Die größte Hoffnung jener, die Europas Staaten zusammenhalten wollen, sitzt nicht in Berlin oder Paris. Sie sitzt in Washington. Präsident Trump mischt die Weltwirtschaft auf, verhängt Strafzölle gegen Stahl- und Aluminiumimporte und spart die EU nicht aus. Das verschafft den Europäern einen starken Anreiz zur Geschlossenheit. Nur als Gruppe, heißt es, können die EU-Staaten der transatlantischen Herausforderung entgegentreten. Das Problem: Während der äußere Feind die Geschlossenheit notwendig macht, scheitert die Einigung Europas an den Widersprüchen einer Kooperation unter Konkurrenten.
Ungeachtet dessen wird gegen die US-Handelspolitik eine „starke Antwort“ gefordert. Selbst linke Gemüter verlangen, die EU müsse hart zurückschlagen, nicht nur gegen die US-Regierung, auch gegen US-Konzerne wie Facebook, Google & Co. Die USA dienen damit als Kitt für Europa und liefern Argumente, um dessen Einigung voranzutreiben. So steigt Präsident Macron zum Helden aller Europa-Freunde und Trump-Kritiker auf, denn er fordert die Vertiefung der EU. Vor diesem Verdienst tritt zurück, dass Macron den französischen Reichtum von unten nach oben verteilt, Steuern für Vermögende senkt, Rechte der Arbeitnehmer kassiert und Arbeitslose stärker unter Druck setzen will, aber angesichts des Gegners Trump sollen alle Einwände gegen ihn, gegen die EU und die Euro-Zone verstummen.
Europa besinnt sich damit auf seinen Ursprung als Projekt gegen die amerikanische Dominanz. Schon 1947 schrieb der „Vater Europas“, der Franzose Jean Monnet: „Die Macht der westeuropäischen Staaten zu stärken, und um der Gefahr begegnen zu können, die uns von der amerikanischen Supermacht droht, dafür muss eine wirkliche Gegenmacht geschaffen werden, die nur die endgültige Vereinigung Europas möglich machen kann.“ Für die Verdienste um diese Vereinigung erhielt der Unternehmer Monnet nicht nur den Titel „Ehrenbürger Europas“, sondern auch den Karlspreis der Stadt Aachen, eine Auszeichnung, die er teilt mit Macron, Schäuble, Merkel – und dem Euro.
Während Trump nun den äußeren Gegner liefert, steht es um die innere Geschlossenheit Europas schlecht. Seit Jahren sind dessen Regierungen damit beschäftigt, sich vorzuwerfen, die EU als Hebel des nationalen Vorteils zu missbrauchen. Ausgangspunkt dieser Dauerkrise war die Finanz- und Euro-Krise, in der deutlich wurde, dass das grundsätzliche Versprechen der europäischen Einigung nicht zu halten ist: Wenn sich ein Staat den europäischen Regeln unterwirft, profitiere davon erstens seine Wirtschaft, zweitens sei er als Teil eines größeren Ganzen weltpolitisch mächtiger als allein. Die Abgabe von Souveränität an „Brüssel“, so das Versprechen, führe für jeden zu einem Machtgewinn. Die Jahre der Sparpolitik haben diese Rechnung gerade in den ärmeren Ländern Europas durchkreuzt. Sie beklagen einen Machtverlust und die Gängelung durch den Norden. Die reichen EU-Länder wiederum verzeichnen einen Machtzuwachs, beklagen aber zugleich, dass sie dafür finanzielle Risiken eingehen müssen, um die Schuldnerstaaten zahlungsfähig und das Gesamtkonstrukt halbwegs stabil zu halten. Dieser Widerspruch unterminiert dauerhaft die EU und die Euro-Zone und lässt Schlagzeilen wie „Droht das Ende des Euro?“ nicht verschwinden. So lehnt die neue italienische Regierung fast täglich den Euro-Austritt ab, demonstriert damit aber nur, dass sie ihn nicht ausschließt.
Während sich der innere Widerspruch der EU nicht auflösen lässt, bietet sich Macron der Bundesregierung als letzter mächtiger Partner an und fordert dafür Entgegenkommen. Nun hat die Kanzlerin in einem „starken Interview“ eine „Antwort auf Macron“ gegeben, die eher reserviert ausgefallen ist. Den von Macron geforderten Euro-Finanzminister soll es nicht geben, die Bankenunion bleibt vorerst unvollendet, da aus deutscher Sicht Südeuropas Geldhäuser in der Summe zu schwach sind. Zwar nimmt Merkel Macrons Forderung nach einem Investitionsfonds auf, doch soll es für den nur einen „niedrigen zweistelligen“ Milliardenbetrag geben, und das über sieben Jahre. Macrons Ideen begannen bei 100 Milliarden aufwärts – pro Jahr.
Den Euro-Rettungsschirm ESM will Merkel zum Europäischen Währungsfonds EWF umwidmen, der jedoch nicht mehr Mittel erhält als der ESM und kein Vehikel europäischer Solidarität sein wird. Vielmehr soll er Europa unabhängig vom Internationalen Währungsfonds IWF machen und Kredite vergeben, die – so Merkel – vollständig zurückzuzahlen sind und für deren Gewährung die Schuldner „Strukturreformen“ umsetzen müssen. Analog zum IWF würde auch der EWF dem Schutz der Gläubiger vor der Pleite von Schuldnern dienen und diese an die Vorgaben der Gläubiger binden, ebenso wie der geplante Investitionsfonds, dessen Gelder es nur für Strukturreformen in Arbeits- und Produktmärkten geben soll. Ein besserer Schutz der Arbeitnehmer dürfte damit nicht gemeint sein. „Je respektvoller wir miteinander umgehen und unsere wechselseitigen Interessen berücksichtigen, desto besser“, sagt Merkel. „So haben wir auch in dem Konflikt, den wir mit Griechenland über die notwendigen Reformen hatten, eine tragfähige Lösung gefunden.“ Das kann man als Drohung verstehen.
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