er sich manchmal wünschen, er hätte Oh, wie schön ist Panama nie geschrieben. Kaum eine Redaktion konnte es sich verkneifen, den Titel des Kinderbuches bei der Berichterstattung über die Panama Papers zu verwenden.

Panama, das klingt nach „weit weg“. Und schön, das lernen wir jetzt wieder aus der Berichterstattung über die Steueroase, ist es dort vor allem für Superreiche, Steuerhinterzieher und Schwarzgeld-Parker.

Für einen deutschen Finanzminister ist diese Konstellation von unschätzbarem Vorteil. „Ich erwarte, dass die panamaische Regierung nach diesen peinlichen Enthüllungen ins Lager der Ehrlichen wechselt“, hat Wolfgang Schäuble verkündet und sogleich eine Transparenzoffensive angekündigt. Die Botschaft: Wir, die Ehrlichen, werden die Welt in eine ganz andere Oase verwandeln. In einen Ort, wo keiner der Bösen sich mehr hinter einem Briefkasten verstecken kann. Auch nicht in Panama.

Allerdings: Schäuble hätte Oh wie schön ist Panama bis zum Ende lesen sollen. Denn was Bär und Tiger am Ende der Reise für das Traumland Panama halten, das ist nichts anderes als ihr eigenes Zuhause, sie sind im Kreis gelaufen. Und ganz Ähnliches gilt für die Superreichen und Kapitaljongleure dieser Welt: Ein bisschen Panama haben sie auch in Deutschland. Auch wenn ein Wolfgang Schäuble genau davon gern ablenkt, indem er sich als Weltsaubermann für mehr Transparenz inszeniert.

Zehn-Punkte-Plan

Natürlich ist Deutschland mit Standorten wie Panama nicht zu vergleichen. Die Regeln sind hier strenger als dort, und auch der Zehn-Punkte-Plan, den Schäuble nach Bekanntwerden der Panama-Papers aus dem Ärmel zog, enthält zweifellos vernünftige Elemente. Darunter zum Beispiel das Unternehmensregister, in dem Informationen über Briefkastenfirmen gesammelt werden sollen.

Aber schon an dieser Stelle zeigt sich, was in Deutschland keineswegs nur für das Thema der Offshore-Geldanlagen gilt: Immer wieder wird dem Kapital ein Schlupfloch gelassen. Und im gleichen Maß, in dem das geschieht, verliert die deutsche Saubermann-Attitüde an Glaubwürdigkeit.

So unterlässt es Schäuble ganz im Sinne der Unternehmen, das Register auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Verbot von Geschäftsbeziehungen mit Ländern, die auf einer schwarzen Liste verzeichnet sind, kommt in seinem Plan nicht vor. Bei der Geldwäsche in Deutschland, etwa durch Immobilienkauf, blockiert die Bundesregierung die notwendigen Verschärfungen in der EU, beklagt zum Beispiel der Grüne Sven Giegold. Und länderbezogene Informationen über die Steuerpraxis von Konzernen sind ebenfalls nicht im Angebot.

Es wirkt, als tariere diese Regierung immer wieder aus, wie weit sie der Unternehmenslobby entgegenkommen kann, ohne sich allzu viel Widerstand aus der Öffentlichkeit einzuhandeln. Oder umgekehrt: wie weit sie einer Öffentlichkeit, die sich über besonders auffällige Bereicherungs-Exzesse empört, entgegenkommen kann, ohne den Profiteuren insgesamt allzu weh zu tun.

Wie erfolgreich diese Strategie bedauerlicherweise ist, zeigt sich vor allem an der Selbstverständlichkeit, mit der die Gesellschaft sie jenseits der periodisch aufkommenden Großskandale hinnimmt. Das mag noch anders sein, wenn die Spitzenleute eines durch Betrügereien schwankenden Konzerns wie Volkswagen zunächst eiskalt auf ihren Bonuszahlungen bestehen. So etwas geht nicht durch, es ragt aus dem längst schon Gewohnten zu sehr heraus und hat zu offensichtlich einen asozialen Charakter, wenn gleichzeitig normale Beschäftigte um ihre Jobs fürchten müssen.

Aber diesseits von Panama und Wolfsburg und all den anderen Aufregern ist leider festzustellen: An dem täglichen Skandal der strukturellen Ungerechtigkeit hat sich Deutschland offenbar weitgehend gewöhnt. In dieser Woche, während alle Welt sich (mit Recht) über Panama und Volkswagen erregte, beugte sich die Große Koalition mal wieder über die vom Bundesverfassungsgericht verfügte Reform der Erbschaftsteuer. Und unabhängig davon, was im bald bevorstehenden parlamentarischen Verfahren an Details herauskommen wird, steht fest: Es wird ein Festival der Verschonung für Firmenerben werden.

Es gab und gibt Vorschläge aus Wirtschaftswissenschaft und Opposition, wie die Eigentümer auf einen angemessenen Beitrag zum Gemeinwesen verpflichtet werden könnten, ohne dass Unternehmen und Arbeitsplätze in Gefahr geraten müssen. Das ginge zum Beispiel, indem die Steuerschuld, die nicht sofort beglichen werden kann, in Unternehmensanteile des Staates verwandelt wird (im Zweifel auch ohne Stimmrecht), bis die Steuer aus den Gewinnen bezahlt ist. Die Unternehmensanteile wären für den Fiskus dann eine Art Sicherheit. Aber so etwas hat im Steuerparadies Deutschland keine Chance – so wenig wie die Besteuerung großer Vermögen oder ein höherer Spitzensteuersatz auf Einkommen am oberen Ende.

Panama, der Skandal? Ja! Aber in all der Aufregung sollten wir endlich mal wieder daran denken, dass manch ein Steuervermeider im Schatten der Skandale genüsslich stöhnen kann: Oh, wie schön ist Deutschland.

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